Große Errungenschaften der Antike. Holger Sonnabend
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Kanalbau bei den Römern
Seine Blütezeit erlebte der antike Kanalbau unter den Römern. Für diese war die Anlage von künstlichen Wasserstraßen ebenso wie der Bau von Straßen oder Brücken ein Mittel zur Beherrschung eroberter Räume, ein Element der wirtschaftlichen Belebung und nicht zuletzt auch der Beschäftigung von Soldaten, bei denen man befürchten musste, dass sie in friedlichen Zeiten keine sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten für ihre überschüssigen Energien hatten (und dann vielleicht in Aufruhr und Rebellion ihr Heil suchen würden).
Ein früher römischer Kanalbau-Pionier war der als Besieger von Kimbern und Teutonen zu Ruhm und Ehre gelangte Gaius Marius (158–86 v. Chr.). In Südfrankreich legte er 104 v. Chr. bei dem heutigen Arles (dem antiken Arelate) einen Kanal an, der die Mündungen der Rhône mit dem Mittelmeer verband. Das war notwendig geworden, weil das Delta der Rhône durch Schlammmassen so verstopft war, dass die römischen Proviantschiffe kaum mehr hindurchkamen. »Marius«, so berichtet der griechische Biograph Plutarch, »ließ daher durch seine Armee, die gerade nichts zu tun hatte, einen großen Kanal graben, leitete in diesen einen großen Teil des Flusses und führte ihn bis zu einem günstigen Platz an der Küste herum, wodurch er einen breiten Ausfluss ins Meer bekam, der gegen Wind und Wellen geschützt war und große Schiffe tragen konnte«. Nach seinem verdienstvollen Erbauer wurde der Kanal fossa Mariana genannt – römische Politiker und Feldherrn taten gern Gutes, noch lieber aber sahen sie es, wenn ihre Leistungen auch hinreichend gewürdigt wurden. Dankbar waren auf jeden Fall auch die Bewohner von Arelate – ihre Stadt nahm durch den Kanal des Marius einen grandiosen wirtschaftlichen Aufschwung.
Die römische Kaiserzeit
In der frühen Kaiserzeit bauten die Römer eine Reihe von Kanälen vor allem im gallisch-germanischen Raum, dies im Zusammenhang mit der militärischen Erschließung jener Gebiete. 12 v. Chr. errichtete der römische Feldherr Drusus (der Vater des späteren Kaisers Claudius) ein System von Kanälen, die den Niederrhein mit der Nordsee (wahrscheinlich mit der Zuidersee) verbanden – in den Worten des Biographen Sueton ein »gewaltiges Unternehmen« und nach der von Marius begründeten Praxis als fossae Drusinae bezeichnet. 46 n. Chr. baute der Feldherr Corbulo die fossa Corbulonis zwischen der Maas und dem Rhein, ein Kanal von etwa 36 Kilometern Länge. Nach den Angaben der antiken Autoren stand hinter diesem Projekt ein ganzes Bündel von Motiven. Einmal gab es den praktischen Grund, daß man auf diese Weise bequem von einem Fluß auf den anderen überwechseln konnte, ohne die gefährliche Route über die rauhe Nordsee in Anspruch nehmen zu müssen. Zweitens wollte Corbulo die durch die Fluten der Nordsee regelmäßig eintretenden Überschwemmungen beider Flüsse eindämmen. Und schließlich ging es wieder einmal darum, die Soldaten zu beschäftigen – wie der Historiker Tacitus es ausdrückt, sollte die Armee beim Kanalbau ihr »faules Leben« aufgeben.
Missglückte Unternehmen
Der römische Kanalbau war freilich nicht eine einzige Erfolgsgeschichte. Vieles, was man geplant hatte, konnte nicht realisiert werden, und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Einmal, in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., wollte ein Provinz-Statthalter einen Kanal zwischen Mosel und Saône bauen. Dieser hätte die Kommunikationsverhältnisse verbessert, eine direkte Verbindung zwischen Nordsee und Mittelmeer hergestellt und zugleich eine Alternative zu den beschwerlichen und kostspieligen Landwegen angeboten. Doch ein Statthalterkollege war eifersüchtig auf den potentiellen Ruhm des Kanalbauers und schaffte es mit allerlei Intrigen, dass das Projekt zu den Akten gelegt werden musste.
Ein grandioses Projekt in Italien
Kaiser Nero (54–68 n. Chr.), für den Geltungssucht kein Fremdwort war, wollte als der größte Kanalbauer aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Unglücklicherweise sind beide Projekte, die er in Angriff nahm, gescheitert. So hat Nero zwar den angestrebten Platz im ewigen Buch des Kanalbaus bekommen – doch in einer ganz anderen Weise, als er es sich erhofft hatte.
