Perry Rhodan - Die Chronik Band 1. Michael Nagula
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Längst ist PERRY RHODAN mehr als »nur« eine Heftromanserie. Spätestens seit dem Start der SILBERBÄNDE am Ende der Achtzigerjahre hat sich dieses Bild in der Öffentlichkeit gewandelt. Seither kamen zahlreiche Publikationen hinzu, und seit einigen Jahren ist es für manchen Fan völlig selbstverständlich, sich den wöchentlichen Roman als Download-Hörbuch zu Gemüte zu führen oder sich eine digitale Version auf sein Mobiltelefon zu laden.
Das ist aber nur die eine Dimension, jene der Veröffentlichung. Die Serie hat im Verlauf der Jahre ein anderes »Standing« außerhalb der Szene gewonnen.
War es zu meiner Schulzeit in den Siebziger- und Achtzigerjahren völlig normal, dass man von Klassenkameraden wegen seiner Lektüre belächelt oder von Lehrern wegen des »Schunds« unter der Schulbank bestraft wurde, findet man heute überall Menschen, die mit PERRY RHODAN sozialisiert wurden: Beim Arztbesuch entpuppt sich der Orthopäde als ehemaliger Leser, im Urlaub erweist sich ein mitreisender Amtsrichter als langjähriger Abonnent, bei einer Begegnung mit dem Geschäftsführer einer großen Werbeagentur »outet« sich dieser als Fan.
PERRY RHODAN ist längst in der viel beschworenen Mitte der Gesellschaft angekommen. Journalisten berichten wohlwollend, Literaturwissenschaftler erforschen seit Jahren die Art und Weise, wie ein mehrköpfiges Autorenteam gemeinsam das größte fiktive Universum der Menschheit erschafft.
Das vorliegende Buch wagt einen Rückblick auf die ersten vierzehn Jahre der Serie, auf die frühen Gehversuche und die spannenden Zyklen der Sturm-und-Drang-Zeit. Schaut man sich die Berichte jener Tage an, gewinnt man einen Eindruck davon, wie kreativ und unverwüstlich die Autoren waren: Neues wurde ausprobiert, und zahlreiche Handlungselemente wurden eingearbeitet, ohne an »Zielgruppen« zu denken – so entstand aus Träumen und Phantasien das Perryversum.
Ich wage nicht ernsthaft, in die nahe oder gar in die ferne Zukunft zu blicken. Als Prophet sehe ich mich nicht, als seriöser Futurologe tauge ich kaum. Aber in einem bin ich sicher: PERRY RHODAN wird es auch in der nahen Zukunft geben. Ob es in zwanzig Jahren noch Heftromane geben wird, weiß derzeit niemand – dann aber wird man die Serie anderweitig lesen oder hören. Ich bin mir sicher, dass PERRY RHODAN in einer sich rapide ändernden Medienwelt seinen Platz haben wird.
Und ich bin mir vor allem sicher, dass den Autoren ihre guten Ideen nicht ausgehen werden. In den letzten Jahren haben einige neue Kollegen mit ihrer Arbeit angefangen. Ihre Impulse machen sich schon jetzt bemerkbar und werden das aktuelle Team auch in Zukunft beleben.
Das Schöne bei dieser Zeitreise: Ich kann dabei sein, kann sie begleiten. Entweder als Mit-Macher und Redakteur oder als Zuschauer … beides ist spannend.
Seit 1961 ist PERRY RHODAN ein wichtiger Bestandteil im Leben von vielen Menschen, ist die Serie bereichernd und belebend. Das soll sie auch künftig bleiben. Ich bin sicher, dass dies den Autoren gelingen wird.
Auf die Zukunft!
»Da kommt Perry Rhodan!«
von PERRY RHODAN-Exposéautor Uwe Anton
1961, in dem Jahr, in dem die eigentliche Berichterstattung dieser Chronik beginnt, wurde ich fünf Jahre alt. Von PERRY RHODAN hatte ich noch nie etwas gehört und sollte ich auch einige Jahre lang noch nichts hören. Frühe Kindheitserinnerungen sind mit der Kubakrise verbunden, bei der ich aus Angst vor einem Atomkrieg weinend Trost bei den Eltern suchte, und zwei Jahre später mit dem Attentat auf den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Ich weiß noch, wie ich an einem tristen Novembermorgen im Jahr 1963 voller Besorgnis mit hängendem Kopf zur Schule schlich, nachdem ich die Nachricht im Radio gehört hatte. (Passend zum vorliegenden Buch die historischen Einschätzung: Die Fernseh-Sendezeit war damals, so unvorstellbar es heute auch anmutet, auf einige Stunden am Tag beschränkt, Privat- und Frühstücksfernsehen gab es in Deutschland noch nicht, und gerade hatte sich ein zweites staatliches Programm zum bislang einzigen gesellt – die ARD bekam »Konkurrenz« vom ZDF!)
