Superhelden. Grant Morrison

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Superhelden - Grant Morrison

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gab es etwas Interessantes zu beobachten: Die Titelseiten der Comics aus den Fifties hatten gewöhnliche Leute gezeigt, die vor den symbolischen Monstern ihres unergründlichen Unterbewusstseins davonliefen. Nun waren da vier Leute, die sich dem Monster entgegenwarfen. Superman war Dreh- und Angelpunkt, sozusagen im Zentrum der vier Elemente, auf dem Cover von Action Comics #1 gewesen. Diese neuen Helden waren die vier Elemente. Die Fantastic Four waren eine lebende Gleichung. Die Erkundung ihrer sich stets verändernden, dabei immer vertrauten Familiendynamik machte sie zu einer stets auf Hochtouren laufenden Story-Maschine.

      In einem Halbkreis zirkelt die kometenhafte Figur von Human Torch um Invisible Girl herum. Die Komposition der Helden deutet eine wirbelnde Acht an, die das Monster umschließt. Die Form der Ziffer Acht symbolisierte ewige Familienbande, das Versprechen, dass die Saga womöglich nie enden würde, und Protagonisten, die die Zeiten überdauern könnten. Das Symbol repräsentierte auch den kosmischen Reisenden, den Astronauten auf dem Weg zur Unendlichkeit, und wies die Richtung zu den Themen, die Jack Kirby in seinen ausgereiften Arbeiten erkunden würde.

      Die Sprechblasen waren eigentümlich platziert, aber auch sie waren so positioniert, dass das Auge in ständiger Bewegung blieb.

      „THE THING! MR. FANTASTIC! HUMAN TORCH! INVISIBLE GIRL! ZUM ERSTEN MAL GEMEINSAM IN EINEM MÄCHTIGEN MAGAZIN!“

      Bald ließ Lee ein stolzes Banner über dem Titel einfügen, das simpel zu Protokoll gab: „THE WORLD’S GREATEST COMIC MAGAZINE.“

      Das war keine haltlose Prahlerei. In erstaunlichen 102 Ausgaben, bei denen Jack Kirby mit dabei war, runderneuerten The Fantastic Four das Konzept des Superhelden für das Silberne Zeitalter und überreichten dem Leser jeden Monat eine Eintrittskarte in eine Welt voller Planeten fressender Götter, unterseeischer Königreiche, Paralleldimensionen und – sich fortlaufend verändernder, aber stets zum Ausgangspunkt zurückkehrender – Familien-Dynamik.

      Dieses erste Abenteuer der Fantastic Four begann mit einer Menschenansammlung, die auf die Worte The Fantastic Four deuteten, die in riesigen Buchstaben auf eine Wolke geschrieben standen. Dieses Alarmzeichen, das das Bat-Sign in Größe und Schriftlichkeit übertraf und somit den Titel der Serie als aktives Element in die Geschichte einband, rief eine Gruppe faszinierender Freaks zusammen – inklusive eines misanthropischen Monsters, dessen Bewegungen permanent Irritationen und Konfrontationen auslösten. Jeder Figur wurden ein paar Seiten gegeben, um sich vorzustellen und ihre Superkraft zu demonstrieren, bevor der erste Akt mit dem Versprechen einer „angsteinflößenden Aufgabe“, welche das Quartett erwarten würde, endete.

      Die Story ging zurück bis zu dem Tag, an dem jede Figur ihre bemerkenswerte Superkraft erhalten hatte, womit die Spannung beim Leser gesteigert wurde. Ihr Anführer, der selbstgefällige, Pfeife rauchende Dr. Reed Richards, ignorierte die Warnungen eines Mannes namens Ben Grimm, der meinte, dass es keine kluge Idee sei, eine experimentelle Rakete zu stehlen und durch tödliche kosmische Strahlung zu manövrieren. Richards überließ die Drecksarbeit seiner glamourösen blonden Verlobten, Sue Storm: „BEN, WIR MÜSSEN UNS DARAUF EINLASSEN, AUSSER, WIR WOLLEN DEN COMMIES DEN VORTRITT ÜBERLASSEN. ICH DACHTE NIE, DASS DU SO EIN FEIGLNG WÄRST.“

      Sues passiv-aggressive Anschuldigung reichte, um bei Ben den Kragen platzen zu lassen.

      „FEIGLING! NIEMAND NENNT MICH EINEN FEIGLING!“

      Und so war der Rest der Truppe in der Lage, den einzigen vernünftigen Kopf unter ihnen davon zu überzeugen, an diesem hirnverbrannten Plan mitzuwirken, der nur in einer Katastrophe enden konnte. Aus irgendeinem Grund erlaubten Reed und Ben sowohl Sue als auch ihrem Teenager-Bruder Johnny, an ihrer Selbstmordmission teilzunehmen, um zu verhindern, dass ihnen die Ivans zuvorkämen.

      „WIR MUSSTEN ES TUN! WIR MUSSTEN DIE ERSTEN SEIN!“, schrie Richards triumphierend, als ihre Rakete durch die Ionosphäre beschleunigte. Es war das Gebrüll eines Space-Löwen der Kennedy-Ära, der nun das unendliche Vakuum des Weltalls in Beschlag nehmen wollte. Es war der Hochmut des strahlenden jungen Präsidenten und des Wissenschaftlers, und er kam sowohl vor dem Fall als auch vor der Schuld.

