Breiter bis wolkig. Bernd Neuschl
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Ich darauf: ,Dreh dich mal um, ich habe sie gefunden!’
Ich mache ja die See Food-Diät: Kennen Sie die? See Food-Diät: Whenever I see food, I eat it.
Zum Wohl! Alkohol macht schlau. Der Kasten Bier ist also der Brockhaus des kleinen Mannes.
Ich muss zugeben, ich bin nicht ganz nüchtern, ich habe was getrunken und du sollst ja dann öffentliche Verkehrsmittel nehmen. Ich bin also mit dem Bus hierhergefahren. Den muss ich jetzt aber wieder ins Depot zurückbringen. Prost zusammen und nicht vergessen: Beim Trinken werden immer nur die anderen schöner!
Meine Rede ist jetzt leider um, ihr wart ein Spitzenpublikum. Bei mir kommt der Humor aus einem Riesenzuber, pfiat Euch, Euer Nudelhuber. Servus!“
15:04 Uhr. Habe Bauchschmerzen vom vielen Lachen. Nudelhuber ist der Hammer! Noch drei Stunden bis zum Soundcheck. Fasse mit felsenfester Überzeugung den Entschluss, mit dem Taxi zum Bürgerhaus zu fahren, dann kann ich nämlich noch über zwei Stunden hierbleiben und mitfeiern. Das Leben ist schön.
15:30 Uhr. Mittlerweile habe ich zwölf Kölsch intus. Der Vampir bietet mir gönnerhaft Zigaretten an. Und mit Pfefferminzlikör würde man auch nicht nach Rauch stinken, meint er. Sein spitzes Lächeln überzeugt mich.
16:00 Uhr. Stimmt. Habe nach drei Zigaretten drei Pfefferminzliköre getrunken und rieche nichts. Mein Handy klingelt. Es ist Esther. Hauche das Display an, aber es entsperrt sich nicht. Probiere es mit der Zunge. Da fällt mir ein, dass ich meinen rechten Zeigefinger benutzen muss.
Hier ist es zum Telefonieren zu laut. Gehe auf die Toilette. Esther möchte wissen, wo ich bleibe.
Ich sage: „Schatz, wir müssen leider länger proben, ich komme erst heute Nacht nach der Show nach Hause. Große Ausnahme, du weißt, ich darf keine Schwäche zeigen. Ich habe im doppelten Sinne Probezeit. Warte nicht auf mich.“
Lege auf, stelle den Flugmodus ein und lasse das Handy in meine Gesäßtasche gleiten. Mein Handy beschließt jedoch, nicht in selbige, sondern unbemerkt ins Pissoir zu plumpsen.
Blicke auf meine digitale Armbanduhr. 6016:1601 Uhr. Wow. Halte mir ein Auge zu und sehe ehrlich verblüfft, wie sich die Ziffern mit der Eleganz einer Miniaturfliegerstaffel flugs zu 16:00 Uhr formatieren. Na, noch über eine Stunde Zeit. Bin offenbar wieder nüchtern. Das muss gefeiert werden.
Die Meerjungfrau schwenkt um von Bier auf Wein und duftet nicht mehr, sondern riecht dezent nach Fisch. Ich finde das fein. Gerda, so heißt die Nixe, schlägt vor, wir alle könnten doch in ihrer Wohnung weiter Party machen. Ihr Freund habe ohnehin ein langweiliges Geschäftsessen, auf dem sie auch noch später auftauchen könne. Die Schlümpfe, der Vampir als auch die Giraffe sind von der Idee begeistert. Ich füge mich meinem Schicksal und zitiere Hamlet: „Feiern oder Reihern – das ist hier die Frage!“ Bekomme von den Schlümpfen begeisterten Szenenapplaus.
Gerda, die Meerjungfrau, erzählt mir beim Verlassen der Bar, dass sie Schauspielerin sei. Unsere bunte Karnevals-Karavane zieht selbst für Kölner Verhältnisse mehr als auffällig durch die Straßen.
16:30 Uhr. Sind in Gerdas Wohnung. Merke, dass ich die Orchesternoten irgendwo habe liegen lassen. Fuck. War das in der Kneipe? Oder in der Philharmonie?
Egal, ich kann eh alles auswendig dirigieren und die Musiker sind Profis. Beruhigt stelle ich fest, dass mir zumindest mein Taktstock die Treue gehalten hat und einsatzbereit in der Innentasche meines Sakkos dem nächsten Auftakt entgegenlauert. Es ist ein sehr wertiger Taktstock. Nicht aus Fiberglas oder Holz. Nein, aus Silber. Ein Erbstück meines Urgroßvaters. Glänzend gefährlich und derart spitz, dass man eigentlich einen Waffenschein für ihn beantragen müsste. Also für den Taktstock, nicht für den Uropa.
