Die Wiedergutwerdung der Deutschen. Eike Geisel
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Von ganz ähnlichen Heimatgefühlen durchdrungen war im Frühjahr 1991 die Israel-Delegation der Grünen, als sie aus der bösen Fremde wieder ins gemütliche Grauen zurückkehrte. Ihr Sprecher Ströbele protokollierte damals die Drecksarbeit, die er einen Ausländer verrichten ließ: »Auf dem Rückflug erklärte ein Mitglied der Delegation, er sei froh, nach Deutschland zurückzukehren. Er, der Ausländer ist und die deutschen Behörden wegen der Behandlung von Ausländern in der BRD heftig kritisiert hat, äußerte spontan seine Liebe zu Deutschland, als wir in Frankfurt den Flughafen betraten.«
Den imaginierten Schachzügen der israelischen Politik, will heißen, den undurchsichtigen Tricks, korrespondiert auf Seiten der Autoren, wie Paechs Erläuterungen zu seiner diesjährigen »fact-finding-mission« belegen, eine durchsichtige Plumpheit, eine von keinerlei intellektuellen Regungen ins Wanken gebrachte Geradheit. Der Eifer der Bewährungshelfer plustert sich geradezu aufklärerisch auf. Jetzt soll man endlich die ganze Wahrheit erfahren. Zwar kann man in israelischen Zeitungen und Zeitschriften detailliert über selbst noch das geringste Vergehen der Besatzungspolitik nachlesen; zwar ist die veröffentlichte Meinung in Israel oft so aggressiv, dass sich dagegen noch der kritischste und meist von israelischen Vorlagen abgekupferte Artikel einer deutschen Zeitung, wie Rohkost ausnimmt, von der Flachheit des politischen Journalismus in Deutschland und der Regierungssprechermentalität seiner Vertreter ganz zu schweigen; zwar ist jeder politische Vertuschungsversuch in Israel eine unwiderstehliche Aufforderung an alle Reporter, diesen aufzudecken; zwar gibt es dort, mit einem Wort, eine funktionierende Öffentlichkeit, doch der Gestus moralischer Aufgebrachtheit, mit dem Paech und seine gelehrigen Schüler in der GEW auf ihre Entdeckungen in Israel zeigen, suggeriert, dass sie die Wahrheit erst hier ans Licht brachten, weil es dort weder Demokratie noch Pressefreiheit gäbe. Dabei fischen sie nur im Trüben.
In der Hamburger Lehrerzeitung schreibt eine Vorbereitungsgruppe der GEW-Veranstaltung den Begriff Demokratie denunziatorisch in Anführungszeichen, wenn von Israel die Rede ist. Auf derlei Faxen kamen die pensionsberechtigten Demokratiekritiker hierzulande nicht, wo schon in Friedenszeiten der Ausnahmezustand erwogen wird, dessen es nachgerade gar nicht mehr bedarf. Und Professor Paech säße sicher schon im Knast und nicht auf einem Lehrstuhl, wenn er in Deutschland einmal für die Menschenrechte eintreten müsste in einer Situation, die auch nur annähernd dem Nahostkonflikt entspricht. Er moniert, Israel sei eine »Demokratie im Belagerungszustand«, eine »Militärdemokratie« und klagt über die Zensur im Lande. Wie lächerlich sich allerdings der deutsche Fackelträger der Informations- und Meinungsfreiheit mit seiner Anklage macht, entgeht am allermeisten ihm selbst: Ausführlich referiert er den Bericht eines im Militärgefängnis von Hebron misshandelten palästinensischen Studenten, um in einem Nachsatz kleinlaut hinzuzufügen: »Über seine Vorwürfe der Folter wurden in der israelischen Presse berichtet.«
Fazit seiner Reise in Sachen Menschenrechte war: »der biblische Anspruch Israels« sei der Kern des Nahostkonflikts, »und zwar nicht nur was die Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern, sondern auch was die Feindschaft zwischen Israelis und Arabern betrifft«. Offenbar kann, was Juden und Israel angeht, keine Auskunft zu dumm sein, um nicht von Deutschen geglaubt zu werden. Die Feindschaft zwischen einem Israeli und einem hungernden Fellachen in Oberägypten, einem lese- und schreibunkundigen Iraki in Basra, einer unterdrückten saudiarabischen Frau und einem bettelnden marokkanischen Kind – alles im biblischen Anspruch Israels begründet? Keinen Augenblick wird auch nur die Möglichkeit eingeräumt, dass es für die Feindschaft zwischen Israelis und Arabern sachliche Gründe, beispielsweise die Vernichtungsdrohung durch letztere, geben könnte.