Man kann sich heutzutage kaum vorstellen, welche Bedeutung diese Nachricht damals für die Menschen auch in Deutschland hatte, keine zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, während der Kalte zum Heißen Krieg zu werden drohte. Kennedy war tot. Was sollte nun werden?
Die Serie PERRY RHODAN wurde während ihres fast fünfzigjährigen Bestehens stets vom Zeitgeist beeinflusst, und auch ihre Autoren sind »Kinder ihrer Zeit«. Was für Karl-Herbert Scheer gilt, den ersten Chefautor von PERRY RHODAN, trifft also auch für den heutigen zu, der dann wohl ein Kind der Zeit des Kalten Krieges zwischen den Supermächten ist. Denn natürlich steht keine Literatur und kein Literaturschaffender isoliert da. Das gilt besonders für ein Team-Werk, an dem im Verlauf eben dieser fast fünfzig Jahre weit über zwei Dutzend Autoren mitgewirkt haben.
PERRY RHODAN selbst lernte ich ungefähr 1966 kennen. Meine Großmutter, eine Frau, die sehr viel las, brachte mir irgendwann einen Schwung Heftromane mit. Western oder Liebesromane interessierten mich weniger. Stattdessen faszinierten mich auf den ersten Blick die phantasievollen, mitreißenden Titelbilder »unserer« Serie. Um Band 250 stieg ich ein – und war sofort rettungslos verloren. Über eine Kleinanzeige in der örtlichen Tageszeitung bot jemand an, die komplette Serie zu verkaufen, und ich schlug zu. Ich trennte mich sogar von meinen bis dahin heißgeliebten Karl-May-Büchern, um Platz für mein neues Hobby zu schaffen – und etwas Geld für meine immer größer werdende Science-Fiction-Sammlung zu bekommen. Denn bei mir war es wie bei vielen anderen Lesern auch: PERRY RHODAN war eine »Einstiegsdroge«, der die gesamte Science Fiction in Deutschland sehr viele Leser verdankte.
Auf dem Gymnasium fand ich schnell Gleichgesinnte, die sich ebenfalls für PERRY RHODAN und Science Fiction interessierten. Wir spielten »Perry-Rhodan-Quiz«: Aus den Angaben in den Personenkästchen mussten wir raten, welche Hauptperson des Romans gemeint war. Das war natürlich ziemlich einfach, wenn es etwa hieß: »Der Großadministrator trifft eine Entscheidung«, konnte manchmal aber auch recht knifflig sein. Und wir waren – wie es sich für Science Fiction-Leser gehört – natürlich tolerant. Sogar die damalige Konkurrenz-Serie REN DHARK lasen wir!
Unsere Begeisterung blieb jenen Mitschülern, die – nun ja – mit dem Lesen nicht so viel am Hut hatten, natürlich nicht verborgen. So war ich eines Tages mit meiner Mutter auf dem Weg zum Zahnarzt, als wir einem jener Mitschüler begegneten. »Da kommt Perry Rhodan!«, rief er mit breit feixendem Gesicht.
So peinlich mir dieser Satz damals war, so sehr sollte er Programm werden. PERRY RHODAN ließ mich auch als Erwachsener nicht mehr los. Ich blieb der Serie treu, las sie manchmal mit größerer, manchmal mit etwas geringerer Begeisterung. Nachdem ich über zwanzig Jahre meinen Lebensunterhalt als Schriftsteller und Übersetzer verdient hatte, ohne dass es jemals zu einem beruflichen Kontakt mit »der größten Science-Fiction-Serie« gekommen war, erhielt ich schließlich das Angebot, ein PERRY RHODAN-Taschenbuch zu schreiben.
Ich verspürte sofort wieder dieselbe Begeisterung, mit der ich als Jugendlicher die Serie gelesen hatte – nun aber eine Begeisterung praktisch von der anderen Seite des Schreibtisches aus. Ich konnte einen Beitrag zu dem weltgrößten in sich geschlossenen Science Fiction-Universum schaffen! Ein Gefühl, das noch eine Steigerung erlebte, nachdem ich dann als Serienautor meine ersten »richtigen« PERRY RHODAN-Romane schrieb.
Diese Begeisterung hat mich bis heute nicht losgelassen, und sie ist sicher auch mitverantwortlich für den gigantischen Erfolg, den PERRY RHODAN nun seit fast fünfzig Jahren verbuchen kann. Denn, da bin ich mir sicher, nicht nur ich verspüre sie, sondern alle an diesem Phänomen Mitwirkenden: die Autoren, Titelbild-Künstler und Risszeichner sowieso, aber auch die zahlreichen Gestalter im Hintergrund, die Lektoren und das Redaktions-Team, das die »Kreativen« betreut. PERRY RHODAN ist eben ein Team-Werk.