Breiter bis wolkig. Bernd Neuschl

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Breiter bis wolkig - Bernd Neuschl Lindemanns

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gehen zurück ins Wohnzimmer und ich frage erneut, ob jemand mein Handy gesehen habe.

      „Suchst du das hier?“ Gerda hält mir mein Handy vor die Nase. Ertappt. Beschämt greife ich danach.

      „Mach dir nichts daraus“, brummt sie mit einer plötzlich befremdlich maskulinen Stimme. „Mir ist es auch schon ins Pissoir gefallen. Ich war nach dir in der Bar auf der Toilette und habe es für dich gerettet. Und gereinigt.“ Ihr Wimpernaufschlag ist – Mascara sei Dank – verführerisch, aber für meinen Geschmack eine Spur zu maskulin.

      Erleichtert greife ich nach meinem Telefon. Mein Blick fällt dabei zufällig auf Gerdas Schritt. Jetzt sehe ich, warum diese Frau dezent nach Fisch riecht. Oder soll ich besser sagen der Mann? Entsetzt zeige ich auf das Kostüm des wohl unreinen, da wasserscheuen Transen-Tritons: „Oha Gerda, in deinem Kleid regt sich eine Schwellung im Schritt und das ist bestimmt keine Seeschlange, so viel ist sicher. Ich muss weg. Danke für alles.“

      Fluchtartig verlasse ich die Wohnung und höre im Treppenhaus, wie mir die männliche Meeres-Muschi-Majestät schallend hinterherruft „Bleib doch hier. Bitte bleib doch hier.“

      17:30 Uhr. Schalte das Handy ein. Geht nicht. Der Akku ist zu nass. Eines muss man der Rettungsaktion der Pimmelfee lassen: Das Spülwasser im Pissoire hat sonst so gut wie keinen Schaden angerichtet. Entferne den Akku, um ihn in meiner Hosentasche zu trocknen.

      Habe noch eine halbe Stunde bis zum Soundcheck und beschließe, mir etwas gegen die aufquellende Übelkeit in meinem Magen zu holen. Nicht in der Apotheke, sondern bei McDonalds.

      17:40 Uhr. Der fleischig-saftige Big Mac, flankiert von einer prallen Portion Pommes und sechs kross-goldenen Chicken Nuggets verfehlen ihre Wirkung nicht. Mir ist noch übler. Zu allem Elend fällt mir nicht mehr ein, wo das Musicalkonzert sein soll. Bürgerzentrum oder Bürgerhaus? Immerhin noch 20 Minuten. Erinnere mich an meinen Entschluss, ein Taxi zu nehmen und begebe mich zum Bahnhofsvorplatz.

      In Köln sind Taxen am Rosenmontag zwar so exorbitant teuer wie auf der Münchner Wiesn, aber wie sagte schon der große Friedrich Nietzsche: Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.

      18:00 Uhr. Bekomme kein Taxi. Entweder fahren volle Taxen vorbei oder flinkere, liebestolle Pärchen schnappen mir auf dem Weg in ihr Liebesnest ein anhaltendes Taxi vor der Nase weg.

      18:37 Uhr. Soundcheck geht offenbar auch ohne mich, denn die Welt dreht sich munter weiter. Mittlerweile ist der Akku in meiner Hosentasche warm wie eine Toastbrotscheibe und ich lege ihn ins Handy ein.

      Hurra, zwei Prozent nur, aber immerhin. Reicht beim Telefonieren fürs Rufzeichen, das beim Empfänger als Lebenszeichen meinerseits gedeutet werden kann.

      Rufe Holger an: „Holger, es brennt. Ich muss ganz dringend zu einem Gig. Hol mich bitte am Hauptbahnhof ab.“

      „Geht klar“, meint Holger. „Ich bin zum Glück nüchtern. Naja, Restalkohol von gestern, aber es geht schon. Ist deine Peepshow schon vorbei?“

      „Darüber reden wir später, mach hin!“

      Der Akku zeigt ein Prozent.

      Rufe den Pianisten an. „Stecke im Stau“, lüge ich.

      „Du weißt schon, dass wir ohne dich und die Noten alles vergessen können?“

      „Ich beeile mich, hast du mir die Adresse vom Bürgerhaus?“

      „Ja, das ist die ...“ Tut. Tut. Tut. Verbindung weg, Handy tot.

