Superhelden. Grant Morrison
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Der rot-blaue Kontrast gab ihm außerdem noch einen patriotischen Touch, und da seine Aktivitäten oft von solchem Ausmaße waren, dass ihre Darstellung von panoramischen Perspektiven profitierte, waren die Primärfarben dabei behilflich, den Helden jederzeit ausmachen zu können, auch wenn dieser bloß als kleiner Punkt vor der Skyline von Metropolis wahrzunehmen war. Der wehende Umhang hatte auch seinen praktischen Nutzen, da er stets die Illusion von tatsächlicher Bewegung und Geschwindigkeit zu vermitteln vermochte – die scharfen, modernen Schnitttechniken des Erzählstils von Siegel und Shuster erledigten den Rest.
Zurück zum Brustlogo. Superman, der so unverschämt speziell, so absolut individuell war, dass er seine eigene Initiale als Abzeichen vor sich her trug, bestärkte die menschliche Würde, indem er in eine andere Zeit vorgriff. Shuster und Siegel hatten eine Zukunft vor Augen, in der alle ihre eigenen stolzen heraldischen Symbole, die von Anerkennung zeugen sollten, tragen würden. Eine Zukunft, in der Technologie einfach ein Werkzeug sein würde, um die Kreativität und Verbundenheit, die das Geburtsrecht unserer goldenen Super-Ichs sein würde, auszudrücken.
In Superman manifestieren sich einige der höchsten Erwartungen unserer Spezies. Sie verbinden sich mit der niedrigsten Form der Unterhaltung, wodurch etwas Kraftvolles geboren wurde, auch wenn sich dieses Etwas in Unterhosen zur Schau stellt. Er ist tapfer. Er ist clever. Er gibt niemals auf und lässt nie jemanden im Stich. Er setzt sich für die Schwachen ein und versteht es, Gauner aller Art in ihre Schranken zu weisen. Er kann nicht verletzt oder getötet werden. Er wird nie krank. Er steht hundertprozentig loyal zu seinen Freunden und der Welt, die ihn adoptiert hat. Er ist Apollo, der Sonnengott, die unschlagbare Version des Ichs, die persönliche Größe, von der wir wissen, dass sie uns allen innewohnt.
Mit anderen Worten war Superman die Wiedergeburt unserer ältesten Idee: Er war ein Gott. Sein Thron überragt den Gipfel des Olymps und, wie Zeus, verkleidet er sich als Sterblicher, um unter den gewöhnlichen Menschen zu wandeln, um mit ihren Dramen und Leidenschaften in Verbindung zu bleiben. Das ist nicht das Ende der Parallelen: Sein „S“ ist ein stilisierter Blitz – die Waffe des Zeus, die strenge Autorität und Gerechtigkeit repräsentiert. Wie Supermans Ursprungsgeschichte von 1939 andeutet – „WÄHREND EIN FERNER PLANET ZUGRUNDE GEHT, SCHICKT EIN WISSENSCHAFTLER SEINEN SOHN IN EINEM HASTIG AUSGERÜSTETEN RAUMSCHIFF RICHTUNG ERDE“ –, war er wie der kleine Moses oder Hindu Karna, der in einem „Körbchen“ auf dem Fluss der Vorbestimmung auf den Weg geschickt wurde. Und dann gibt es da die westliche Gottheit, der Superman am ehesten entspricht: Superman war Christus, ein unverwundbarer Champion, geschickt von seinem himmlischen Vater (Jor-El), der uns ein Vorbild sein und uns lehren sollte, unsere Probleme ohne Gewalt zu lösen. In seinem schamlos grellen Traumkostüm war er, gleich einem Popstar, ein Messias des Maschinenzeitalters. Er war dazu bestimmt, die Menschen in Raserei zu versetzen.
Aber wenn die Geschichte Jesu ein zentrales Thema hat, dann bestimmt jene: Wenn Gott auf die Erde herabsteigt, dann muss er ein paar Opfer bringen. Um geboren zu werden, musste Superman einige Kompromisse eingehen. Als Preis für seine Inkarnation musste sich der Sohn des Jor-El von Krypton auf einen schrecklichen Handel mit der komplizierten, zweischneidigen materiellen Welt einlassen. Dieses „S“ kann auch als Schlange gedeutet werden, und es birgt seinen eigenen Fluch in sich. Die Ironie, der kosmische „Stoff“, aus dem unsere Leben so oft im Geheimen gesponnen zu sein scheinen, hatte Superman schon längst im Zielfernrohr. Und so geschah es, dass unser sozialistischer, utopischer, humanistischer Held langsam zu einem Marketing-Instrument, einer patriotischen Vogelscheuche und noch Schlimmeren wurde: zum Verräter seiner eigenen Schöpfer. Nachdem er seine Väter weit hinter sich, auf dem Planeten der Armut, gelassen hatte, flog Superman, in seinem Drang wirklich zu sein, in die Hände eines jeden, der es sich leisten konnte, ihn anzuheuern.
