Gesammelte Werke. Aristoteles

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Gesammelte Werke - Aristoteles

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ist aber nicht nur so allgemein aufzustellen, sondern auch ins Einzelne zu verfolgen. In den Erörterungen, die das Handeln betreffen, sind die allgemeinen Sätze am leersten, während die partikulären einen größeren Inhalt an Wahrheit haben. Denn die Handlungen bewegen sich um das Einzelne, und mit ihm müssen die Behauptungen übereinstimmen. Dieses Einzelne wollen wir aus der Einteilung entnehmen.

      Bei den Affekten der Furcht und der Zuversicht ist der (1107b) Mut die Mitte. Wer hier durch Übermaß fehlt, hat, wenn es durch Furchtlosigkeit geschieht, keinen besonderen Namen – wie denn so manches keine eigene Benennung hat –, geschieht es aber durch ein Übermaß von Zuversicht, so heißt er tollkühn; wer aber durch ein Übermaß von Furcht und einen Mangel an Zuversicht fehlt, heißt feig.

      Es gibt auch in Geldsachen noch andere Charaktereigenschaften : die Hochherzigkeit als Mitte (denn der Hochherzige unterscheidet sich von dem Freigebigen: bei ihm handelt es sich um großes, bei dem anderen um kleines), ferner die Sucht, geschmacklosen und großtuerischen Aufwand zu machen, als Übermaß, endlich die Engherzigkeit als Mangel. Diese Extreme decken sich nicht mit denen der Freigebigkeit. Inwiefern sie es nicht tun, soll später gesagt werden.

      In Bezug auf Ehre und Schande ist die Mitte Hochsinn, das Übermaß heißt Aufgeblasenheit, der Mangel ist niederer Sinn. Wie aber nach dem vorhin Gesagten die Freigebigkeit, deren unterscheidendes Merkmal darin liegt, sich im Kleinen zu betätigen, sich zu der Hochherzigkeit verhält, so verhält sich zum Hochsinn, der auf große Ehre gerichtet ist, eine gewisse Eigenschaft, die auf die Ehre im Kleinen ausgeht. Man kann nämlich auf die rechte Weise nach der Ehre verlangen und mehr, als recht ist, und weniger. Wer in diesem Verlangen zu weit geht, heißt ehrgeizig; wer nicht weit genug geht, heißt ein Mensch ohne Ehrgeiz; wer aber die Mitte einhält, für den fehlt die bezeichnende Benennung. Ebenso sind die Eigenschaften selbst ohne Namen; nur diejenige des Ehrgeizigen heißt Ehrgeiz. Und darum erheben hier die beiden Extreme Anspruch auf die Mitte, und auch wir nennen denjenigen, der hier die rechte Mitte einhält, bald ehrgeizig, bald frei von Ehrgeiz und haben bald für den Ehrgeizigen, bald für den Nichtehrgeizigen (1108a) ein Lob. Warum wir dieses tun, soll später dargelegt werden. Jetzt wollen wir noch das Übrige in der begonnenen Weise besprechen.

      Auch bei dem Zorne gibt es ein Übermaß, einen Mangel und eine Mitte. Da aber die Sprache fast keinen Namen dafür hat, so wollen wir den Menschen, der die Mitte einhält, sanftmütig und so dann die Mitte Sanftmut nennen. Von den Extremen soll der, der das Zuviel hat, zornmütig und sein Fehler Zornmütigkeit heißen, wer das Zuwenig hat, etwa zornlos und das Zuwenig Zornlosigkeit.

      Es gibt auch noch drei andere Mitten, die zwar in einer Hinsicht mit einander übereinstimmen, aber im übrigen verschieden sind. Sie beziehen sich alle drei auf den geselligen Verkehr in Worten und Handlungen, unterscheiden sich aber dadurch, daß die eine sich auf die Wahrheit in denselben bezieht, die beiden anderen auf das Angenehme, einmal das Angenehme des Scherzes und dann das Angenehme im sonstigen Verkehr. Auch hierüber müssen wir sprechen, damit wir desto deutlicher erkennen, daß die Mitte in allem das Lobenswerte ist, die Extreme aber weder recht noch lobenswert sind, sondern tadelnswert. Für die meisten Eigenschaften fehlen hier wieder die Bezeichnungen. Wir wollen jedoch versuchen, ihnen wie den übrigen Namen zu geben um der Deutlichkeit und Verständlichkeit willen.

      Auch bei den Affekten und dem durch sie bestimmten Verhalten gibt es eine Mitte. So ist die Scham keine Tugend, und doch wird der Schamhafte gelobt. Denn auch hier redet man von einem, der die Mitte hält, von einem anderen, der die Sache übertreibt, wie der Blöde, der sich über alles schämt, und von einem dritten, der zu wenig oder gar kein Schamgefühl hat, dem Unverschämten. Wer aber die Mitte (1108b) beobachtet, ist schamhaft. Ferner ist Entrüstung die Mitte zwischen Neid und Schadenfreude. Alle diese drei Affekte führen sich auf die Freude und die Betrübnis über das, was dem Nächsten begegnet, zurück. Wem die Entrüstung eigen ist, der betrübt sich, wenn es denen, die es nicht verdienen, gut geht; der Neidische, ihn überbietend, betrübt sich über alle, denen es gut geht, und der Schadenfrohe ist so weit davon entfernt, sich zu betrüben, daß er sich vielmehr freut.

      Doch hierüber zu reden wird sich an einem anderen Orte Gelegenheit bieten. Von der Gerechtigkeit aber werden wir erst weiterhin handeln, indem wir sie, die einen doppelten Sinn hat, in ihre beiden Seiten zerlegen und von jeder zeigen, wie sie eine Mitte ist. Desgleichen werden wir von den logischen oder Verstandestugenden erst später sprechen.

      Achtes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Da es somit dreierlei Eigenschaften gibt, zwei verkehrte, die eine an Übermaß krankend, die andere an Mangel, und eine gute, die Mitte, so ist jede jeder in gewisser Weise entgegengesetzt. Die Extreme sind der Gegensatz zur Mitte und zu einander, und die Mitte ist der Gegensatz zu den Extremen. Denn wie Gleiches gegen Kleineres gehalten größer und gegen Größeres gehalten kleiner ist, so ist die Mitte im Vergleich zum Mangel ein Übermaß und im Vergleich zum Übermaß ein Mangel, und dieses gilt gleichmäßig für die Affekte und für die Handlungen. Der Mutige erscheint gegen den Feigling als tollkühn und gegen den Tollkühnen als feig; desgleichen der Mäßige gegen den Unempfindlichen als zügellos und gegen den Zügellosen als unempfindlich, und der Freigebige gegen den Knicker als Verschwender und gegen den Verschwender als knickerig. Daher schieben die Extremen den Mittleren von sich weg je einer dem anderen zu und nennen den Mutigen, wenn es der Feigling ist, tollkühn, und wenn es der Tollkühne ist, feig, und ähnlich geht es bei den übrigen Eigenschaften.

      Während diese Dinge in der angegebenen Weise einander entgegengesetzt sind, stehen die Extreme doch in einem größeren Gegensatze zu einander als zur Mitte. Denn sie stehen von einander weiter ab als von der Mitte, wie das Große vom Kleinen und das Kleine vom Großen weiter absteht als beide vom Gleichen. Auch zeigen manche Extreme eine gewisse

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