Große Errungenschaften der Antike. Holger Sonnabend

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Große Errungenschaften der Antike - Holger Sonnabend

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daher als Direktempfänger der Laudatio des Herodot aus. Aber schon zu Lebzeiten dürfte er stolz darauf gewesen sein, was er aus der beschaulichen Insel vor der Küste Kleinasiens gemacht hatte. Nicht umsonst lässt ihn Friedrich Schiller in seiner bekannten Ballade vom »Ring des Polykrates« auf seines Daches Zinnen stehen und voller Wohlgefallen auf das beherrschte Samos herabblicken – in Gegenwart des ebenfalls höchst beeindruckten Amasis, des Königs von Ägypten.

       Der Ring des Polykrates

      Freilich gibt die Moral der Ring-Geschichte zu denken, hat sogar etwas Bedrohliches: Wer zu viel Glück hat, wird irgendwann dafür bestraft. Geborgt hat sich Schiller das Motiv bei Herodot, den das Schicksal des Tyrannen offenbar sehr beschäftigt hat. In seiner Erzählung ist Amasis nicht nur beeindruckt, sondern auch besorgt. Was war Polykrates in seinem Leben nicht alles geglückt: Erfolgreich hatte er die internen Rivalen um die Herrschaft ausgeschaltet, Samos zu einer Seemacht werden lassen, für Reichtum und Wohlstand gesorgt, kulturellen Glanz verbreitet und schließlich die von Herodot bewunderten Bauwerke in Auftrag gegeben. In einem Brief warnt Amasis den Freund: »Mir gefällt dein großes Glück ganz und gar nicht, denn ich weiß, dass die Götter neidisch sind.« Besser sei ein Leben mit all den Wechselfällen, die das Schicksal für die Normalmenschen bereitzuhalten pflegt. Und dann gibt er einen praktischen Ratschlag als Therapie gegen die trügerische Überdosis an Glück: Polykrates solle sich am besten von jenem Gegenstand trennen, dessen Verlust ihn am meisten schmerzen würde.

      Der Tyrann entscheidet sich für einen wertvollen Siegelring. Er lässt sich weit aufs Meer hinausfahren und wirft ihn in die Fluten. Ein paar Tage später erscheint ein Fischer im Palast, um dem gegen sein Glück kämpfenden Polykrates einen wunderschönen Fisch zu überreichen, den er gerade gefangen hat. Diener schneiden den Fisch auf und finden in ihm den besagten Ring, der auf diese merkwürdige Weise wieder in den Besitz des Tyrannen gelangt. Er schreibt einen Brief an Amasis, erzählt ihm von dem Vorfall. Dieser ist aufs Höchste alarmiert: Jetzt findet Polykrates sogar das wieder, was er weggeworfen hat. Das kann kein gutes Ende nehmen, und um später nicht um den so gefährlich Beglückten trauern zu müssen, kündigt er ihm die Freundschaft auf.

       Das traurige Ende eines Tyrannen

      Die besten Geschichten haben meistens den Fehler, dass sie nicht wahr sind. Die Parabel vom Ring sollte letztlich nur eine Erklärung für das historische Faktum liefern, dass das Bündnis zwischen Samos und Ägypten bald in die Brüche ging und Polykrates dem persischen König Kambyses bei der Eroberung Ägyptens half. Doch mit seinem Glück war es jetzt tatsächlich vorbei. Die Perser zeigten sich wenig dankbar, lockten Polykrates in einen Hinterhalt auf dem kleinasiatischen Festland, töteten ihn und schlugen seine Leiche ans Kreuz.

       Fundort Pythagorion

      Wer sich heute auf die Spurensuche nach dem antiken Samos macht, fährt in eine Stadt an der Südküste der Insel, die seit 1955 Pythagorion heißt – eine späte Reverenz an den großen antiken Philosophen und Mathematiker Pythagoras, der hier um 575 v. Chr. geboren wurde und später, wegen des tyrannischen Regimes des Polykrates, seine Heimat in Richtung Kroton in Süditalien verließ. An dieser Stelle lagen die antike Inselhauptstadt Samos und die Residenz des Polykrates. Von dem einst so stolzen Hera-Tempel ist nur noch eine einzige Säule zu sehen. Dagegen ist der moderne Hafen viel kleiner als sein antiker Vorgänger, steht aber immer noch auf den alten Fundamenten. Am besten erhalten und erforscht ist das dritte der »gewaltigen Bauwerke«, der Tunnel des Eupalinos, ein Meisterwerk der Technik und der Ingenieurkunst.

       Der Tunnel des Eupalinos

      Über Eupalinos selbst ist so gut wie nichts bekannt. Man weiß nur, dass er aus Megara stammte und dass sein Vater Naustrophos hieß. In seiner Zeit aber muss er eine Berühmtheit gewesen sein, denn Polykrates engagierte ihn für ein äußerst kühnes Unternehmen. Im Prinzip ging es darum, die Stadt Samos mit Wasser zu versorgen – vor allem für den Fall einer Belagerung von außen. Das Problem war allerdings, dass die Quelle weit außerhalb der Stadt lag und, was die Sache noch schwieriger machte, dass sich dazwischen ein Berg befand. Der Ingenieur Eupalinos aber stellte sich dieser Aufgabe und löste sie, bis auf einige kleine Schönheitsfehler, mit Bravour.

