Buddenbrooks. Thomas Mann
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»Er hat eine schöne, hohe Stirn«, bemerkte Gerda, während sie sich vor dem Spiegel zwischen den beiden Fenstern beim Schein zweier Kerzen die Haare kämmte.
»Ja!« sagte Armgard rasch.
»Und du hast auch nur von ihm angefangen, um das zu hören zu bekommen, Armgard, denn du blickst ihn beständig mit deinen blauen Augen an, als ob …«
»Liebst du ihn?« fragte Tony. »Mein Schuhband geht einfach nicht auf, bitte Gerda … so! nun! Liebst du ihn, Armgard? Heirate ihn doch; es ist eine sehr gute Partie, er wird Professor am Gymnasium werden.«
»Gott, ihr seid scheußlich. Ich liebe ihn gar nicht. Ich werde sicherlich keinen Lehrer heiraten, sondern einen Landmann …«
»Einen Adligen?« Tony ließ den Strumpf sinken, den sie in der Hand hielt, und blickte gedankenvoll in Armgards Gesicht.
»Das weiß ich noch nicht; aber ein großes Gut muß er haben … Ach, wie freue ich mich darauf, Kinder! Ich werde um fünf Uhr aufstehen und wirtschaften …« Sie zog die Bettdecke über sich und sah träumend zum Plafond empor.
»Vor ihrem geistigen Auge stehen fünfhundert Kühe«, sprach Gerda und betrachtete ihre Freundin im Spiegel.
Tony war noch nicht fertig; aber sie ließ ihren Kopf im voraus aufs Kissen sinken, verschränkte die Hände im Nacken und betrachtete auch ihrerseits sinnend die Zimmerdecke.
»Ich werde natürlich einen Kaufmann heiraten«, sagte sie. »Er muß recht viel Geld haben, damit wir uns vornehm einrichten können; das bin ich meiner Familie und der Firma schuldig«, fügte sie ernsthaft hinzu. »Ja, ihr sollt sehn, das werde ich schon machen.«
Gerda hatte ihre Schlaffrisur beendet und putzte ihre breiten, weißen Zähne, wobei sie sich ihres elfenbeinernen Handspiegels bediente.
»Ich werde wahrscheinlich gar nicht heiraten«, sagte sie ein wenig mühsam, denn das Pfefferminzpulver behinderte sie. »Ich sehe nicht ein, warum. Ich habe gar keine Lust dazu. Ich gehe nach Amsterdam und spiele Duos mit Papa und lebe später bei meiner verheirateten Schwester …«
»Wie schade!« rief Tony lebhaft. »Nein, wie schade, Gerda! Du solltest dich hier verheiraten und immer hier bleiben … Höre mal, du solltest zum Beispiel einen von meinen Brüdern heiraten …«
»Den mit der großen Nase?« fragte Gerda und gähnte mit einem kleinen zierlichen und nachlässigen Seufzer, wobei sie den Handspiegel vor den Mund hielt.
»Oder den anderen, das ist ja gleichgültig … Gott, wie ihr euch einrichten würdet! Jakobs müßte es machen, Tapezierer Jakobs in der Fischstraße, er hat einen vornehmen Geschmack. Ich würde täglich zu Besuch kommen …«
Aber dann ließ sich Mlle. Popinets Stimme vernehmen:
»Ah! voyons, mesdames! zu Bette, s'il vous plaît! Sie werden sich heute abend nicht mehr verheiraten!«
Die Sonntage aber und die Ferien verlebte Tony in der Mengstraße oder draußen bei den Großeltern. Welch Glück, wenn am Ostersonntag gutes Wetter war und man die Eier und Marzipanhasen in dem ungeheuren Krögerschen Garten suchen konnte! Welche Sommerferien an der See, wenn man im Kurhause wohnte, an der Table d'hote speiste, badete und Esel ritt! Auch wurden in einigen Jahren, wenn der Konsul Geschäfte gemacht, Reisen von größerer Ausdehnung unternommen. Aber welch Weihnachtsfest, vor allem, mit drei Bescherungen: zu Hause, bei den Großeltern und bei Sesemi, woselbst an diesem Abend der Bischof in Strömen floß … Am herrlichsten aber war dennoch der Weihnachtsabend zu Hause, denn der Konsul hielt darauf, daß das heilige Christfest mit Weihe, Glanz und Stimmung begangen ward. Wenn man in tiefer Feierlichkeit im Landschaftszimmer versammelt