Tot am Ring. Wolfgang Wiesmann

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Tot am Ring - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

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Innenstadt. Feierabendverkehr. Auf der A 44 nahm er die Ausfahrt Witten-Zentrum, fuhr über den Crengeldanz in Richtung Rathaus. Die Fußgängerampel an der Bushaltestelle vor dem Rathaus zeigte rot, doch alle liefen kreuz und quer über die Straße. Rolf betätigte unablässig die Hupe und eines der Kiddies zeigte ihm den Mittelfinger. Rolf überlegte anzuhalten und auszusteigen, ließ es jedoch sein und fuhr zur Wache an der Casinostraße. Jetzt gab es Wichtigeres als den Mittelfinger eines kleinen, schlecht erzogenen Rotzlöffels.

      Sein Magen knurrte. Wie gerne wäre er jetzt in Sebos Café eingekehrt, um was Leckeres zu essen. Aber: keine Zeit!

      Da alle Dienstparkplätze in der Casinostraße belegt waren, parkte er direkt vor dem Eingang. Eine Betonfigur der Künstlerin Christel Lechner, ein Polizeibeamter in Uniform, stand direkt vor ihm. In der gesamten Stadt Witten begegnete man diesen Alltagsmenschen der Künstlerin. Rolf fand sie bemerkenswert. Dem Beamten aus Beton klopfte er im Vorbeigehen auf die Schulter, bevor er den Eingangsbereich betrat.

      „Hallo Jungs“, rief er den Kollegen an der Anmeldung zu.

      „Hallo Rolf, wartet mal wieder viel Arbeit auf dich?“

      „Jau, das könnt ihr wohl sagen.“

      „Dann mal tau“, rief ihm der junge Beamte zu.

      „Ach übrigens, mein Auto steht direkt vor der Tür.“

      „Ach nee, sag nur, deinen Wagen kennt hier jeder. Er ist nicht zu übersehen“, lachten die Diensthabenden. „Geht klar.“

      Das hörte Rolf schon nicht mehr. Er nahm mehrere Treppenstufen auf einmal und lief zu Tinas Büro. Sie saß am Computer und hatte die ersten Fotos auf dem Bildschirm. Rolf trat an ihren Schreibtisch. Ihr frisches Parfum stieg ihm angenehm in die Nase.

      ‚Die kleine, quirlige Tina ist eine hervorragende Aktenfrau‘, dachte er. ‚Sie arbeitet sorgfältig und achtete auf jedes winzige Detail.‘

      „Hallo, Rolf.“ Tina drehte sich nur kurz um und zeigte auf den Bildschirm. Was Rolf sah, war ein Bild des Grauens. „Das ist die Leiche vom Muttental. Sie wurde in der Nähe vom Flöz Finefrau oberhalb des Maximusstollens gefunden.“

      Rolf sah, dass sie im unteren Teil eines hohlen, vom Sturm abgebrochenen Baumes hing.

      „Ach du Scheiße!“ Der Kommissar hielt vor Entsetzen die Hand vor den Mund.

      „Warte mal, da kommen auch die ersten Fotos vom Hohenstein.“

      Tina öffnete sie und sagte: „Wie es Lotter geschildert hat: Die Tote wurde ebenfalls unten im Baum aufgehängt.“

      „Tina, ich fahre auch raus. Das muss ich mir genauer ansehen. Wenn mich nicht alles täuscht, könnten wir es mit einem Serientäter zu tun haben.“

      In Windeseile verließ er die Polizeiinspektion.

      Die Kollegen hinter der Glasscheibe der Anmeldung staunten nicht schlecht, als er nach gerade mal zehn Minuten wieder in seinem Wagen saß.

      „Na klar“, rief Rolf und schlug mit beiden Händen auf das Lenkrad.

      Ein Taxifahrer stand mitten auf der Casinostraße. Er sammelte einen Betrunkenen ein, der wohl eine lange Nacht hatte. Rolf hupte. Endlich setzte sich das Taxi in Bewegung.

      Rolf bog links ab und stand wieder. Die Ampel zeigte Rot. Sein Handy spielte die Musik von Metallicas Nothing Else Matters.

      „Klaus, wat gibbet?“, rief Rolf über die Freisprechanlage.