      Nach Abschluss der Arbeiten, die mehr als zehn Jahre in Anspruch genommen haben sollen, konnte der damals noch glückliche Polykrates, wenn er wieder einmal auf seines Daches Zinnen stand, wohlgefällig auf eine in der damaligen griechischen Welt einzigartige Anlage blicken (jedenfalls auf die Teile, die sichtbar waren). Zunächst hatte Eupalinos das Wasser der Quelle, die hoch in den samischen Bergen lag, in einem abgedeckten Reservoir gestaut. Ein ebenfalls gedeckter Leitungskanal von etwa 850 Metern Länge führte das Wasser dann, dem natürlichen Gefälle folgend, zu dem der Stadt Samos vorgelagerten Berg. Und hier vollbrachte Eupalinos nun sein Meisterstück: Quer durch den Berg legte er, über eine Länge von 1036 Metern, einen Tunnel – und dies, wie es scheint, mit relativ einfachen technischen Hilfsmitteln. Konstruiert wurde er im sogenannten Gegenortverfahren, das heißt, die Arbeiter begannen gleichzeitig an der Nord- und an der Südseite des Berges mit den Bohrungen. Das Verfahren ist nicht ganz ohne Risiko: Alles hängt davon ab, dass man dann, möglichst in der Mitte, auch zusammenkommt. Bei Eupalinos hat das fast funktioniert. Am geplanten Treffpunkt lag die Decke des südlichen Stollens gerade einmal einen Meter unter dem Boden der nördlichen Trasse und dazu auch noch ein paar Meter weiter westlich. Doch diese geringfügigen Abweichungen konnten nachträglich korrigiert werden. Die Höhe des Stollens betrug (wie übrigens auch die Breite) knapp zwei Meter, so dass, in Anbetracht der im Vergleich zu heute geringeren Körpergröße des antiken Menschen, man bequem durch den Berg spazieren konnte. Von diesem Hauptstollen separiert war die eigentliche Wasserleitung mit einem durchschnittlichen künstlichen Gefälle von 0,36 % An der Stadtseite des Berges mündete der Kanal in eine wiederum komplett gedeckte Zuleitung von 620 Metern Länge, die das Wasser direkt in eine Zisterne in der Nähe des Theaters von Samos führte.

       Ein Vorläufer in Jerusalem

      Ob sich Eupalinos jemals in Jerusalem aufgehalten hat, ist nicht bekannt. Die Wahrscheinlichkeit ist aber nicht sehr groß. Und so dürfte er auch nicht jenen Tunnel gekannt haben, den fast 200 Jahre zuvor der judäische König Hiskia (725–697 v. Chr.) in der Stadt Davids und Salomos hatte anlegen lassen und der, wenn schon nicht als Vorbild, so doch als Vorläufer des Eupalinos-Tunnels gelten kann. Jerusalem befand sich damals in einer misslichen Lage. Hiskia hatte sich mit dem Reich der Assyrer überworfen. Es war zu befürchten, dass sich die zu diesem Zeitpunkt führende Militärmacht des Ostens eine solche Provokation nicht gefallen lassen würde. Also traf Hiskia umfassende Vorbereitungen zur Abwehr einer zu erwartenden Belagerung. Ein Schwachpunkt im Verteidigungssystem war die Wasserversorgung: Die Quelle lag weit außerhalb der Stadtmauern.

      Dieses Schreckens-Szenario veranlasste Hiskia und seine Ingenieure zur Konstruktion des berühmten Siloah-Tunnels (benannt nach dem Abfluss der im Osten des Burgberges gelegenen Gihon-Quelle). So wie später Eupalinos auf Samos entschlossen sie sich dazu, die Wasserleitung direkt durch den Burgberg in die Stadt zu legen. Und das mutige Unternehmen gelang: Über eine Strecke von 533 Metern kam das Wasser nun direkt und sicher nach Jerusalem. Im Gegensatz zum Eupalinos-Tunnel verlief der Hiskia-Tunnel nicht geradlinig, sondern kämpfte sich in vielen Windungen durch den Berg. Für dieses Phänomen haben die Archäologen bis heute keine vernünftige Erklärung gefunden. Sicher ist dagegen, dass auch der Siloah im Gegenortverfahren angelegt wurde. Von beiden Seiten arbeiteten sich die Bohrtrupps aufeinander zu. Auch hier stellte sich die bange Frage, ob das Zusammentreffen gelingen würde. Kurz vor dem Treffpunkt wurden an beiden Seiten noch Richtungskorrekturen vorgenommen. Dann war es soweit: Knapp 300 Meter vom südlichen und 235 Meter vom nördlichen Eingang entfernt wurden die letzten Barrieren abgetragen und konnten sich die Arbeiter

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