The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart

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The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart The Who Triologie

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Road, das keine zwei Kilometer Luft­linie vom Haus der Moons entfernt lag. Fast jede Nacht gab es dort Live­musik. Das Oldfield galt sogar als ein ausgewiesener „Music Club“ mit eigener­ Mitgliedskarte und strenger Alterskontrolle. Wer noch keine achtzehn war, musste ­draußen bleiben.

      Keith war fünfzehn, als er das erste Mal dort aufkreuzte. Lou Hunt, so ziemlich für alles im Oldfield Hotel verantwortlich, einem Klub, der zum Tourzirkus des Promoters Bob Druce gehörte, war sozusagen Barkeeper, Anheizer und Manager­ in Personalunion. Er war Ende dreißig, hatte stets eine Krawatte umgebunden und erzählt bis heute voller Erstaunen, wie Keith es ­schaffte,­ am Tür­steher­ vorbei bis zu ihm vorzudringen und seinen Wunsch nach einer vorzeitigen ­Mitgliedschaft persönlich vorzutragen.

      Hunt hielt das Bürschlein für dreizehn, aber Keith trat dergestalt höflich, ­respektvoll und wohlerzogen auf, dass der Manager ihn nicht gleich wieder rauswarf, sondern fragte, weswegen er unbedingt dem Klub beitreten wollte. Keith erklärte, dass ihm seine Eltern ein Schlagzeug gekauft hätten und er den Profis auf der Bühne zuschauen und von ihnen lernen wollte. „Was sollte ich machen?“ sagt Hunt, der nach all den Jahren immer noch verblüfft wirkt über die eigene Großzügigkeit. „Er war so ein netter Junge. Ich erlaubte es ihm.“

      Keith, eigentlich drei Jahre zu jung für das Oldfield, erhielt also die gewünschte­ Mitgliedschaft – unter der strengen Auflage, dass er sich nicht vom Bühnenrand entfernen dürfe. Er durfte sogar, wann immer er wollte, bei freiem Eintritt wieder­kommen. So war Keith oft im Oldfield zu Gast, studierte die Bands aus dem Stall von Bob Druce: die Bel-Airs, Federals, Corvettes, Beachcombers und später natürlich auch The Detours. Einige Musiker erinnern sich noch an den neugierigen mondgesichtigen Knaben am Bühnenrand. Sänger Dave Langston zum Beispiel hatte ein „putzmunteres Kerlchen, strotzend vor Zuversicht und sprudelnd vor Begeisterung“ anlässlich seines Auftritts im Oldfield Hotel gesehen, und vor allem die Schlagzeuger aller gastierenden Gruppen machten bald Keiths Bekanntschaft, der so etwas wie ein Klubmaskottchen wurde.

      Was er in den langen Nächten im Klub sah und hörte, probierte er umgehend auf dem eigenen Schlagzeug aus, allein oder mit den Strangers, die sich ­allmählich zu einer homogenen Gruppe entwickelten.

      Auftritte blieben allerdings selten, da keiner der Musiker auch nur ansatzweise­ über den erforderlichen guten Ruf oder gar über geschäftliche Beziehungen zum Musikbusiness verfügte. Gigs in richtigen Klubs wie etwa dem Oldfield, wo die Detours etwa um die gleiche Zeit Fuß fassten, waren für Keith und seine szenefernen Kollegen nahezu unerreichbar. Sie hatten zwar ein recht anspruchsvolles Liveprogramm einstudiert, vor allem mit Rock’n’Roll aus den USA, aber öffentlich kamen sie damit nicht recht weiter.

      Vermutlich engagierten sie aus diesem Grund einen „Manager“, von dem wir allerdings nur aus einem Zeitungsartikel wissen, der in The Complete Chronicle Of The Who abgedruckt ist. Er hieß Brian und war laut eigenem Bekunden zufällig an die Strangers geraten, als er auf einem Spaziergang durch East Hill eine ihrer halb öffentlichen Proben mitgehört hatte. Man kam ins Gespräch und dann zum Schluss, dass vor allem eigene Songs fehlten, wenn man den musikalischen Durchbruch schaffen wollte. Brian setzte sich also flugs hin und schrieb die ersten vier Kompositionen seines Lebens, die dann die Gruppe allesamt übernahm. Daraufhin machte er sich im Eiltempo daran, The Strangers zu künftigen Hitparadenstürmern zu formen. Das suggeriert zumindest besagter Artikel. Demobänder wurden­ aufgenommen, die leider bis heute verschollen sind, und angeblich kam nun auch immer mehr zahlendes Publikum in den Genuss der in Gold gewan­deten­ Newcomer.

      Dokumentiert ist immerhin eine BBC-Session vom 9. September 1962. Das Unterhaltungsprogramm des öffentlich-rechtlichen Radiosenders suchte ständig neue Bands, und so erhielten auch The Strangers eine Einladung zum Vorspielen. Sie schrammten nur knapp an einem Überraschungserfolg vorbei, denn sie unterlagen gegen The Dave Clark Five, eine Formation mit weitaus mehr Erfahrung, die später im Gefolge der Beatles die USA eroberte und mit Hits wie „Glad All Over“ (1964) und „Over And Over“ (1965) auch in Deutschland leidlich erfolgreich war. Angeführt wurde die Gruppe von ihrem energischen, singenden Drummer Dave Clark, und es ist anzunehmen, dass Keith aus dieser Begegnung weitere­ Inspiration für sein künftiges Bühnenleben bezog.

