Vagos, Mongols und Outlaws. Kerrie Droban

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Vagos, Mongols und Outlaws - Kerrie Droban

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für Prospects“ mitführen musste: Kondome, Tylenol gegen Schmerzen und Fieber, Nadel und Faden (für den Fall, dass ein Prospect sich einer anderen Gruppe anschloss und man ihm den Aufnäher entfernte), Tampons (um die Blutung einer Schusswunde zu stoppen), Schnürbänder, verschiedene Glühbirnen für das Bike und das Schmerzmittel Vicodin. Spoon bestellte sich dann noch Bier, und wir saßen bis in die Morgenstunden zusammen.

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      Bei Sonnenaufgang fuhr ich Terrible nach Hause. Erschöpft, aber emotional aufgewühlt, registrierte ich kaum noch, dass ich in drei Stunden bei Napa Auto Parts meinen regulären Job beginnen musste. Lizard und die anderen Biker fuhren in ihrem Wagen einige Meter vor uns. Plötzlich sah ich Bewegung auf dem Rücksitz. Lizard drehte sich schwerfällig auf der Rückbank, wackelte herum und hielt auf einmal seinen nackten Arsch durch das Fenster. Was zum Teufel macht der da? Von all den Mitglieder der Vagos, die ich bislang getroffen hatte, war Lizard der abgefuckteste, ein Typ, der in bizarren Sphären schwebte, für immer und ewig in einem LSD-Flashback steckte. In der „realen Welt“ wäre er wahrscheinlich in die Klapse gebracht, offiziell für „nicht zurechnungsfähig“ erklärt und mit Medikamenten abgefüllt worden, doch die Vagos stuften ihn lediglich als einen „Exzentriker“ und in keinster Weise als Psychopathen ein. Sie hätten nicht im Traum daran gedacht, ihn wegen des Alters oder einer psychischen Krankheit auszuschließen. Ich lernte schnell, dass es unter Gangstern verschiedene Stufen des Wahnsinns gab. Unter seinesgleichen präsentierte Lizard gemeinhin eine perfekte Fassade. Er wurde zu einem Teil der Dunkelheit, erkannte aber längst nicht mehr, was um ihn herum wirklich vor sich ging. Doch es war egal, dass er zu den verlorenen Seelen zählte – denn sie alle waren verloren. Es scherte niemanden, dass er psychisch krank war, denn alle Biker waren mehr oder weniger durchgeknallt. Er war eine Missgeburt unter Missgeburten. Und sie alle versuchten eine gewisse Ordnung, wenn auch in pervertierter Form, in das Chaos ihres Lebens zu bringen.

      Terrible öffnete das Fenster. Der eisige Wind drang in den Wagen. Lizard beförderte etwas auf die Straße. Es landete mit einem Platschen auf dem Asphalt. Dicke Tropfen spitzten auf meine Windschutzscheibe – braun und flüssig wie …

      „Scheiße!“ Terrible hielt sich Mund und Nase zu und kurbelte die Scheibe so schnell wie möglich hoch. „Diese Drecksau hat ’nen Dünnen und uns voll angeschissen!“ Ich brauchte einen Moment, um Terribles Statement zu verstehen. Das Ganze war nicht verrückt oder exzentrisch, sondern auf eine bestimmte Art und Weise ein Abbild der Realität, denn wir saßen alle in der Scheiße – und machten uns gegenseitig fertig.

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      Zu Hause angekommen, ließ ich mich ins Bett fallen und steckte mir die Ohrstöpsel rein. Wie sich herausgestellt hatte, war es viel zu anstrengend gewesen, drei oder vier Mal die Woche die 40 Meilen von Upland nach Victorville zu düsen, um mit den Vagos abzuhängen. Deshalb hatte ich mir ein billiges Apartment in der Altstadt von Victorville gemietet, in einem überwiegend von Latinos bewohnten Viertel, nahe den Kaschemmen der Vagos. Ich war kaum eingeschlafen, als ich ein aggressives Klopfen an meiner mit einer Stahlplatte gesicherten Tür hörte. Vor nicht einmal zwei Monaten hatten mir Justizbeamte einen unerwarteten Besuch abgestattet. Von da an wurde ich die Angst vor ungebetenen nächtlichen Gästen nicht mehr los.

      Irritiert schlug ich die Decke zurück und zog mir ein Hemd an. Hercules flitzte blitzschnell durch die Wohnung und bellte die Lichtkegel der Scheinwerfer an, die über eine Wand huschten. Ich warf einen Blick auf die Straße und erwartete den grellen Schein der Maglites-Stabtaschenlampen der Cops. Nichts. Plötzlich stand ich voll unter Strom. Ich tapste zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Die unheimliche Stille raubte mir noch den Verstand.

