Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker
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Offenbar wollten die allermeisten seinen Worten glauben – und auch Gorian hätte sie gerne für wahr gehalten, wären die Zeichen, die für eine andere Deutung der Geschehnisse sprachen, nicht so drängend gewesen.
Er ging immer seltener zu den Schultagen nach Twixlum, denn er hatte das Gefühl, dort nicht mehr viel zu lernen, was für ihn von Nutzen sein könnte. Stattdessen widmete er sich ganz der Ausbildung durch seinen Vater: das unmittelbare Vorhersehen einer gegnerischen Aktion, die Handhabung des Schwerts, seine Führung und die Entfaltung der Alten Kraft. Das alles zu erlernen brauchte Zeit. Selbst dann, wenn der Schüler sehr begabt war.
Gorian aber war voller Ungeduld. Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass er dem Herrn des Frostreichs Einhalt gebieten konnte, dann sollte das so schnell wie möglich geschehen, fand er. Aber sein Vater gemahnte ihn zur Ruhe und Geduld.
„Es lässt sich nicht erzwingen, mein Sohn. Und manchmal ist die verstrichene Zeit derjenige Faktor, der die Schlacht entscheidet. Den richtigen Zeitpunkt erkennen zu können, ist Morygors größte Gabe, und wir werden ihm darin nie ebenbürtig sein. Doch will der Schwächere den Stärkeren besiegen, ist der Aspekt der Zeit dennoch extrem wichtig: Du musst dir die Zeit nehmen, die du brauchst, um derjenige zu werden, der Morygor begegnen kann.“
„Und wenn ich bis dahin ein alter Mann bin?“, fragte Gorian.
„Dann ist es so. Deine Ungeduld, deine Unbedachtsamkeit und dein noch nicht ausgebildeter Sinn für den richtigen Moment sind Morygors stärkste Verbündete. Deshalb wird er glauben, dich töten zu können, bevor sich eure Schicksalslinien kreuzen, auch wenn er beim ersten Versuch gescheitert ist.“
„Ich werde ihm diesen Gefallen nicht tun“, versprach Gorian.
„Und noch etwas ...“
„Ja?“
„Ich nehme an, dass du ab und zu Ar-Dons Stimme vernimmst.“
Gorian war für einen Moment wie erstarrt, unfähig, eine Antwort zu geben, so wie er auch bisher nicht vermocht hatte, mit jemandem über diese Stimme, die er hörte, zu sprechen.
„Du brauchst mir nicht zu antworten, Gorian. Vielleicht kannst du es auch gar nicht – aber falls es so sein sollte, wenn du diese Stimme wirklich vernimmst, musst du alle Kräfte in dir einsetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Glaube keiner ihrer Einflüsterungen. Sie mag versprechen, dir dienen zu wollen, aber in Wirklichkeit will Ar-Don, dass es umgekehrt ist, dass du ihm dienst und den Bann von seinem Grab nimmst.“
„Ich ...“
Weiter kam Gorian nicht. Wieder verschloss ihm eine unüberwindliche Kraft den Mund.
„Werde stark genug, die Stimme zum Schweigen zu bringen, mein Sohn“, mahnte Nhorich erneut. „Das kann dir leider niemand abnehmen. Wenn du die nötige Stärke erlangt hast, werde ich es daran erkennen, dass du darüber reden kannst.“
––––––––
Der nächste Sommer war heiß und der darauf folgende Winter nicht so hart wie der vorige, und so schöpften viele Menschen an der Küste Thisiliens neuen Mut für die Zukunft. Nhorich zeigte seinem Sohn, wie man die Alte Kraft sammelte und sie kontrollierte. Manchmal saß Gorian über Stunden am Ufer der Bucht, blickte mit vollkommen schwarzen Augen auf das Meer hinaus und tat nichts anderes, als sich selbst und seine innere Kraft zu sammeln, so wie es ihm sein Vater gezeigt hatte.