Immer wenn Linke zum plumpen Antisemitismus greifen, kommt die Bildung ins Spiel, nämlich die Bibel, die sie den Juden auch nicht verzeihen. Sogar im Anschluss an die weiter oben zitierte Versicherung Paechs, er habe aus der Massenvernichtung die richtigen Lehren gezogen, er könne also nicht schweigen, »wenn die Überlebenden, ihre Kinder und Enkel, Menschenrechte anderer verletzen«, taucht plötzlich ein biblisches Motiv auf: der Fluch Gottes aus den Zehn Geboten. Paech unterstellt, es gäbe nach Auschwitz ein von Juden unter Berufung auf die Bibel erlassenes Kritikverbot für Deutsche und fragt: »Soll das auch für unsere Kinder und Enkel gelten?« Eigentlich wollte er ja Erpressung sagen, aber der unterschwellige Gedanke an den jüdischen Fluch verleiht der Frage erst den richtigen Kitzel.
Auf der Veranstaltung in Hamburg wurde die Kritik am Verständnis, welches die GEW dem Antisemitismus entgegenbringt, wild entrüstet zurückgewiesen. Ablehnung durch Anbiederung wollte man sich nicht nachsagen lassen, denn schließlich waren lauter gute Menschen hier versammelt. Die inkriminierten Zitate, insbesondere Professor Paechs Propagandalüge von der Mitschuld der Juden am Antisemitismus, seien aus dem Zusammenhang gerissen, lautete der Vorwurf an den Kritiker. Ein Zitat ist freilich, das lernt man offenbar bei diesen Lehrern nicht mehr, immer ein Ausriß aus einem Text. Der Schwachsinn eines bestimmten Satzes wird indes nicht dadurch aus der Welt geschafft, dass man sich auf die mildernden Umstände des Zusammenhangs beruft, in dem er steht. Und gerade die aus den Gewerkschaftsmaterialien zitierten Sätze sind in jeder Umgebung infam und rücken deshalb jeden Kontext, in dem sie stehen, in das trübe Licht des Antisemitismus.
Ein weiterer, auch bei der Hamburger Veranstaltung, beliebter Vorwurf, verfährt nach dem Motto: »Haltet den Dieb«. Wer die moralische Tarnung des linken Antisemitismus durchbricht, gilt als Aggressor, wer die davon ausgehende Bedrohung benennt, als bedrohlich, wer den Gestank moniert, als Stänkerer. Und man selber versteht sich als mutiger Tabubrecher, als ehrbarer Wahrer der Meinungsfreiheit, die von Kritikern mit dem Vorwurf des Antisemitismus erstickt zu werden droht. Mit demselben Gespür, mit dem Politiker das Asylrecht gegen dessen »Missbrauch durch Scheinasylanten« verteidigen, wirft man sich als Vorkämpfer für ein Grundrecht in die Bresche. Man will der von jüdischen Vorbehalten bedrohten Meinungsfreiheit eine Gasse bahnen.
Ströbele hatte vor Jahresfrist das angestaubte Bekenntnis zur Verteidigung der Meinungsfreiheit aus der Mottenkiste des antijüdischen Agitators hervorgeholt: »Ich sehe den Vorwurf des Antisemitismus als politisches Totschlagsargument missbraucht, um die harte Kritik an der israelischen Regierung zum Schweigen zu bringen.« Und in Hamburg plapperten Leute dies nach, denen man nichts Schlimmeres antun konnte, als sie zu zitieren.
Wie wollen die linken Lehrer nun »latentem Antisemitismus entgegentreten?« »Natürlich«, versichern sie in ihrer Gewerkschaftszeitung, »muss eine Beschäftigung mit dem Verhältnis von Deutschen und Juden vom Holocaust ausgehen.« Ja, natürlich – soll heißen: Logo, alles klar, versteht sich, ist ja gebongt, machen wir, muss sein. Doch dem flotten »natürlich« folgt auf dem Fuß ein einschränkendes »aber«: »Aber dass aus der Vernichtungspolitik der Nazis gegenüber den Juden abgeleitet wird, Ansprüche und Politik des Staates Israel bedingungslos zu akzeptieren, stößt bei Jugendlichen zunehmend auf Unverständnis.« Auf zunehmendes Verständnis hingegen stößt diese Haltung bei den Lehrern, die sie feststellen. Sie legen dabei jene apologetische Einfühlsamkeit an den Tag, wie man sie inzwischen zu Genüge von Politikern und Sozialarbeitern kennt, die sich zu den Schandtaten des Mobs geäußert haben. Doch abgesehen von der offenkundigen Lüge, die Politik Israels bedingungslos akzeptieren zu müssen, was niemand jemals gefordert hat, sind – wie im Fall der rücksichtsvoll betrachteten Brandstifter – die Schüler nur ein Vorwand zur Bestätigung und Rechtfertigung des eigenen Ressentiments. Es wird auf dem Umweg über die Schüler nur pädagogisch veredelt.
Eine Lehrerin erläuterte beispielhaft, wie sie einmal erfolgreich den latenten Antisemitismus ihrer Schüler bekämpft hatte: es gebe auch gute Juden, habe sie einem Schüler erklärt, der mit so latent antisemitischen Parolen wie »Juden raus« oder »Nieder mit Israel« aufgetreten sei, es gebe beispielsweise