Supermans Image und Name verbreiteten sich in immer weiteren Kreisen, in der Geschwindigkeit der Druckerpresse, der Geschwindigkeit der Radiowellen. Ein starker, eleganter Außerirdischer war gekommen und klingelte nun bei seinem Publikum an. Woher sollte der nächste Superheld kommen? Wie sollte man auf Superman antworten, ohne ihn zu kopieren – was viele versuchten – und ohne eine Klage zu riskieren? Heute erscheint es offensichtlich. Die Antwort bestand darin, die Polarität umzukehren. Superman war ein Held des Tageslichts, strahlend und allzeit optimistisch. Wie wäre es da mit einem Helden der Nacht?
Auftritt Batman.
Alles begann 1938 in einer dunklen und stürmischen Nacht in der New Yorker Midtown, als dem Editor bei Detective Comics, Vin Sullivan, von seinem Boss mitgeteilt wurde, dass er sich einen neuen Helden in der Art von Superman einfallen lassen solle, einen Charakter, der diesem „Lange-Unterwäsche-Trend“ entspreche. Sie überlegten sich, dass Supermans muskulöse Extrovertiertheit eine Entsprechung im Genre der eher introvertierten Detektivgeschichten finden könnte. Genau wie die „Action“ in den Action Comics sich als perfektes Sprungbrett für Superman herausgestellt hatte, so würde die neue Figur zu den Hauptzutaten von Detective Comics passen – Mystery, Crime und Horror.
Bob Kane, geboren als Robert Kahn, war 23, als Batman 1939 sein Debüt gab. Sein Mitarbeiter bei diesem neuen Strip war Bill Finger, der zwei Jahre älter war. Man nannte Finger den begabtesten Comic-Schreiber seiner Generation und beschrieb ihn immer als den Träumer des Teams. Im Gegensatz zu ihm war Kane, der Künstler, ganz Geschäftsmann. Es ist leicht vorherzusehen, wohin uns dieses Melodrama führen wird, und auch zu erklären, warum ihr sicher schon den Namen Bob Kane in Zusammenhang mit Batman-Produkten gelesen haben dürftet, aber nicht den von Bill Finger.
Kanes kalte, gewinnorientierte Intelligenz beeinflusste Batman von Anfang an. Superman wirkte wie das glückliche Resultat von Versuchen, Fehlschlägen und geduldiger Überarbeitung, wohingegen Batman ganz klar das Ergebnis von kühler Überlegung war. Clever und schnell ersonnen, aus einer Ansammlung von popkulturellen Versatzstücken, die kombiniert größer waren als ihre Einzelteile. Sein Erscheinungsbild basierte auf einer Vielzahl von Inspirationen, u. a. auf dem zentralen Charakter eines Stummfilms von 1930 namens The Bat Whisperers (die Ähnlichkeit ist vage, aber die Grundidee eines tierischen Alter Egos ist gegeben). Seine Athletik war beeinflusst von Die Maske des Zorro mit Douglas Fairbanks in der Hauptrolle und von D’Artagnan aus Die drei Musketiere. Diese Agilität wollte Bill Finger mit dem scharfen, schlussfolgernden Verstand von Sherlock Holmes verbinden. Der Strip zeigte aber auch unübersehbare Ähnlichkeit mit der 1934 entstandenen Schundfigur The Bat, einem verhüllten Verbrechensbekämpfer, der Bösewichte mit einer Gaspistole außer Gefecht setzte. Ähnlich wie später Batman wurde ihm durch eine Fledermaus, die durch sein Fenster geflogen kam, der Weg gewiesen. Ein weiterer Fledermaus-Charakter, The Black Bat, ein Bezirksanwalt, der bei einer Säureattacke entstellt worden war, erschien beinahe gleichzeitig in Umhang und schwarzer Maske auf der Bühne. Die beiden existierten bis in die frühen Fünfziger nebeneinander: Black Bat in Schundromanen, Batman in seinen Comics. Es gibt wenig an Batman, das sich nicht direkt zu irgendeinem Vorgänger zurückverfolgen lässt – allerdings hatte er Seele und ausdauernde Power.
Seine verbrecherischen Widersacher, die im Laufe der Zeit immer mehr wurden, waren sogar noch unorigineller. In der ersten Ausgabe von Batmans eigener Comic-Serie im Frühling 1940 ist das Äußere des Jokers direkt aus Conrad Veidts Stummfilm Der Mann, der lachte (1928) übernommen – wer die berühmten Bilder von Veidt in seiner Rolle sieht, wundert sich, wie man damit durchkommen konnte. Die Figur beinhaltete auch Einflüsse des Maskottchens von Coney Island und natürlich der gleichnamigen Spielkarte. 1942 debütierte Two-Face, dessen Gesichtszüge durch einen Säureangriff verunstaltet waren (das hört sich bekannt an, oder?). Er erinnerte an gespaltene Persönlichkeiten der Literatur wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde, etwa in der Verfilmung von 1941, in der Spencer Tracys Oscar-preisgekröntes Antlitz in zwei Hälften geteilt wird – die eine attraktiv, die andere dämonisch.
Bob Kane und sein Studio wollten einen schweren, gotischen Holzschnitt-Effekt