war, während die Dienstboten und allerlei alte und arme Leute, denen der Konsul die blauroten Hände drückte, sich in der Säulenhalle drängten, dann erscholl dort draußen vierstimmiger Gesang, den die Chorknaben der Marienkirche vollführten, und man bekam Herzklopfen, so festlich war es. Dann, während schon durch die Spalten der hohen, weißen Flügeltür der Tannenduft drang, verlas die Konsulin aus der alten Familienbibel mit den ungeheuerlichen Buchstaben langsam das Weihnachtskapitel, und war draußen noch ein Gesang verklungen, so stimmte man »O Tannebaum« an, während man sich in feierlichem Umzuge durch die Säulenhalle in den Saal begab, den weiten Saal mit den Statuen in der Tapete, wo der mit weißen Lilien geschmückte Baum flimmernd, leuchtend und duftend zur Decke ragte und die Geschenktafel von den Fenstern bis zur Tür reichte. Aber draußen, auf dem hartgefrorenen Schnee der Straßen musizierten die italienischen Drehorgelmänner, und vom Marktplatz scholl der Trubel des Weihnachtsmarktes herüber. Außer der kleinen Klara beteiligten sich auch die Kinder an dem späten Abendessen in der Säulenhalle, bei dem es Karpfen und gefüllten Puter in übergewaltigen Mengen gab …
Hier ist zu erwähnen, daß Tony Buddenbrook in diesen Jahren zwei mecklenburgische Güter besuchte. Ein paar Sommerwochen verlebte sie mit ihrer Freundin Armgard auf dem Besitztum des Herrn von Schilling, das Travemünde gegenüber jenseits der Bucht an der Küste lag. Und ein anderes Mal reiste sie mit Cousine Thilda dorthin, wo Herr Bernhard Buddenbrook Inspektor war. Dieses Gut hieß »Ungnade« und brachte nicht einen Heller ein; aber als Ferienaufenthalt war es trotzdem nicht zu verachten.
So wanderten die Jahre vorbei, und es war, alles in allem, eine glückliche Jugendzeit, die Tony verlebte.
Dritter Teil
Erstes Kapitel
Kurz nach fünf Uhr, eines Juni-Nachmittages, saß man vor dem »Portale« im Garten, woselbst man Kaffee getrunken hatte. Drinnen in dem weißgetünchten Raum des Gartenhauses mit dem hohen Wandspiegel, dessen Fläche mit flatternden Vögeln bemalt war, und den beiden lackierten Flügeltüren im Hintergrunde, die genau betrachtet gar keine Türen waren und nur gemalte Klinken besaßen, war die Luft zu warm und dumpfig, und man hatte die aus knorrigem, gebeiztem Holze leicht gearbeiteten Möbel hinausgestellt.
Im Halbkreise saßen der Konsul, seine Gattin, Tony, Tom und Klothilde um den runden gedeckten Tisch, auf dem das benutzte Service schimmerte, während Christian, ein wenig seitwärts, mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck Ciceros zweite Catilinarische Rede präparierte. Der Konsul war mit seiner Zigarre und den »Anzeigen« beschäftigt. Die Konsulin hatte ihre Seidenstickerei sinken lassen und sah lächelnd der kleinen Klara zu, die mit Ida Jungmann auf dem Rasenplatze Veilchen suchte, denn es gab zuweilen Veilchen dort. Tony hatte den Kopf in beide Hände gestützt und las versunken in Hoffmanns »Serapionsbrüdern«, während Tom sie mit einem Grashalm ganz vorsichtig im Nacken kitzelte, was sie aus Klugheit aber durchaus nicht bemerkte. Und Klothilde, die mager und ältlich in ihrem geblümten Kattunkleide dasaß, las eine Erzählung, welche den Titel trug: »Blind, taub, stumm und dennoch glückselig«; zwischendurch schabte sie die Biskuitreste auf dem Tischtuche zusammen, worauf sie das Häufchen mit allen fünf Fingern ergriff und behutsam verzehrte.
Der Himmel, an dem unbeweglich ein paar weiße Wolken standen, begann langsam blasser zu werden. Das Stadtgärtchen lag mit symmetrisch angelegten Wegen und Beeten bunt und reinlich in der Nachmittagssonne. Der Duft