Hopfenduft und Butterbrezel. Wolfram Fleischhauer
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Als die Nazis an die Macht kamen, änderte sich alles schlagartig. Mein Vater wurde gezwungen, unser Haus für einen Apfel und ein Ei zu „verkaufen“, und wir mussten Deutschland verlassen. Der Familie gelang es, nach Neuseeland auszuwandern. An einem strahlenden Sonntag kamen wir in Wellington an. Das Wasser im Hafen war spiegelglatt und im Hintergrund leuchteten die schneebedeckten Berge. Wellington ist heute eine kosmopolitische, kultivierte Großstadt, aber 1939 kam es meinen Eltern wie ein Dorf vor.
Keine Hochhäuser, kaum kulturelles Leben. Meinen Eltern gelang es, einen typischen Holzbungalow zu kaufen. Als zehnjähriges Kind war es für mich leicht, mich anzupassen, aber meinen Eltern fehlten die europäische Kultur, die Konzerte und die Restaurants.
Nach meiner Lehrerausbildung habe ich einige Jahre an Volksschulen unterrichtet und heiratete 1954 einen Lehrer. Während unsere vier Kinder klein waren, blieb ich daheim und versorgte sie, wurde aber ab und zu am Rundfunk als Sprecherin verpflichtet. 1971 bekam ich eine Stelle als Deutschlehrerin an der NZ Correspondendence School, wo ich deutsche Radioprogramme, Tonbänder und Lehrbriefe verfasste. Nach einigen Jahren wurde ich Herausgeberin von Lehrbriefen und Tonbändern in allen Fächern und schrieb auch Kindergeschichten, die in Neuseeland veröffentlicht wurden.
Dreimal kam ich zurück nach Karlsruhe. Einmal nach einem Kurs im Goethe-Institut für Lehrer in München. Danach 2007 auf Einladung der Stadt Karlsruhe und von Oberbürgermeister Heinz Fenrich aus Anlass der Aufführung von Werken meines Vaters in Schloss Gottesaue. Mein Sohn hat bei dieser Gelegenheit einen inzwischen preisgekrönten Dokumentarfilm über die Architektur, die Aquarelle und die Kompositionen meines Vaters Richard Fuchs gedreht mit dem Hauptdrehort Karlsruhe und den vielen Stätten seines Wirkens. 2009 war ich dann wieder in Karlsruhe bei einem riesigen Familientreffen aller Fuchsens aus der ganzen Welt.
Obwohl Karlsruhe eine schöne Stadt ist, würde ich nie wieder dort oder sonst irgendwo in Deutschland leben wollen. Meine Schwiegerkinder und neun Enkelkinder sind wie ich auch Neuseeländer. Und wenn ich heute von meinem kleinen Holzhaus auf dem Berg durch die Bäume schaue, bin ich überwältigt vom wunderbaren Anblick des Meeres.
Ein glühender Kennedy-Fan
Hildegard Gerecke
Als echtes „Karlsruher Kind“ bin ich 1951 hier geboren und habe bis zum Abitur im Jahr 1970 die Fächerstadt nie länger als für ein paar Urlaubswochen verlassen.
Meine ersten Lebensjahre habe ich in der Albsiedlung verbracht – dick befreundet mit dem Nachbarsjungen Rudi; natürlich wollten wir „heiraten, wenn wir groß sind“. Doch als ich etwa vier war, bin ich mit meinen Eltern umgezogen in die Erzbergerstraße – und Rudi weit weg in eine andere Stadt.
Eine Wohnung in einem der damals neuen Häuserblocks in der Erzbergerstraße direkt am Hardtwald war vom etwa fünften bis dreizehnten Lebensjahr mein Zuhause. Zusammen mit zwei gleichaltrigen Mädchen, mit denen ich bis heute befreundet bin, und mit anderen Nachbarskindern habe ich von dort aus „die Welt erobert“: den Sandkasten vor dem Haus, den angrenzenden Hardtwald (an das Überklettern des Stacheldrahtzauns zwischen Wohnblock und Wald erinnert mich bis heute eine kleine Narbe am Oberschenkel) und die Amerikaner-Siedlung. Dorthin lockten uns nicht nur die „Ami-Mess“ und das leckere Eis, sondern vor allem die Spielplätze zwischen den dortigen Wohnblocks. In der Ami-Siedlung durften wir auch unbehelligt auf dem Rasen spielen, während wir von dem gepflegten „Grün“ zwischen unseren eigenen Häuserblocks immer wieder von der Hausmeistersfrau vertrieben wurden.
Im Winter gab es Schneeballschlachten und Schlittenfahrten auf dem Grünstreifen der Erzbergerstraße, und wenn die Eltern ausgegangen waren, liefen wir in ihrem Schlafzimmer Rollschuh, bis sich die Nachbarn beschwerten.