      Brians organisatorische Meisterleistung für The Strangers war eine sechs­monatige Deutschlandtournee. Er hatte eine Reihe von vertraglich zugesicherten Engagements in Militärstützpunkten der USA aushandeln können und wollte dies als Sprungbrett für eine internationale Karriere nutzen.

      Leider kam die groß angekündigte Tournee nie zustande, weil Keiths Eltern ihre Erlaubnis verweigerten. Keith war gerade erst sechzehn geworden und hatte einen sicheren Job. Noch – denn wer ihn kennt, ahnt schon, dass Keith im geordneten Gefüge einer behördlichen Druckerei keine große Zukunft beschieden war. Tatsächlich nahte das Ende seiner Anstellung, als Keiths anarchistische Seele zielsicher die Möglichkeit zum größtmöglichen Skandal in Form einer militärischen Ehrenbeleidigung ausgemacht hatte.

      In der Druckerei gab es einige verdiente Ladies und Kriegsveteranen, die sich jeden Nachmittag Punkt vier Uhr zum Tee trafen, um gepflegte britische Konversation zu betreiben. Keith gesellte sich eines Tages dazu, wobei er auf seinem khakifarbenen Arbeitskittel das soeben gefertigte Namenschild „Lance Bombardier Tripe“ präsentierte, zu Deutsch etwa „Gefreiter Bombardier Kutteln“. Dieser an sich harmlose Spaß löste einen solchen Tumult in der Behörde aus, dass Keith vor die Wahl gestellt wurde, sich bei den in ihrer Gesinnung und leidvollen Kriegserfahrung tief Getroffenen zu entschuldigen oder aber seinen Arbeitsplatz zu ­räumen. „Gut“, sagte Keith, „dann gehe ich.“

      In der intellektuellen Nachbetrachtung ist man natürlich geneigt, Keiths Affront, wie alle seine späteren öffentlichen Practical Jokes, als gezielte, bewusste Aktion gegen das verkrustete britische Establishment zu bewerten; aber das wäre sicherlich falsch. Keith provozierte, um sich zum Mittelpunkt des Geschehens zu machen, nicht um zu verändern oder um eine gesellschaftliche Konvention aufzubrechen. Institutionen, Autoritäten, Traditionen boten ihm einfach nur die beste Angriffsfläche, vor allem dank der aufgeladenen Atmosphäre der sechziger Jahre, die den wohl schärfsten und dank der Rockmusik auch lautesten Generationskonflikt seit langem zeitigte.­

      Mit Keiths Entlassung und der gescheiterten Deutschlandtournee bröckelte auch der Zusammenhalt der Strangers. Barry und Mike suchten nach Ersatz, um den Sprung über den Ärmelkanal doch noch zu schaffen, während Peter sich zunehmend für die Arbeit hinter den Kulissen zu interessieren begann. Er wurde später Konzertveranstalter und konnte dank seiner Beziehung zu Keith sogar ­einmal The Who in Sussex präsentieren. Mike schloss sich nach dem endgültigen Ende der Strangers der Band eines Freundes an, Sänger Reg King und The Boys, die sich bald in The Action umbenannten­ und die legendären Auftritte der Who im Marquee als Vor­gruppe­ begleiteten.

      Und Keith? Wieder einmal ohne Job, ohne Band, ohne Freunde? Hatte er nichts in der Hinterhand? Er hatte. Zuerst fand er eine Anstellung im Bauhof von Wembley Park, was zwar nicht als Aufstieg zu bewerten war und seinen Eltern sicherlich Sorgen bereitete, was ihm aber wenigstens etwas Geld einbrachte und ihn nicht vom eigentlichen Ziel ablenkte, als Schlagzeuger berühmt zu werden.

      Denn da gab es im November 1962 wieder einmal eine Anzeige im Melody Maker: Shane Fenton & The Fentones, die schon ein paar Nummern in den Top 50 platziert hatten, suchten einen neuen Drummer. Keith kannte die Band. Sie war im Fern­sehen aufgetreten, in schrillen pinkfarbenen Anzügen, wozu die drei Gitarristen auf schneeweißen Fender-Gitarren spielten; sie hatten einen Plattenvertrag, und ihre Songs wurden im Radio gespielt. Er war fest entschlossen, diesen Job zu kriegen, bedeutete er doch einen gut dotierten Platz auf einem der begehrtesten Schlagzeugschemel, der zu dieser Zeit in England frei war. Als Bandmitglied der Fentones verdiente man, so der Autor Alan Clayson, mindestens zwanzig Pfund pro Woche, damals etwa das doppelte Gehalt eines jungen Angestellten. Dem ursprünglichen Drummer der Band, Tony Hinchcliffe, war das offenbar nicht genug gewesen, oder ihm war zu langweilig geworden, denn er wollte lieber nach

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