Reformierte Theologie weltweit. Группа авторов

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gegeben ist, nicht ausgewichen werden darf. Vielmehr hat sich die Kirche in diesem Fall entschieden und öffentlich zu positio­nieren. «Jedes andere Credo ist ein fauler Zauber und vom Teufel, und wenn es wörtlich das Apostolikum wäre», heisst es provokant.21 Ein sol­ches in der Bedrängnis gesprochenes Bekenntnis fällt nicht einfach vom Himmel, sondern ihm geht ein ernsthaftes Ringen um seine Angemes­senheit und Deutlichkeit voraus.

      «Vor einem Bekenntnis ohne charakteristische biblische Einsichten, ohne Narben vorangegangenen Kampfes, ohne notwendiges Anliegen, |31| vor einem dogmatisch bedeutungslosen, wohl gar bedeutungslos sein wollenden Bekenntnis, davor behüte uns, lieber Herre Gott!»22

      Deshalb ist es auch mit der Rezitation der alten Bekenntnisse nicht getan, wenn nicht zumindest ein authentischer Kommentar dazu gegeben wird. Die ungeprüfte Wiederholung bereits von der Kirche formulierter Ein­sichten, also eine rein traditionsgebundene Orthodoxie stellt Barth später sogar unter den Verdacht der Häresie.23 Es kann nicht darum gehen, dass die Kirche zu jeder Gelegenheit und zu Allem das Wort erhebt, sondern dass sie da, wo sie aufgrund ihrer Bindung an das Wort Gottes das Wort er­heben muss, dies auch in der ihr gegebenen Freiheit und Deutlichkeit tut.

      Dieser Dringlichkeit, ja Unausweichlichkeit entspricht dann auf der anderen Seite auch die Verbindlichkeit. Gewiss auch nur «vorläufig», d. h. «bis auf weiteres» – wie es in der zitierten Definition geheissen hat –, jetzt aber gilt es, d. h. es ist für die Kirche «richtunggebend»24. In diesem Sinne formuliert das Bekenntnis eine Wahrheit, von der man sich nicht einfach abkehren kann, ohne sich nicht zugleich von der Kirche insgesamt abzuwenden. Es geht um Dogmatik im Vollzug: Dogmatik, indem die Angemessenheit des Gotteszeugnisses der Kirche zur Debatte steht, aber eben im Vollzug, weil das Gotteszeugnis von einer konkreten Situation herausgefordert wird, auf die es auch bezogen ist. 25

      Das, was Barth hier mit seinen Ausführungen für den Reformierten Weltbund zu bedenken gibt, findet dann acht Jahre später in der Barmer |32| Theologischen Erklärung, an der Barth bekanntlich massgebend beteiligt war, seinen exemplarischen Ausdruck. Alle Anforderungen, die Barth an ein Bekenntnis im reformierten Sinne stellt, lassen sich hier in pointierter Weise demonstrieren, was jetzt nicht weiter vertieft werden soll.

      Barth kann sich auch eine Beschäftigung der Kirche mit ihren Be­kenntnissen vorstellen, über die sie das eigene Bekennen versäumt. Ange­sichts seiner Bewertung der Verabschiedung des Barmer Bekenntnisses als ein Wunder26 wird man davon ausgehen können, dass dies in seinen Augen wohl eher die Regel als die Ausnahme ist. Deshalb ist hervorzu­heben, dass es bei der Frage nach dem rechten Bekenntnis entschieden nicht um die Verwaltung und Vergegenwärtigung eines bereits erworbe­nen Lehrbestandes gehen kann. Nicht die konfessionell reformierten Be­kenntnisse haben Barth geprägt, so sehr er sie im Einzelnen durchaus geschätzt hat, sondern die reformierte Affinität zum Bekennen als einer Fundamentalbestimmung der Kirche. An die Stelle des Konfessionellen rückt das Konfessorische. Wenn es darauf ankommt, Barth mit der refor­mierten Tradition in Beziehung zu setzen, wird wohl dieses von ihm her­ausgestellte dynamische Prinzip in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden müssen. Jede andere Bindung an das Reformiertentum würde Barth wohl als im eigentlichen Sinne unreformiert bezeichnen.

      2. Wort Gottes und Freiheit

      Als inhaltliches Kriterium für ein Bekenntnis nennt Barth in der zitierten Definition die «allein in der Heiligen Schrift bezeugte Offenbarung Gottes in Jesus Christus». Die erste Wahrheit des Barmer Bekenntnisses27 nennt als einzigen Bezugspunkt für theologische Einsichten «Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird» als «das eine Wort Gottes», das «Quelle ihrer [sc. der Kirche] Verkündigung» ist. In formaler Hinsicht ist das gemeint, was Barth in den 1920er Jahren noch das Schriftprinzip nennt. |33| Inhaltlich geht es um sein differenziertes Verständ­nis des Wortes Gottes.