Das erste Unternehmen war eine Wasserstraße in Italien, als Verbindung zwischen dem Averner See und der Hafenstadt Ostia. Der Averner See in Kampanien, in der Nähe des mondänen Badeortes Baiae gelegen, galt, weil er besonders tief war, den Römern als der Zugang zur Unterwelt. So sollen hier, wie der Mythos wissen wollte, Odysseus und Aeneas ihren Besuch in der Totenwelt angetreten haben. Agrippa, der unentbehrliche Helfer des Kaisers Augustus, hatte hier im Jahre 37 v. Chr. – unbeeindruckt von den furchterregenden Sagen – einen Hafen angelegt. Ostia, an der Mündung des Tiber, war seit Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) der Haupthafen der Stadt Rom. Hier trafen aus Sizilien, Ägypten und der Kyrenaika die für die Versorgung der Stadt lebenswichtigen Getreidelieferungen ein. Freilich war die Küste zwischen Baiae und Ostia ein gefährliches Terrain: Viele Schiffe hatten schon vor dem Unbill der Witterung kapitulieren müssen. Hier wollte Nero nun mit dem Bau eines Kanals Abhilfe schaffen. Das war an sich kein unvernünftiger Plan, nur musste es bei Nero eben immer sehr extravagant abgehen. Die Länge des Kanals sollte fast 200 Kilometer betragen. Außerdem sollte er so breit sein, dass sogar die größten Schiffe, die Fünfruderer, aneinander vorbeifahren könnten. Auch war das Gelände nicht besonders geeignet für einen Kanal. Dies hat insbesondere der Historiker Tacitus moniert, wahrlich kein Freund des Kaisers, aber eben auch ausgestattet mit einem Sinn für das Machbare. Es ging an einer kargen Küste entlang und quer durch dazwischenliegende Berge. Und wo sollte das Wasser für einen so großen Kanal herkommen? Nur die malariagefährdeten Pomptinischen Sümpfe südlich von Rom boten genügend feuchten Grund für die Bereitstellung von Wasser. »Alles übrige Land«, konstatiert Tacitus, »ist felsig oder sandig, und wenn man den Durchstich überhaupt fertiggebracht hätte, dann nur mit unsäglicher Mühe und ohne rechten Sinn.« Dennoch machte sich Nero ans Werk, zog sogar inhaftierte Verbrecher als Zwangsarbeiter heran, scheiterte aber schließlich an den Gegebenheiten der Landschaft.
Dauerthema Isthmos von Korinth
Davon unbeeindruckt, versuchte sich Nero auch an einer der größten technischen Herausforderungen, die der antike Kanalbau zu bieten hatte: an der Durchstechung des Isthmos von Korinth in Griechenland. Dieser Isthmos trennte in der Antike den Korinthischen Golf im Westen vom Saronischen Golf im Osten. Geographisch trennte der Isthmos die Peloponnes vom griechischen Festland. Vor Nero hatte es schon mehrere Versuche gegeben, hier einen Kanal zu bauen. Für die Schifffahrt wäre dies zweifellos von großem Vorteil gewesen: Es hätte sich eine bedeutende Verkürzung des Weges zwischen dem Ionischen Meer und der Ägäis ergeben, indem den Seeleuten die übliche Route um das sehr stürmische Kap Malea an der Südspitze der Peloponnes erspart geblieben wäre. Die Zeitersparnis hätte immerhin acht bis zehn Tage betragen.
Als erster hatte zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. der Tyrann von Korinth, Periandros, den Durchstich versucht. Da das Unternehmen misslang, richtete er den sogenannten Diolkos ein, eine Art von Ersatzkanal, eine gepflasterte Schleifbahn, auf der die Schiffe mit einer Spannbreite von 1,5 Metern mühsam zu Land über den Isthmos gezogen werden konnten. Einen weiteren Anlauf unternahm um 300 v. Chr. einer der Epigonen Alexanders des Großen, der Makedonenkönig Demetrios, dessen Beiname Poliorketes (»Städtebelagerer«) eindrucksvoll anzeigt, wo seine primären Qualitäten angesiedelt waren. Demetrios stellte die Bemühungen aufgrund einer bemerkenswerten wissenschaftlichen Expertise ein: Ingenieure hatten festgestellt, dass der Meeresspiegel im Korinthischen Golf höher sei als der im Saronischen Golf. Bei einem Durchstich des Isthmos sei zu befürchten, dass die Insel Aegina und deren Nachbarinseln von den Wassermassen überschwemmt und zerstört werden würden. Dafür, dass derlei Besorgnisse bei der Anlage von Kanälen eine wichtige Rolle spielten, gibt es aus der Antike im Übrigen noch mehr Belege. So schrieb zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Plinius, der Statthalter der römischen Provinz Bithynia et Pontus an der Südküste des Schwarzen Meeres,