      19:05 Uhr. Holger fährt mit dem Leichenwagen seines Onkels vor. Als ich auf dem Beifahrersitz Platz nehme, sehe ich, dass er ein Karnevalskostüm trägt. Was folgt, ist eine hoffnungslose Odyssee. Sämtliche Bürgerhäuser, die wir mit Hilfe des Navis anfahren, sind falsch. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr gerate ich ins Schwitzen.

      19:30 Uhr. Bürgerhaus Kalk.

      20:05. Bürgerzentrum Deutz

      20:27. Bürgerschaftshaus Bocklemünd

      21:00. Showbeginn und wir stehen vor dem Bürgerzentrum Engelshof. Holger tippt auf dem Navi herum.

      „Tja, jetzt gibt es nur noch das Bürgerhaus Stollwerck.“

      „Das ist es“, brülle ich erleichtert und hämmere mit meinen Händen auf dem Armaturenbrett.

      Nach 20 Minuten biegen wir in die Dreikönigenstraße ein.

      Just in dem Augenblick, als das Navi den Satz „In drei Minuten haben Sie ihren Bestimmungsort erreicht“ beendet hat, flackern im Rückspiegel Blaulichter auf.

      Ein Leichenwagen wird aus Pietätsgründen eigentlich nicht kontrolliert, aber wenn am Steuer Fred Feuerstein sitzt und mit Affenkaracho durch Köln flitzt, werden selbst altgediente Schutzmänner stutzig.

      Holger hält am Bordstein, ich steige aus und renne los.

      „Halt, stehen bleiben! Polizei! “, bellen die Beamten mir hinterher.

      Werde von zwei Pfoten kläffend auf den Gehweg geworfen. Wusste nicht, dass Verkehrspolizisten Schutzhunde mitführen.

      Bemerke den Dildo aus Arielles Schatzkammer in meiner Sakkotasche. Schalte ihn ein und halte ihn dem Köter vor die Schnauze. „Jetzt such’ das Stöckchen“, rufe ich und werfe das Spielzeug in ein Gebüsch auf der anderen Straßenseite. Der Hund schießt wie ein Pfeil über die Straße, um das pinke Stöckchen zu apportieren. Was heißt hier apportieren, er hat es adoptiert und ich sehe beim Losrennen, wie es die beiden Beamten nicht schaffen, ihm sein neues Spielzeug wieder abzunehmen.

      21:40 Uhr. Ich komme außer Atem, aber erleichtert am Bürgerhaus an. Enttäuschte Gäste rauchen vor dem Eingang. Schuldbewusst und mit hängenden Schultern betrete ich den Saal. Jemand tippt mir auf die Schulter. Drehe mich um. Marc Elton, der Produzent, stiert mich wütend an. Er trägt rot. Brille, Sakko und Schuhe gehen eine optische Symbiose mit der Farbe seines Gesichts ein.

      „Ha, Ben. Auch hier. Schöne Scheiße. Ohne Dirigent und Noten keine Show. Du hast Glück, dass sich die neue Freundin des Sponsors verspätet hat und eben erst angekommen ist.“

      Ich könnte im Boden versinken. „Tut mir leid, ich ...“

      „Papperlapapp, ich möchte nichts hören. Das ist ein Desaster.“

      Ein massiger Mann Anfang 50 kommt im edlen Smoking auf uns zu. Marc zieht meinen Kopf unsanft zu seinem Mund. „Das ist der Baulöwe Roland Specht. Unser Sponsor. War unser Sponsor. Er ist stinksauer.“

      „Sind Sie der Dirigent?“, lispelt mich der Unternehmer mit einer fipsigen Stimme an, die so gar nicht zu dem schwergewichtigen Restkörper passen will.

      „Ja, das ist er!“, schallt es uns nasal vom Eingang entgegen. Helge Schneider erscheint im Saal.

      „Der Schelm hat die Noten in der Philharmonie liegen lassen. Gestatten Schneider, ich hatte eben eine Show und dachte, bevor ich in mein Hotel hier um die Ecke gehe, bringe ich mal die Noten vorbei.“

      Ein Stapel Orchesternoten fällt in meine Arme. Ich falle aus allen Wolken. Sponsor Specht gleich mit.

      „Ui, Herr Schneider. Ich darf Ihnen sagen,

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