Eiserner Wille. Mike Tyson
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Eiserner Wille - Mike Tyson страница 19
Niemand machte mir stärker bewusst, dass ich ein Schwarzer bin, als Cus: „Die denken, sie sind was Besseres als du, Mike“, sagte er über die Weißen. Das war kein leeres Gerede. Einige Monate nachdem ich bei ihm eingezogen war, hatte Cus das südafrikanische Boxteam zu Gast, das während der Apartheid nur aus Weißen bestand. Das Erste, was Cus tat, war, ihnen Folgendes zu sagen: „Es gibt einen schwarzen Jungen in diesem Haus. Er gehört zur Familie. Ihr behandelt ihn mit demselben Respekt, mit dem ihr uns behandelt, habt ihr verstanden?“ Freundlich, aber todernst. Und sie antworteten: „Ja, Sir.“
Das berührte mich zutiefst. Wie hätte ich diesen Mann nicht lieben können? Er sprach immer nur darüber, wie groß ich werden konnte, wie ich mich täglich in jeder Hinsicht verbessern konnte.
Cus fand schon sehr früh etwas über mich heraus. „Oh, du bist ein Chamäleon, nicht wahr?“, sagte er eines Tages zu mir. Er kam darauf, weil ich, nachdem ich stundenlang die Filme über die alten Boxer gesehen hatte, nach unten kam und begann, wie sie zu sprechen. Ich imitierte sogar ihre Kampfstile. Ich nahm sogar Cus’ Persönlichkeit an. Das war kein Spiel – ich meinte es mit dem Training todernst.
An vielen Abenden war Camille oben, während Cus und ich unten saßen und unsere Welteroberung planten. Ich hatte noch nicht einmal einen einzigen Amateurkampf gehabt, aber wir sprachen darüber, wie wir als Majestäten nach Europa reisen würden, und dass „Nein“ ein Fremdwort für mich wäre, wenn ich nur auf Cus hörte. Wer sagt denn so einen Scheiß zu einem Kind – „‚Nein‘ wird ein Fremdwort für dich sein“? Das schwarze Kind hört so etwas ausgerechnet von einem Weißen. Und dieser Weiße scheint auch noch wer zu sein, weil Typen wie Norman Mailer, über den ständig was in der Zeitung steht und der im Fernsehen präsent ist, oder Leute wie Budd Schulberg ihn wahnsinnig respektieren. Ist das zu glauben? Zwei Penner – ein ehemaliger und ein Slumbewohner – sitzen in einem Zimmer in Upstate New York und planen die Weltherrschaft.
Der 2. Oktober 1980 war ein schwarzer Tag für Cus. Einige von uns waren nach Albany rausgefahren, um über die Videoüberwachungsanlage den Kampf Ali gegen Holmes zu sehen. Muhammad Ali war wie ein Gott. Cus war der Ansicht, dass niemand auf der Welt einen Kampfgeist wie Ali hatte. Er war der vollkommene Kämpfer, nicht nur wegen seiner Fähigkeiten, sondern wegen seiner ganzen psychologischen Sichtweise. „Ali ist der Größte, denn er ist dazu fähig, sich selbst zu lieben“, sagte Cus. Cus liebte Menschen, die unverschämt und beleidigend waren wie er. Er hätte Kanye West geliebt. „Dieser Kerl weiß, wovon er redet“, hätte er vermutlich gesagt.
Jeden Tag sagte mir Cus, ich sei der unerbittlichste und wildeste Kämpfer der Welt. Ich bräuchte nur auf ihn zu hören, dann würde ich unbesiegbar. Dieses Wort traf mich bis ins Mark. Cus sprach über mittelmäßige Kämpfer, aber auch über klasse Kämpfer wie Beau Jack. Aber wenn er über Ali sprach, hörte sich das ganz anders an.
„Ali sieht eher aus wie ein Model als wie ein Sieger im Schwergewicht, oder?“, sagte er zu mir. „Aber wenn ich meine Flinte nehmen und volles Rohr auf ihn feuern würde, und wenn dann noch irgendwas von ihm übrig wäre, sollte ich besser zusehen, so schnell wie möglich abzuhauen, weil er direkt auf mich losgehen würde.“
Diese Art von Gesprächen hörte ich oft zwischen Cus und seinen älteren Freunden, die in ihren Siebzigern waren. „Dieser Kerl? Du musst ihn schon töten, um ihn zu besiegen.“ Heute wird nicht mehr in dieser Art über Boxer gesprochen.
