Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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Er war gefährlicher als das Königshaus, das die Macht schon hatte. Der Guise begehrte sie erst, und Jeanne d'Albret wußte aus sich selbst, was das heißt.

      Sie entschloß sich daher, aufzubrechen nach der Gegend der festesten protestantischen Stellungen, Saintonge genannt, nördlich von Bordeaux längs des Ozeans. Henri war in freudiger Erregung, anders als seine Mutter, die ihre Zweifel hatte.

      »Warum weinst du, Mama?«

      »Weil ich nicht weiß, was Recht und was Unrecht ist. Immer stellt Satan sich dem Guten entgegen, und wie ich auch handle, ich muß fürchten, daß er es ist, der mich antreibt.«

      »Nein. Mir sagt Beauvois, daß ich groß genug bin, in den Krieg zu ziehen und zu kämpfen.«

      »Und wer ist dein Beauvois? Hat Satan noch nie durch ihn gesprochen?«

      »Diesmal bedient er sich des Mundes des Herrn de la Mothe-Fénelon.« Das war der Abgesandte Katharinas. »Ich erkenne die Stimme des Bösen genau!« rief Henri.

      Darauf schwieg Jeanne. Sie war zu glücklich, daß wenigstens der Vierzehnjährige noch wußte, was recht ist. Blickte sie in sein kleines entschlossenes Gesicht, dann verachtete sie die Herren ihrer Umgebung, die ihr abrieten, mit dem Hof zu brechen, weil sie selbst nur Weltleute oder schwache Herzen waren. Dann fürchtete sie auch die Zuflüsterungen Satans nicht, und im eigenen Innern trug sie den Sieg davon. Ihr Sohn stand im Alter, die Waffen zu führen, das entschied!

      Sie fragte nur noch, damit kein Zweifel übrigbliebe:

      »Wofür, mein Sohn, wirst du streiten?«

      »Wofür?« wiederholte er erstaunt, denn er hatte es ganz vergessen im Eifer und der Freude, sich endlich zu schlagen.

      Jeanne ließ es gut sein, sie dachte: ›Es wird ihm wieder einfallen. Die Tücke der Feinde, besonders aber die des Schicksals wird es ihn lehren. Er wird sich jedesmal daran aufrichten, daß er für die wahre Religion kämpft. Wohl wird auch sein Blut sprechen; denn er ist seinem Onkel Condé näher verwandt als jedem katholischen Fürsten. Außerdem verlangt das Königreich, befriedet zu werden durch unseren Sieg‹ - setzte Jeanne um der Ehre willen hinzu. ›Aber die Hauptsache‹, dachte sie sofort wieder, ›bleibt der Dienst Gottes. Das ganze Leben meines lieben Sohnes wird aus einem Stück sein, und der Glaube fügt es zusammen.‹

      So sehr irrte sich die Königin Jeanne über ihren lustigen Kampfhahn. Sie wollte nichts wissen von den Beinen der Prinzessin Margot, mit denen sie ihn doch selbst beschäftigt gesehen hatte, als ihre gute Freundin Katharina es ihr am Fenster, zeigte. Sie vergaß auch, daß er in der Klosterschule doch endlich seinen Glauben abgeschworen hatte und zur Messe gegangen war. Gewiß hatte er eine Zeitlang tapfer widerstanden, aber was kann ein Kind, dem alle hart zusetzen? Was vermag dagegen sogar ein Erwachsener, der Freunde haben, das Leben genießen und kein Märtyrer sein will. Die Königin Jeanne gehörte zu denen, die inmitten aller Prüfungen und des heftigsten Umtriebs doch immer ahnungslos und unerfahren bleiben. Dafür können sie selbst alternd noch lieben und noch glauben.

      Henri kannte Jeanne besser, als sie ihn; deshalb bat er sie selten um Geld. Er spielte gern, tafelte viel und verschaffte sich die Mittel, indem er den Leuten unerbetene Schuldscheine ins Haus schickte. Entweder kehrte der Schein zurück oder das Geld kam; davon durfte seine Mutter nichts wissen. Nur der Krieg konnte seine Schulden bezahlen, wie der junge Mann erkannte. Er hatte nicht allein erhabene oder selbstlose Gründe, den Bürgerkrieg zu ersehnen. Er war damals wie andere hungrige Hugenotten. Das war auch gut für die Sache, der er diente, denn um so eifriger und überzeugter sprach und handelte er.

