Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Selma Lagerlöf

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Selma Lagerlöf страница 29

Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Selma Lagerlöf

Скачать книгу

Schärpe, an den Beinen weite, graue hölzerne Hosen und Strümpfe und an den Füßen schwarze Holzschuhe. Er war überdies frisch gestrichen und gefirnist, so daß er im Mondschein glänzte und gleiste; und der Frühling tat auch noch das Seinige dazu und gab ihm ein so gutmütiges Aussehen, daß der Junge sogleich Vertrauen zu ihm faßte.

      Neben dem Mann auf dem Wege stand eine Holztafel, und auf dieser las der Junge:

      „Ich bitt euch ganz demütiglich,

       Kann sprechen zwar nicht gut,

       Kommt, gebt ein Scherflein her für mich

       Und legts in meinen Hut!“

      Ach freilich, der Mann war eine Armenbüchse! Der Junge war ganz verdutzt. Er hatte geglaubt, etwas ganz besonders Merkwürdiges vor sich zu haben. Und jetzt erinnerte er sich auch, daß der Großvater von diesem hölzernen Manne gesprochen und gesagt hatte, alle Kinder von Karlskrona hätten ihn sehr gern. Und das mußte wohl wahr sein, denn auch dem Jungen fiel es schwer, sich von dem hölzernen Mann zu trennen. Er hatte etwas so Altmodisches, man konnte ihn für viele hundert Jahre alt halten, und zugleich sah er doch stark und stolz und lebenslustig aus, gerade wie die Leute in alten Zeiten gewesen sein mußten.

      Es machte dem Jungen so viel Vergnügen, den hölzernen Mann anzusehen, daß er den andern, vor dem er geflohen war, ganz vergaß. Aber jetzt hörte er ihn wieder. O weh! auch er verließ die Straße und kam in den Kirchhof herein. Er ging ihm auch hierher nach! Wohin sollte der Junge nun flüchten?

      Gerade in diesem Augenblick sah er, daß der Hölzerne sich verbeugte und seine breite hölzerne Hand ausstreckte. Man konnte ihm unmöglich etwas andres als Gutes zutrauen, und mit einem Satz stand ihm der Junge auf der Hand. Und der Hölzerne hob ihn zu seinem Hut empor und steckte ihn darunter.

      Kaum war der Junge versteckt, kaum hatte der Hölzerne den Arm wieder an seinen richtigen Platz getan, als der Bronzene auch schon vor ihm stand und mit seinem Stock so gewaltig auf den Boden stieß, daß der Hölzerne auf seinem Schemel erzitterte. Hierauf sagte der Bronzene mit lauter metallener Stimme: „Wer ist Er?“

      Der Arm des Hölzernen fuhr hinauf, daß es in dem alten Holzwerk knackte, er legte die Hand an den Hutrand und antwortete: „Rosenbom, mit Verlaub, Eure Majestät, früher Oberbootsmann auf dem Linienschiff Dristigheten, nach beendigtem Kriegsdienst Kirchenwächter bei der Admiralskirche, schließlich in Holz geschnitten und als Armenbüchse auf dem Kirchhof aufgestellt.“

      Däumling fuhr zusammen, als er den Hölzernen „Eure Majestät“ sagen hörte. Denn wenn er jetzt darüber nachdachte, so fiel ihm allerdings ein, daß das Standbild auf dem Markt den vorstellen mußte, der die Stadt gegründet hatte. Es war also niemand Geringeres als Karl XI. selbst, mit dem er zusammengetroffen war.

      „Er versteht es, Auskunft über sich zu geben. Kann Er mir nun auch sagen, ob Er nicht einen kleinen Jungen gesehen hat, der heute Nacht in der Stadt herumstrolcht? Es ist eine naseweise Kanaille, und wenn ich ihn fasse, werde ich ihn Mores lehren.“ Damit stieß er seinen Stock noch einmal auf den Boden und sah schrecklich grimmig drein.

      „Mit Verlaub, Eure Majestät, ich hab ihn gesehen,“ sagte der Hölzerne; und der Junge, der unter dem Hut zusammengekauert saß und durch eine Ritze im Holz den Bronzenen sehen konnte, begann vor Angst heftig zu zittern. Aber er beruhigte sich wieder, als der Hölzerne fortfuhr: „Eure Majestät ist auf falscher Fährte. Der Junge wollte gewiß auf die Werft, um sich dort zu verstecken.“

      „Meint Er das, Rosenbom? Nun, dann bleib Er nicht länger auf seinem Schemel stehen, sondern komm Er mit mir und helf Er mir, den kleinen Kerl zu suchen. Vier Augen sehen besser als zwei, Rosenbom.“