      „Wo bist du?“

      „Ich bin auf dem Weg zu euch. Lasst alles, wie es ist und sagt Lotter Bescheid. Ich will mir den Fundort am Hohenstein ebenfalls ansehen. Das Bild ist ja erschreckend.“

      „Geht klar, Chef. Wir haben die Lage im Griff und Dr. Breming wartet, bis du alles gesehen hast.“

      „Prima, bis gleich.“

      Die Ampel zeigte Grün und Rolf gab Gas. Er konnte bis zum Haus Witten durchfahren. Erst an der Brücke stoppte ihn wieder eine Ampel, die aber kurz danach wieder umsprang.

      ‚Kaum zu glauben, mal kein Stau auf der Ruhrbrücke‘, dachte Rolf, fuhr Richtung Bommern und bog rechts in die Rauendahlstraße ein.

      Am Parkplatz Finefrau war schon mächtig was los. Immer mehr Schaulustige und Pressevertreter versammelten sich am Fundort. Die Kollegen von der Schutzpolizei waren damit beschäftigt, die Lage im Griff zu behalten.

      Rolf beschwichtigte die aufgeregten Reporter mit seiner lauten, kräftigen Stimme: „Wir werden so bald wie möglich eine Pressekonferenz geben, in der wir Sie ausführlich informieren. Bis dahin bitte ich Sie höflich, uns die notwendige Ermittlungsarbeit machen zu lassen.“

      „Dürfen wir denn berichten, dass eine Leiche gefunden wurde?“

      „Bitte seien Sie so freundlich und warten Sie ab, bis unser Pressesprecher sich bei Ihnen meldet, damit wir fundierte Aussagen an die Öffentlichkeit geben.“

      „Okay“, ließ der junge Reporter verlauten und trat den Rückzug an.

      Auch die anderen Medienvertreter und Fotografen entfernten sich. Rolfs natürliche Autorität zeigte immer wieder schnell Wirkung.

      Rolf Sahner lief mit Entschlossenheit auf die Schaulustigen zu.

      „Leute, Leute, Sie behindern die Polizeiarbeit. Bitte haben Sie Verständnis, dass es noch keine näheren Informationen gibt und räumen Sie unverzüglich das Feld.“ Ein Raunen ging durch die Menge. Aber damit war der Drops gelutscht und die neugierigen Bürger zogen allmählich von dannen.

      Der Kommissar lief ein Stück den Fußweg hinunter und stapfte querfeldein durch das Dickicht, um an den Fundort zu gelangen.

      Dr. Walter Breming, Klaus Pfeffer und Ulf Schmidt von der Spurensicherung warteten ungeduldig auf ihn.

      „Da bist du ja endlich“, riefen sie ihm entgegen.

      Walter Breming untersuchte das Opfer.

      Rolf blieb wie paralysiert stehen und ließ das Gesamtbild auf sich wirken. Er hatte schon viele Mordopfer gesehen, aber dieser Anblick berührte ihn besonders. Lag es an der jungen Frau? Der Auffindsituation? Er wusste es nicht.

      Die Leiche hing in einem ausgehöhlten Baum. Um ihren Hals und an den Händen und Füßen war ein Stahldrahtseil geschlungen. Rolf sah, dass sie mit dem Seil in der Baumhöhle fixiert worden war. Der leblose Körper hing im unteren Teil des Baumes. Er bildete somit optisch eine Einheit, so, als wäre sie schon immer mit dem Baum verwachsen gewesen.

      Rolf flüsterte: „Das wirkt wie ein Kunstwerk. Eine Installation.“

      Er betrachtete die junge Frau genau. Sie hatte rot gefärbte, lange, glatte Haare, die bis zur Hüfte reichten. Eine große, silberne Creole schmückte ihr rechtes Ohr. Das linke Ohrläppchen war eingerissen und blutig. Bekleidet war sie mit einem petrolfarbenen Spitzen-T-Shirt, das an einigen Stellen zerrissen war. Der kurze Minirock war zerknittert und verschoben. Die farblich auf das T-Shirt abgestimmte Strumpfhose löchrig. Ein in Silber gefasster Mondstein baumelte an einer langen Kette. Schwarze, hochhackige Stiefeletten zierten ihre Füße. Am rechten

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