Bahnfahring. Thomas C. Breuer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Bahnfahring - Thomas C. Breuer страница 11
Nach achteinhalb Jahren ging es dem CIS zum Fahrplanwechsel im Dezember 2006 an den Kragen, offiziell, weil die Verträge ausliefen. Der hohen Anfälligkeit wegen wollte die Deutsche Bahn neue 7-teilige ICEs einsetzen, auf deren Verlässlichkeit der Voyageur natürlich gespannt sein durfte, freilich vergebens, denn diese Züge wurden nie aufs Gleis gesetzt, dank Störungen der Oberleitungen bei Bahnvorstand und Triebkopfschäden bei den Herstellern. Auf der Gäubahn geht es also nach wie vor so zu wie bei dieser hinreißenden Ansage im Bahnhof Singen: „Die Abfahrt unseres Zuges verzögert sich um einige Minuten, da wir den Gegenzug aus Stuttgart abwarten müssen, der unseren Lokführer bringt.“
Nicht nur, dass bis auf die Münchner Verbindungen über den Brenner und ein paar Nachtzüge die direkte Achse Deutschland – Italien gekappt wurde: Einfacher ist das Reisen nicht geworden. Mag die Postmoderne hinter uns liegen – die Bahnmoderne lässt noch auf sich warten. Auch im Jahr 2016, nebbich. In Rottweil klettert der Mann aus dem Führerstand einer betagten Lokomotive, schreitet über die Gleise, steigt mit mir in den Intercity nach Zürich. Dort setzt er sich in den Zweier auf der anderen Seite des Ganges. Ob das jetzt die Regionalzüge seien, die neuerdings zwischen Stuttgart und Singen verkehren, frage ich ihn. Er nickt. Seit dem ersten Oktober, sagt er. Die haben die alten, die wesentlich neuer waren als die neuerdings aktuellen, von dieser Strecke abgezogen, die müssen jetzt zwischen Stuttgart und Aalen verkehren. Warum, frage ich kreidebleich. Weil die Strecke dort neu ausgeschrieben wurde, und die Bahn nur den Zuschlag bekommen hat, weil sie zusagte, neueres Rollmaterial auf die Strecke zu bringen. Da haben sie kurzerhand die halbwegs manierlichen Triebwagen der Baureihen 425 und 426 von der Gäubahn runtergenommen, um sie auf der verdammten Remsbahn einzusetzen. Jetzt haben wir die alten, notdürftig aufgepimpten Silberlinge an der Backe, die sog. „n-Wagen“, gebaut zwischen 1958 und 1980 in 5.000 Exemplaren. Ende 2015 waren noch 946 Waggons im Einsatz, hinterlistige Knochenbrecher, bei denen die Türen nie richtig aufgehen, es sei denn, man nimmt eine Schulterfraktur in Kauf. Und wer dann mit Gepäck die Schiebetür zur ersten Klasse öffnen möchte, kriegt zusätzliche Probleme.
Der Lokführer wirkt traurig. Die Züge seien eine einzige Katastrophe, sagt er, die Loks weit über dreißig Jahre alt. Gefährlich seien sie auch, die Türen ließen sich, wenn auch schwer, öffnen, wenn der Zug sich bereits in Bewegung gesetzt hat. Und wenn dann was passiert, ist der Lokführer als Erster dran. Man müsse höllisch aufpassen. Viel verbessert hat sich nicht in den letzten Jahren, werfe ich vorsichtig ein. Da blitzt es in seinen Augen: Seit dem Mehdorn sei alles schlimmer geworden, bricht es aus ihm raus, weil der damals unbedingt an die Börse wollte. Dem habe er alles geopfert. Mir fällt ein, dass ich in einem früheren Programm einen Mehdorn-Schlenker hatte, demzufolge dieser Herr vielleicht auf der Gehaltsliste eines beliebigen Automobilkonzerns stünde, um DB-Kunden zurück zum Auto zu scheuchen. Tatsache ist, dass die DB die sog. „Gäubahn“ in den letzten fünfzehn Jahren, seit ich diese Strecke regelmäßig befahre, konsequent runtergerockt hat. Hier verkehrten früher Neige-ICEs, und, wie eben beschrieben, der Cisalpino, Dann gab es wenigstens Doppelstockwaggons, und jetzt dieses Drecksmaterial. Da soll man keine Wut bekommen.
Bei der Bahn ginge es drunter und drüber, sagt der Lokführer, am schlimmsten sei der Personalmangel. Früher, wenn da mal ein Zugausfall passierte, sei das die Höchststrafe gewesen, heute seien allein in Stuttgart 10 – 15 Zugausfälle pro Tag nichts Außergewöhnliches. Seine Schicht sähe meistens einen Rhythmus von sechs Tagen Dienst und einen Tag frei vor, was zur Regeneration keinesfalls ausreiche, und bei zwei aufeinanderfolgenden Tagen könne er sicher sein, dass am zweiten Tag der Anruf käme: Könntest du vielleicht einspringen? Mich interessieren natürlich die Gründe. Er runzelt die Stirn. Das Angebot für Lokführer sei einfach nicht mehr attraktiv genug. Er sei immerhin Beamter, aber die jungen Leute könne man mit diesem lächerlichen Gehaltsangebot nicht mehr locken. Die würden in die Schweiz abwandern. Allein in Singen seien in den letzten Monaten fünf Kollegen abgesprungen. Die Bahn biete keinen Anreiz, für junge Leute gäbe es nicht einmal ausreichend Geld, eine Familie zu ernähren.
Zwischendurch kommt die Ticketknipse und will von ihm den Dienstauftrag sehen. Er habe nur seinen DB-Ausweis dabei, sagt er und präsentiert ihn. Die Genaunehmerische meint, sie seien neuerdings angewiesen, genauer hinzusehen, seit es die Dienstkleidung schon ab 29 Euro bei Ebay gäbe. (Die Westen, da genügen bloß zwei Klicks, gibt es bereits für 9,99 Euro).
Als sie verschwindet, fügt der Lokführer hinzu, die Stimmung im Unternehmen sei miserabel. Gut, seufzt er, nächstes Jahr kämen die neuen Züge.
Ja, sage ich, toll. Ab dann darf in Singen umsteigen, wer nach Zürich reisen will. Stimmt, meint er, die neuen ICs dürfen in der Schweiz nicht fahren. Aber das könne sich bis dahin auch wieder ändern. Es ändere sich laufend alles.
So spontan habe ich die Bahn gar nicht eingeschätzt. Trotzdem mache ich mir Sorgen: Müssen wir in naher Zukunft mit häufigeren Unterbrechungen im Bahnverkehr rechnen, wenn sich Lokführer in ihrer Verzweiflung vor den Zug werfen?
Die Fahrgaststatistik von 2015 weist übrigens für die Gäubahn eine Zunahme von 10 % gegenüber 2012 aus.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.