      Aber der Hölzerne antwortete mit jammervoller Stimme: „Ich möchte untertänigst bitten, dableiben zu dürfen, wo ich bin. Ich sehe gesund und glänzend aus, weil man mich eben frisch angestrichen hat, aber innerlich bin ich alt und gichtbrüchig und kann keine Motion vertragen.“

      Der Bronzene gehörte sicherlich zu denen, die keinen Widerspruch vertragen können. „Was sind das für Flausen! Komm Er nur, Rosenbom!“ Und er streckte seinen langen Stock aus und versetzte dem andern einen dröhnenden Schlag auf die Schulter. „Da sieht Er, daß Er hält, Rosenbom.“

      Die beiden machten sich also auf den Weg und wanderten stattlich und gewaltig durch die Straßen von Karlskrona, bis sie an ein großes Tor kamen, das zur Werft führte. Davor stand ein Marinesoldat Schildwache; aber der Bronzene ging wie selbstverständlich an ihm vorbei und stieß die Tür auf, ohne daß es der Matrose zu bemerken schien.

      Sobald sie durch das Tor hindurchgeschritten waren, sahen sie einen weiten, durch hölzerne Brücken abgeteilten Hafen vor sich. In den verschiedenen Hafenbecken lagen Kriegsschiffe; diese erschienen in der Nähe noch größer und schreckenerregender als vorher, wo der Junge sie von oben herab gesehen hatte. „Es war doch nicht so ganz verkehrt, wenn ich sie für Meeresungeheuer hielt,“ dachte er.

      „Wo meint Er, daß wir zuerst suchen sollen, Rosenbom?“ fragte der Bronzene.

      „So einer könnte sich am allerleichtesten im Modellsaal verstecken,“ antwortete der Hölzerne.

      Auf einem schmalen Streifen Land, der rechts dem ganzen Hafen entlang lief, lagen altertümliche Gebäude. Der Bronzene ging auf ein Haus mit niedrigen Mauern, viereckigen Fenstern und einem ansehnlichen Dach zu. Er stieß mit seinem Stock gegen die Tür, daß sie aufsprang, und stapfte eine Treppe mit ausgetretenen Stufen hinauf. Sie kamen in einen großen Saal, der mit einer Menge bemasteter und aufgetakelter Schiffe angefüllt war. Ohne daß es ihm jemand gesagt hätte, wußte der Junge, daß er hier die Modelle zu den Schiffen sah, die für die schwedische Flotte gebaut worden waren.

      Es gab viele verschiedene Arten von Schiffen. Alte Linienschiffe, deren Seiten mit Kanonen gespickt waren, die vorne und hinten mächtige Aufbauten hatten und deren Masten einen großen Wirrwarr von Segel und Tauen zeigten. Ferner kleine Küstenschiffe mit Ruderbänken an den Seiten, unbedeckte Kanonenschaluppen und reich vergoldete Fregatten; das waren die Modelle von den Schiffen, deren sich die Könige auf ihren Reisen bedient hatten. Und endlich waren da auch die schweren, breiten Panzerschiffe mit Türmen und Kanonen auf dem Verdeck, die heutigentags gebraucht werden, sowie schlanke, schwarzglänzende Torpedoboote, die wie lange schmale Fische aussahen.

      Während der Junge zwischen all diesem herumgetragen wurde, wurde er ganz verdutzt. „Nein, daß so große und stolze Schiffe hier in Schweden gebaut worden sind!“ dachte er.

      Er hatte gut Zeit, sich umzusehen, denn als der Bronzene die Modelle sah, vergaß er alles andre. Er betrachtete sie der Reihe nach, vom ersten bis zum letzten, und ließ sie sich erklären. Und Rosenbom, der Oberbootsmann von Dristigheten, erzählte alles, was er wußte, wer die Baumeister gewesen waren, wer sie geführt hatte, und welches Schicksal sie gehabt hatten. Von Chapmann und Puke und Trolle, von Hogland und Svensksund erzählte er, bis zum Jahre 1809, denn von da an war er nicht mehr dabei gewesen.

      Ihm und dem Bronzenen gefielen die alten Holzschiffe am besten. Auf die neuen Panzerschiffe schienen sie sich nicht so recht zu verstehen.

      „Ich sehe, daß Er von den neuen da nichts weiß, Rosenbom,“ sagte der Bronzene. „Wir wollen deshalb jetzt gehen und etwas andres ansehen, denn das macht mir Spaß, Rosenbom.“

      Jetzt dachte er gewiß nicht mehr daran, den Jungen zu suchen, und dieser fühlte sich unter dem hölzernen Hut ganz sicher und behaglich.

      Die beiden Männer gingen durch die großen Werkstätten, durch die Segelnähereien

Скачать книгу