      Als ich mich wieder ins Bett legte, winselte Hercules. Ich konnte nicht mehr einschlafen. Dort draußen war etwas – ich sah es nur nicht! Während der nächsten zwei Stunden hörte ich nur das Pochen meines Herzens. Der Wecker klingelte um halb sieben. Ich streifte mir die Malocherklamotten über und öffnete die Tür. Uniformierte Beamte standen auf der Straße. Ein Officer kniete auf dem Asphalt und zeichnete Kreidekreise um Blutflecke.

      „Was ist hier passiert?“, presste ich zwischen den Lippen hervor. Gleichzeitig fühlte ich mich erleichtert. Das hatte also nichts mit mir zu tun. Ich gehörte jetzt zu den „guten Jungs“, ein merkwürdiges Gefühl, wenn man so viele Jahre als Krimineller gelebt hatte.

      „Das können Sie mir ja verraten“, erwiderte der Cop voller Sarkasmus.

      „Ich habe nichts gesehen.“ Ich spürte sofort, dass er mir nicht glaubte.

      „Natürlich haben Sie nichts gesehen.“ Der Beamte zeigte auf Dellen in meiner Eingangstür. „Irgendein Typ hat ein paar Kugeln in den Arsch gekriegt.“

      Jetzt wurde mir alles klar! Was ich als Klopfen interpretiert hatte, waren in Wirklichkeit Schüsse gewesen!

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      Mein erster Monat als Prospect unterschied sich nicht grundlegend von den wenigen Wochen als Abhänger. Die einzige Ausnahme war, dass ich ständig zur Verfügung stehen musste. Es wurde immer schwieriger, zwischen der Welt der Vagos und dem regulären Job hin- und herzupendeln. Die Wörter „Nein“, „Auszeit“ und die Antwort „In einer Minute“ existierten bei den Vagos nicht. Als Rhinos Sklave besorgte ich ihm Lotterielose und Tacos (und das teilweise zwei oder drei Mal am Tag). Wenn ich um zwei Uhr morgens am anderen Ende der Stadt angekommen war und schon bestellte hatte, änderte er oft noch seine Wünsche. Er wollte dann Tacos ohne Salsa, Burritos ohne schwarze Bohnen und so weiter. Ohne zu murren, nahm ich seine neuen Wünsche entgegen.

      Ich büßte meinen Namen ein, hörte nur noch auf „Prospect“ und wischte Hundescheiße von Twists Wohnzimmerboden. Ich drückte die Wut runter, wenn man mir befahl, eine angebissene Pizza zu verdrücken und die Bikes wieder und wieder zu putzen. Wenn es denen nicht passte, musste ich eben von vorne anfangen. Ich beobachtete Rhino, wie er aus seiner durch Drogen verursachten Starre aufwachte und gleich wieder wegnickte, und lehnte mich völlig erschöpft und ausgelaugt gegen die Wand, direkt neben den AK-47.

      Wenn ich mit den anderen die abendliche Kneipentour hinter mich gebracht hatte, berichtete ich Koz von den Waffen und den Drogen, den Kampfanzügen, den Schlagringen und einer Zielscheibe, die einen Mann in Kapuzenanzug zeigte. Rhino hatte das Ding mit einem Seil um den „Hals“ an seiner Badezimmertür angebracht. Eines Nachmittags rief mich überraschend Twist an und erzählte mir von einem unerwarteten Besuch des Deputy-Sheriffs aus San Bernardino, der Rhino sprechen wolle.

      „Der Typ suchte einen gewissen Dominic, einen mexikanischen Drogendealer, weil der sich nicht an Bewährungsauflagen gehalten hat. Rhino sagte ihm, dass er nicht weiß, wo er steckt.“ Trotzdem drängte sich der Deputy ins Haus.

      „Das war bis unters Dach voll – Gewehre, Dope, Messer … der Kerl riet uns, den Scheiß wegzuräumen. Jemand wolle uns auf die Pelle rücken.“

      Was ich nicht wusste – das ATF plante eine Razzia in Rhinos Haus. Korruption bei der Polizei war für mich nichts Neues. Trotzdem verstand ich nie, warum altgediente Deputys Kriminelle freiwillig informierten, ja sich sogar mit ihnen abgaben. Kriminelle, die sie eigentlich verhaften sollten! Die Grenze zwischen Gut und Böse hatte sich aufgelöst, war verschwommen und nicht mehr klar auszumachen. Abgesehen von der Unterstützung durch windige Cops konnten die Vagos auf Maulwürfe bei der

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