      Jeanne brach mit ihm auf; aber als sie noch unterwegs waren nach der protestantischen Festung La Rochelle, ließen sie sich wieder einmal aufhalten von demselben Abgesandten des Königs von Frankreich. Er fragte den Prinzen von Navarra, warum er durchaus zu seinem Onkel Condé nach La Rochelle wollte. »Um Kleiderstoff zu sparen«, antwortete Henri sofort. »Wir Prinzen von Geblüt sollen alle auf einmal sterben, dann braucht keiner in Trauer zu gehen wegen des anderen.«

      Derselbe Herr hielt Henri für dumm, sonst hätte er nicht versucht, ihn gegen seine Mutter einzunehmen. Ohne daß er sie nannte, sprach er von Brandstiftern. »Ein Eimer Wasser«, rief Henri sofort, »und der Brand ist aus!«

      »Wieso?«

      »Der Kardinal von Lothringen soll ihn saufen, daß er platzt!« Wenn der Herr dies nicht begriff, war er langsamer als der Fünfzehnjährige. Wer seine guten Antworten sich merkte, war Jeanne. Aus Freude über ihren Jungen ließ sie sich zu viel Zeit und wäre beinahe gefangen worden von Montluc, der ihr schon wieder auf die Fersen gesetzt war. Aber die beiden erreichten glücklich die feste Stadt am Ozean, und es war eine große, herrliche Freude, endlich nur Freunde um sich zu sehen. Davon glänzten ihnen die Augen, ob sie lachten, ob sie weinten. Coligny, Condé und alle, die schon dort waren und um sie Sorge gehabt hatten, feierten das Wiedersehen mit nicht weniger bewegten Herzen.

      Das ist viel, eine Stadt des Wohlwollens und der Sicherheit, wenn hinter uns ein ganzes Land des Hasses und der Verfolgungen liegt! Auf einmal fällt das Mißtrauen, die Vorsicht wird abgelegt, und dem entronnenen Menschen genügt fürs erste schon das allein, daß er frei ist und atmet. Alles sagen dürfen, was dich gequält und erbittert hatte, und andere sehn dich an und sprechen aus derselben Brust. Beisammen sein und nur Wesen um sich haben, die man nicht verachten muß. Erlöse uns von dem Übel! Führ durch alle Gefahren die herbei, die ich liebe! Und jetzt sind sie da.

      Er stand am Rande des Meeres. Sogar im Dunkel der Nacht konnte er unbesorgt vor Überfällen zum Hafen und auf das Bollwerk gehen. Die Wellen rollten mit Macht, prallten an, schlugen über, und ihr Gebrüll war die Stimme einer Weite, die ihn nicht kannte, im Wind aber schmeckte er eine andere Welt. Seine liebe Mutter hätte gemeint, wenn ihr Herz zu hoch schlug, es sei Gott. Ihr Sohn Henri berauschte sich an dem Gedanken, daß dieses große Wasser nicht aufhörte zu rollen und zu brüllen, bis es drüben an die unbekannte Küste des neuen Weltteils Amerika schlug. Sie sollte wüst, einsam und frei sein: er meinte, frei vom Bösen, vom Haß, vom Zwang, dies oder jenes zu glauben und, je nachdem, dafür leiden zu müssen oder die Macht zu haben. Ja, in der Nacht, umgeben vom Meer und auf den Steinen, die troffen vom Gischt, wurde der junge Sohn ganz wie seine liebe Mutter, und was er Amerika nannte, war eigentlich das Reich Gottes. - Die Sterne funkelten für Augenblicke hervor aus den jagenden, unerkennbaren Wolken, und so läßt auch die wolkenhafte Seele eines Fünfzehnjährigen für Augenblicke ein Licht durch. Später wird sie es nicht mehr können; die Erde unter seinen Füßen wird immer wirklicher und dichter werden, an ihr wird er haften mit seinen Sinnen und seinen Gedanken.

      Der Preis der Kämpfe

      Der Prinz von Navarra drängte die Alten, doch endlich loszuschlagen. Er wollte weder Beratungen noch Ansprachen. Den Vertretern der Stadt hatte er auf ihre Begrüßung geantwortet:

      »So gut reden kann ich nicht, aber ich werde etwas Besseres tun - etwas tun!«

      Endlich den Feind sehen, sich endlich rächen und zur Geltung bringen, endlich genießen!

      »Das schreit zum Himmel, liebe Mutter, der König von Frankreich nimmt dir alle deine Besitzungen fort, und seine Truppen unterwerfen unser Land. Ich will kämpfen! Fragst du noch für wen? Für dich!«

      »Den Brief an das Gericht in Bordeaux hat meine gute Freundin Katharina sich ausgedacht; es soll mich aller meiner Besitzungen verlustig erklären. Ich werde hier gefangengehalten, behauptet sie - als ob sie selbst das nicht vorhätte mit mir! Nein, dies ist eine Zuflucht und kein Kerker, wenn ich auch die Stadt nicht verlassen kann und verzichten muß auf den Genuß aller meiner

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