Mit elf oder zwölf Jahren machten wir drei Freundinnen eine besondere Urlaubsreise innerhalb von Karlsruhe: Wir fuhren ohne unsere Eltern – in Reisekostümen und mit Reisekoffern – mit der Straßenbahn nach Daxlanden, wo wir im Haus meiner Großmutter, die auf Sylt weilte, ein paar recht abenteuerliche Ferientage verbrachten.
Von der Erzbergerstraße aus ging bzw. radelte ich auch vier Jahre lang in die Johann-Peter-Hebel-Schule, wo ich in einer gemischten „Volksschul“-Klasse nach der sogenannten Ganzheitsmethode Lesen, Schreiben und vieles mehr lernte, bevor ich 1962 ins Lessing-Gymnasium kam. Das „Lessing“, damals noch ein reines Mädchengymnasium mit Latein als erster Fremdsprache, war gut acht Jahre lang (zwei Kurzschuljahre wegen Verlegung des Schuljahrsbeginns bescherten uns schon damals ein „G8“) meine „schulische Heimat“ – und noch weit mehr: Mit der einen oder anderen Mitschülerin bin ich bis heute eng befreundet. Wohnungsmäßig wechselte mein Zuhause 1964 von der Erzberger- in die Damaschkestraße in ein neu gebautes Atriumhaus südlich des Amerikaner-Flugplatzes. Dort lebte ich vom 13. bis zum 19. Lebensjahr ganz und später während der Semesterferien und an Wochenenden. Dort ging auch endlich mein Wunsch nach einem „Kuscheltier“ in Erfüllung: Es war zwar nicht der ersehnte Hund, aber ganz süße Meerschweinchen (im Lauf der Jahre insgesamt etwa zehn), die im Garten des Atriumhauses ein geradezu paradiesisches Leben führen durften.
Und meine „kirchliche Heimat“ war seit den fünfziger Jahren (und ist es bis heute) die Christuskirche. Dort wurde ich 1966 konfirmiert. Seitdem sind die Christuskirche und der Albert-Schweitzer-Saal aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken.
Der Tanzstunde „beim Großkopf“, zusammen mit einer Klasse aus dem Helmholtz-Gymnasium (damals ein reines Jungengymnasium), folgten ab 1967 viele unvergessliche Bälle, von denen ich den Luftwaffenball besonders liebte. Auch an die Bundesgartenschau habe ich manch schöne Erinnerung.
Meine gesamte Kindheit und Jugend – und auch mein späteres Leben – waren geprägt von einem wunderbaren, harmonischen Elternhaus. Sowohl mein Vater (obwohl kein gebürtiger Badener) als auch meine Mutter waren badisch liberal und sehr tolerant; sie ließen mir eine gewaltfreie, allerdings keine antiautoritäre Erziehung angedeihen. Und, wofür ich ihnen ganz besonders dankbar bin: Meine Eltern haben mir nie etwas befohlen oder verboten, ohne mir eingehend die Gründe dafür zu erklären.
Sie haben mich darüber hinaus, wenn immer möglich, an ihren Entscheidungen beteiligt. So hatte auch ich als Jugendliche ein Mitspracherecht, als es um eine eventuelle Versetzung meines Vaters nach Stuttgart ging – und natürlich haben wir uns gemeinsam für den Verbleib in Karlsruhe entschieden.
Da mein Vater seit 1951 Chef der Polizei in Nordbaden bzw. im Regierungsbezirk Karlsruhe war, lernte ich schon als Kind die „Polizeifamilie“ mit ihren Besonderheiten und Reizen kennen und schätzen. Und wenn mich mein Vater zu Meisterschaften der Polizeihundeführer mitnahm, war ich wunschlos glücklich.
Meine Mutter, die ihren Beruf als Zahnärztin aus Gesundheitsgründen nicht mehr ausüben konnte, hatte fast immer Zeit für mich, während mein Vater vor allem im Urlaub und an Sonntagen für mich da war.
Besonders schön und stimmungsvoll war die Advents- und Weihnachtszeit. Wir saßen so oft wie möglich am Tisch mit dem Adventskranz, und mein Vater las eine Geschichte vor, während meine Mutter und ich Christbaumschmuck bastelten oder Plätzchen glasierten. Und wir hatten immer – von Heiligabend bis mindestens Ende Januar – einen Weihnachtsbaum bis an die Decke mit 36 echten Kerzen. Schon das Anzünden dieser Kerzen ließ die Weihnachtsfreude lebendig werden, und der Anblick des Lichterbaums war überwältigend.
Ein Ereignis, das mein Leben verändert und fortan geprägt hat, war das Attentat