17:00 Uhr. Muss auf die Toilette. Betrete aus Versehen das Schlafzimmer der Meerjungfrau und sehe sofort, dass sie eher Schauspielerin für nicht jugendfreie Aufklärungsfilme sein muss. Vor dem Kleiderschrank stehen vielerlei Paare schwarz glänzende Stiefel und ein Paar pinke Schuhe mit Absätzen. Alleine die Höhe dieser auf Hochglanz polierten Plateauschuhe würde jedem Plattenbau in Chemnitz ernsthaft Konkurrenz machen.
Krass. Offenbar interessiert sich Gerda auch für mittelalterliche Folterwerkzeuge. Über dem Bett hängen allerlei Fesseln, Masken und Peitschen.
Ein Laptop mit Webcam steht einsam vor dem Bett. Eine rot blinke LED signalisiert, dass das Gerät wohl einsatzbereit ist.
Mutig entschlossen lasse ich mich auf das Bett fallen und winke dabei in die Kamera. Sofort poppen auf dem Bildschirm ein gutes Duzend Fenster von angemeldeten Usern auf, die gegen ein kleines Entgelt hier im Live-Chat wohl ihre erotischen Wünsche digitalisiert mitteilen können. Möchte es mir bequem machen und vergesse dabei den spitzen Taktstock, der beim Auf-die-Seite-Drehen zielsicher in die Matratze des Wasserbetts sticht. Mit einem schmatzenden Knall platzt sie.
Robbe völlig durchnässt näher an den Bildschirm, damit ich die Flirtpartner genauer betrachten kann. Staune nicht schlecht, wer da so alles angemeldet ist. Von den zwölf Herren kenne ich tatsächlich zwei.
Während mir mein Kumpel Holger überrascht und zugleich irritiert zuwinkt, sehe ich, wie unser Pfarrer verzweifelt, aber vergeblich versucht, seine Kamera mit der sonst segnenden Innenfläche seiner Hand zu verdecken, was aufgrund der gediehenen Parkinsonerkrankung grandios misslingt.
Schließlich schlägt er den Laptop zitternd mit der Faust zu. Ich muss kichern und frage mich, wer wohl wem das nächste Mal die Beichte abnehmen wird.
„Hey Ben, was machst du da? Du bist ja ganz nass!“, will Holger via Webcam wissen.
„Ein Geheimauftrag von Green Peace. Streng geheim. Ich bin Käpt’n Iglu und rette Meerjungfrauen.“
„Dann beeil’ dich. Esther hat mich angerufen, weil sie dich nicht auf dem Handy erreicht.“
„Ich habe ihr gesagt, dass ich länger arbeiten muss“, antworte ich und schließe den Laptop.
Hektisch durchpflüge ich die große Pfütze des zerstörten Wasserbettes. Suche nach meinem Handy. Stattdessen finde ich in meiner Sakkotasche einen pinken Dildo, der bei meinem Schiffbruch geradewegs hineingerutscht sein muss. Ich besitze kein Handy mehr, leihe mir aber als Ersatz das bananenförmige pinke Spielzeug, das immerhin auch vibrieren kann.
Schlurfe ins Bad, um meine Hose etwas trocken zu föhnen.
Danach stehe ich vor die Toilettenschüssel, damit meine Blase endlich Erleichterung erhält. Schaue dabei aus dem Dachfenster und stelle fest, dass ich auf Augenhöhe mit einem Kater auf dem Fenstersims bin, der sich gerade das Fell glänzend leckt. Das ist die Idee. Ich öffne das Fenster und schnappe mir das Viech.
Sperre den Kater im Schlafzimmer ein und erkläre Gerda, komische Geräusche aus eben jenem Zimmer gehört zu haben. Aufgrund der mir als Gast gebotenen Kontenance würde ich es jedoch nie wagen, ungefragt in die Privatsphäre einer so reizenden Dame einzudringen.
Alle stürzen Richtung Schlafgemach. „Falls jemand mein Handy gesehen hat. Ich finde es nicht mehr“, rufe ich unschuldig hinterher.
Gerda öffnet die Tür und der Kater flüchtet beleidigt aus dem Schlafzimmer.
„Ach du liebe Güte. Nun sieh’ sich einer diese Sauerei an“, stöhnt Gerda. „Naja, mein Fehler“, fährt sie fort und betritt