So sehr Cus Ali liebte, so wenig mochte er Holmes. Holmes war ein großartiger Kämpfer, aber er kam nach Ali, und er war nicht Cus’ Typ. Vielleicht hatte Cus so etwas wie eine Fehde mit den Menschen, die hinter Holmes standen. Cus sagte mir nur, dass nichts anderes zählte, nur das Training und das Ziel, der beste Kämpfer der Welt zu werden. „Das ist dein Hauptziel“, sagte er, „wir müssen Larry Holmes außer Gefecht setzen. Ich will keine Ausreden hören; ich will nur Ergebnisse sehen.“ Dein Wert als Mensch bedeutete nichts. Das einzige, was zählte, war, zu gewinnen. „Bester Kämpfer der Welt.“ Das war alles, worüber er sprach.
„Dein Verstand ist nicht dein Freund, Mike“, predigte er. „Dein Verstand will Vergnügen, aber du hast dir das Vergnügen noch nicht verdient. Wenn es an der Zeit ist, zu arbeiten, will dein Verstand etwas anderes. Er arbeitet auch, wenn du arbeiten willst, aber er arbeitet nicht die ganze Zeit, so wie du willst, deshalb musst du deine alten Muster ablegen und darfst deinem Verstand nicht erlauben, zu deinem Feind zu werden.“
Cus hatte eine Theorie: Wenn du etwas ins Feuer hältst, siehst du, was daraus wird. Wird es zu Asche zerfallen oder sich zu einem eisernen Schwert umformen, welches das Unbezwingbare durchdringen kann? So redete Cus. Das Feuer konnte alles sein: Widrigkeiten, psychologische Diagnostik oder deine eigene Meinung von dir selbst. Cus setzte alles daran, das Feuer dazu zu nutzen, erfolgreich zu sein. Wir sahen den Gewinner eines Radrennens in den Nachrichten und Cus überlegte sich, wie man den Kerl überholen konnte, um ihn zu besiegen.
„Ich würde dich jetzt gleich gegen Larry Holmes kämpfen lassen. Du könntest ihn schlagen. Aber du glaubst es nicht. Selbstvertrauen, richtig eingesetzt, wird Genialität übertreffen. Nichts übertrifft Selbstvertrauen.“
Ali war bereits im Ruhestand, aber er kehrte noch einmal zurück, um gegen seinen früheren Sparringspartner Holmes zu kämpfen. Und er schien noch immer die alte Ali-Großspurigkeit zu besitzen. „Ich bin so glücklich, in diesen Kampf zu gehen“, sagte er. „Ich widme diesen Kampf allen Menschen, denen jemals gesagt wurde: ‚Du schaffst es nicht‘, den Menschen, die die Schule abbrechen, weil ihnen gesagt wird, sie seien dumm. Menschen, die kriminell werden, weil sie nicht daran glauben, jemals Arbeit zu finden. Ich widme diesen Kampf euch allen, die einen Larry Holmes im Leben haben. Ich werde meinen Holmes fertigmachen und ich will, dass ihr euren Holmes fertigmacht.“
Es bestanden Zweifel darüber, ob Ali an diesem Abend überhaupt kämpfen sollte. Drei Monate zuvor wurde er von der Nevada State Athletic Commission zu neurologischen Untersuchungen in die Mayo-Klinik beordert. Die Untersuchungsergebnisse wurden damals nicht öffentlich gemacht, aber später wurden sie veröffentlicht und sie waren beängstigend. Ali schaffte es nicht, mit dem Finger seine Nase zu treffen. Seine Sprache war verwaschen. Er konnte nicht einmal anständig auf einem Fuß springen. Nichtsdestotrotz wurde der Kampf genehmigt.
Den ganzen Kampf über zuckten wir nur noch zusammen. Alis Beine waren weg, sein Punch war nicht existent. Alles, was er tun konnte, war, zehn Runden lang Schläge einzustecken, bis sein Trainer Angelo Dundee das Handtuch warf. Es war ein Massaker. In der neunten Runde wurde Ali mit einem Aufwärtshaken in die Seile befördert, gefolgt von einer Rechten gegen den Körper. Es war das erste Mal, dass Alis Trainer ihn schreien hörten.
Die Rückfahrt nach Catskill glich einer Beerdigung. Ich habe Cus noch nie so fassungslos gesehen. Cus und Ali kannten sich schon sehr lange. Als Ali noch jung war, borgte er sich mit seinem Bruder Rahman das Auto ihres Onkels und sie fuhren von Louisville nach Cincinnati, um Floyd Patterson beim Work-out vor einem Schaukampf zu sehen. Cus war Floyds Manager und für Ali war es, als würde er Gott treffen, weil er schon so viel von Cus gehört hatte.
„Mr. D’Amato, ich bin Cassius Clay. Ich bin angehender Boxer, und wir sind hergekommen, um Floyd Patterson zu sehen“, sagte Ali.
„Nun, dann habe ich hier zwei Tickest für dich“, sagte Cus.
Nach dem Kampf ging Ali zu Cus, um ihm zu danken.
„Wenn ich ein kleines bisschen berühmt werde, möchte ich Sie an meiner Seite haben“, sagte er