Ar-Dons Stimme hörte er nur noch selten, und dann war sie jedes Mal nur noch ein schwaches Wispern. Manchmal lockte sie noch mit ihren Versprechungen, aber Gorian beachtete sie einfach nicht mehr, was ihm auch nicht schwerfiel. Hin und wieder veränderte sich Ar-Dons Gedankenstimme auch; dann stieß sie Drohungen aus, verwünschte Gorian und versuchte seinen Geist mit einer Flut aus Bildern und Gedanken zu überschwemmen: kalte verschneite Landschaften, die Mauern einer Festung, die vollkommen aus Eis zu bestehen schien und in deren Hintergrund eine so tief stehende, fahl und schwach wirkende Sonne stand, dass man glauben konnte, ihr Licht würde jeden Moment verlöschen. In diesen Gedankenbildern bedeckte der Schattenbringer nicht gut ein Drittel der Sonnenscheibe, wie es derzeit der Fall war, sondern deutlich weniger. Das war möglicherweise ein Hinweis darauf, dass Gorian die Vergangenheit sah, Erinnerungen von Ar-Don an die Frostfeste ...
Gerade wollte er nachgeben und mehr davon in seinen Geist einlassen, als ihm mit einem Schlag die Absicht klar wurde, die die Kreatur damit verfolgte. Ar-Don schien erkannt zu haben, wie sehr es Gorian danach dürstete, mehr über Morygor, mehr über die Frostfeste und mehr über die Flucht des Gargoyle dorthin und die Zeit, die er dort verbracht hatte, zu erfahren. Ja, über diese Dinge hätte Gorian zweifellos gern mehr gewusst, als sein Vater ihm bisher zu wissen gestattete.
Nein, nicht mit mir, mein steinerner Mörder!, sagte er sich und vertrieb mit der Alten Kraft die Gedankenbilder des Gargoyle.
Die Stimme kehrte daraufhin zunächst nicht mehr zurück. Manchmal hatte Gorian noch einige der fremden Eindrücke im Kopf, von denen er wusste, dass sie nicht seinen eigenen Erinnerungen oder Gedanken entstammten. Aber das dauerte jeweils nur einen kurzen Moment und wurde auch mit der Zeit seltener. Schließlich hörte auch dies völlig auf. Allerdings dauerte es bis zum darauf folgenden Frühling, ehe Gorian die Kraft fand, seinem Vater davon zu erzählen.
––––––––
Es war an einem der ersten sonnigen Tage im folgenden Jahr, an dem Nhorich seinen Sohn zu einem Ritt zu den Grenzmarkierungen des Hofes mitnahm. Gorians Großvater Erian hatte den Hof und das Land einst für seine Verdienste vom Orden erhalten. Es war das erste Mal, dass Gorian seinen Vater auf einen dieser Ausritte begleitete, die Nhorich in mehr oder minder regelmäßigen Abständen durchführte, ganz gewiss aber einmal zu Beginn des Frühlings und einmal zum Ende des Herbstes. In den vergangenen Jahren war er stets allein geritten, wozu er nie eine Erklärung abgegeben hatte.
Ein paar Meilen Richtung Twixlum stießen sie auf einen der Markierungssteine. Er hatte etwa die Größe eines menschlichen Schädels und auch eine ähnliche Form. Nhorich musste ihn erst freilegen; er wusste, wo er unter Sträuchern und Büschen verborgen war.
Dort, wo bei einem Schädel die Augenhöhlen gewesen wären, waren Zeichen auf dem Stein gemalt; Zeichen der Alten Kraft, wie sie auch auf den Klingen von Sternenklinge und Schattenstich zu finden waren sowie auf dem Dolch, den Nhorich für Gorian geschmiedet und dem der Junge noch immer keinen Namen gegeben hatte, obwohl sein Vater inn schon mehrfach dazu aufgefordert hatte, dies zu tun.
„In diesen Steinen ist eine Zauberkraft, die den Hof schon seit den Zeiten deines Großvaters Erian schützt“, erklärte Nhorich. Er hatte eine besondere Kreide mitgenommen, deren