      Der einzige Soundeffekt der Geschichte kam in der Panele direkt nach Richards Hahnengeschrei zur Anwendung und sollte die fürchterliche Präsenz kosmischer Strahlen ausdrücken. Sie drangen durch die Hülle, um die vier Astronauten in reiner Strahlung zu baden.

      RAK TAC TAC TAC TAC TAC!

      Als das getroffene Raumschiff eine Crash-Landung hingelegt hatte und die vier nacheinander aus dem Wrack taumelten, sahen wir, wie die Strahlen bei jedem einzelnen eine schreckliche Verwandlung auslösten. Sue wurde zum ersten Mal unsichtbar. Johnny loderte lichterloh und fand heraus, dass er fliegen konnte. Reeds gesamter Körper war nun elastisch, Ben jedoch hatte das schwerste Los erwischt. Als Lohn dafür, dass er versucht hatte, diese ganze verrückte Eskapade zu verhindern, wurde er zu einem monströsen, orange-gepanzerten Ding, das nicht in der Lage war, menschliche Form anzunehmen.

      Reed gab sich – korrekterweise – die Schuld an Bens schockierender Deformation und dem Verlust seines normalen Lebens. Sue zog zwischenzeitlich das amouröse Interesse von Prinz Namor dem Sub-Mariner auf sich, der wie ein aufgegeilter Peter Pan aus den Tiefen emporgeschwommen war. Und Johnny hatte mit seiner „Hitzköpfigkeit“ zu kämpfen.

      Der Marvel-Superheld war geboren. Ein Held, der sich nicht nur mit Monstern und wahnsinnigen Wissenschaftlern, sondern auch mit uns allzu vertrauten persönlichen Problemen herumschlagen musste.

      Bald wurde die sturmgeladene Atmosphäre der frühen Fantastic-Four-Abenteuer durch einen leichten Fluss ersetzt, der von großem Drama, Science-Fiction, Situationskomödie und Pathos bis zu komplett neuen Herangehensweisen an das Superhelden-Genre alles bieten konnte. Die verstrahlte Familie sollte Lee, Kirby und jedem, der ihnen folgen sollte, mit einem unaufhörlichen Vorrat an Geschichten, die zu Mythen werden konnten, versorgen. Böse Onkel, Hochzeiten, Geburten, Trennungen – Fantastic Four gab jeder Familienepisode einen Superhelden-Anstrich. Nach der Hochzeit von Mr. und Mrs. Fantastic entwickelte sich eine neue, verspieltere Dynamik, in der Reed und Sue als Mom und Dad, Johnny als flegelhafter Sohn und Ben als das monströse Riesenbaby fungierten.

      Die Marvel-Supermänner (und -frauen) waren außerdem Wissenschaftler. Die Fantastic Four waren Astronauten. Der Hulk war ja eigentlich Bruce Banner, ein Physiker. Henry Pym, Ant-Man, war ein Teilchenphysiker. Spinnenmann Peter Parker war ein Wissenschaftsstudent. Don Blake alias Thor war Arzt. Aber Lee und seine Mitarbeiter – vor allem ein neu entbrannter Jack Kirby, der sich am Anfang seiner absoluten Hochphase befand, sowie Steve Ditko – sollten auch die dunklen Seiten des akademischen Superhelden zu Tage fördern.

      Lee und Ditko schufen zusammen gleich den nächsten Hit für Marvel: Spider-Man. Eine weitere Neuerung: ein Superheld im Teenager-Alter, der kein Sidekick, nein, sondern der Star seiner eigenen Serie war. Und sein Name beinhaltete weder „Kid“ oder „Kumpel“. Peter Parker war, wie Lee am Ende des ersten Abenteuers schrieb, „der Held, der du sein könntest“. Er brachte eine neue Dimension an Realismus in die Superhelden-Comics und löste damit eine weitere Revolution aus. Parker, ein Nerd mit Brille, wurde der Welt im August 1962 in Amazing Fantasy #15 vorgestellt: „DAS EINZIGE PROFESSIONELLE MAUERBLÜMCHEN AN DER MIDTOWN HIGHSCHOOL.“

      Es ist unwahrscheinlich, dass sich die jungen Leser der Superhelden-Comics mit Barry Allen oder Hal Jordan, attraktiven jungen Männern mit Karrieren und Freundinnen, identifizieren konnten. Doch Peter Parker entstaubte den Archetypus von Clark Kent und gab den Lesern einen Helden, der ein Teenager war und sich auch so benahm. Er konnte seinen Außenseiter-Status nicht mildern, indem er auf einen Job als Reporter oder einen Uni-Abschluss verweisen konnte. Sein linkisches Benehmen, seine verstohlene Art, seine Unsicherheit und seine ihn zermarternden Schuldgefühle unterschieden Spider-Man fundamental von den wohlerzogenen, sauberen Teenagern des 30. Jahrhunderts, die in den Legionen der DC-Helden

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