      Damit kommt ein Grundzug der Theologie Barths in den Blick, der seiner Theologie ihr charakteristisch dialektisches Gepräge gegeben hat, nicht nur in den 20er Jahren, sondern mit einigen Akzentverschiebungen bis hinein in die letzten vorliegenden Fragmente seiner unvollendeten Kirchlichen Dogmatik28. Lieber als von der reformierten Kirche sprach er von der durch Gottes Wort reformierten Kirche.29 Auch wenn es offen­kun­dig zu sein scheint, was Barth damit meint, kommen wir mit der Frage nach dem Verständnis des Wortes Gottes zu dem sensiblen Kern seiner Theologie, der in diesem Rahmen nur angedeutet werden kann. Das eben zitierte Barmer Bekenntnis weist auf drei Dimensionen des Wortes Gottes: Jesus Christus, das biblische Zeugnis und die Verkündi­gung der Kirche. In den Prolegomena seiner Kirchlichen Dogmatik entwi­ckelt Barth über die Lehre von der dreifachen Gestalt des einen Wortes Gottes seine für alle theologische Erkenntnis grundlegende trinitarische Hermeneutik – beginnend mit dem verkündigten Wort über das ge­schriebene Wort und das offenbarte Wort schliesslich zur Hervorhebung der Einheit des Wortes Gottes.30 Er übernimmt damit die in umgekehrter |34| Reihenfolge gemachte Distinktion Offenbarung – Schrift – Lehre (Pre­digt), wie sie für diverse reformierte Bekenntnisse charakteristisch ist.31

      Die entscheidende Pointe besteht nun darin, dass in allen drei Gestal­ten des Wortes Gottes dieses nicht einfach greifbar zur Verfügung steht. So sehr sich Gott in seinem Wort offenbart, so sehr hält er sich in ihm zugleich verborgen.32 So sehr sich auf sein Wort verweisen lässt, so wenig ist es einfach offenkundig. Wo sein Wort in Erscheinung tritt, ist es nicht in dem Sinne offensichtlich, dass sich jeder gleichsam unwidersprechbar darauf berufen könnte. Dass es sich um sein Wort und eben nicht um eines unserer Worte handelt, kann er nur selbst zeigen. Auch im Blick auf das inkarnierte Wort, auf das es Barth entscheidend ankommt, ist das nicht anders: Der Blick auf Jesus gibt nicht von sich aus den Christus zu erkennen.

      Das Wort Gottes erschliesst sich konsequent nur dann, wenn Gott selbst das Subjekt der Erkenntnis ist. Offenbarung wird also nicht als eine in der Vergangenheit anzusiedelnde Selbstvergegenständlichung Gottes verstanden. Barth verweist ausdrücklich auf die reformierte Lehre vom Heiligen Geist33, um zu unterstreichen, dass Offenbarung die conditio sine qua non für alle theologisch orientierende Erkenntnis bleibt. Sie ist keine feststehende Tatsache, der sich nicht mehr widersprechen lässt, sondern ein Geschehen, ein Ereignis, das von den Spuren, die hinterlassen wur­den, niemals auch nur annähernd festgehalten werden kann. Das Wort Gottes ist keine handhabbare Grösse. Ihm eignet eine in der Lebendigkeit Gottes gründende eigene Dynamik, in der es immer wieder neu gehört werden will. |35|

      Hier kommt Barths kritische Auseinandersetzung mit der sogenann­ten natürlichen Theologie in den Blick. Sie ist nicht nur – wie jetzt Ger­hard Sauter annonciert hat34 – eine den besonderen historischen Heraus­forderungen geschuldete Überpointierung, sondern hat prinzipiellen Charakter.35 Die konsequente Offenbarungstheologie Barths ist m. E. als ein stringentes Zu-Ende-Denken des bereits von den Reformatoren für die Theologie als grundlegend festgehaltenen hermeneutischen Zirkels anzu­sehen, auf den man im Laufe der theologischen Erkenntnisarbeit unwei­gerlich an irgendeiner Stelle stösst. Indem Barth herausstreicht, dass dies nicht an irgendeiner Stelle geschieht, sondern bereits grundsätzliche Voraussetzung jeder theologischen Erkenntnis überhaupt ist, wird die Theologie in eine unabschüttelbare Verlegenheit versetzt, die sie dazu nötigt, sich in all der geforderten Entschlossenheit doch zugleich eine prinzipielle Vorbehaltlichkeit aufzuerlegen, in der sie sich ganz und gar auf den Selbsterweis des von ihr bezeugten lebendigen Gottes verwiesen weiss.

      Diese Vorbehaltlichkeit wird bereits in den immer wieder zitierten Leitsätzen von Barths unter anderem auch vor reformiertem Publikum gehaltenen Vortrag «Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie» (1922) angemeldet: «Wir sollen von Gott reden» – «Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden» – «Wir sollen beides, dass wir von Gott reden sollen und nicht können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.»36 Wie Barth später verdeutlicht, liegt es allerdings nicht allein an unserer Menschlichkeit, dass wir nicht von Gott reden können, sondern vor allem an der Dynamik des lebendigen Gottes, der zwar nicht immer ein anderes Wort, wohl aber sein Wort immer wieder neu sagt, so dass nur da angemessen von Gott geredet wird, wo auf

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