Große Errungenschaften der Antike. Holger Sonnabend

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Große Errungenschaften der Antike - Holger Sonnabend

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er, wenn er von Baiae nach Neapel reiste, den Schiffsweg bevorzugt haben, obwohl er dabei regelmäßig seekrank wurde. Aber er wäre auch kein Stoiker gewesen, hätte er nicht dem neapolitanischen Abenteuer etwas Positives abgewonnen: »Die Dunkelheit hat mir etwas gegeben, worüber ich nachdenken musste: Ich habe einen starken seelischen Eindruck gespürt und ohne Furcht eine Veränderung, die die ungewohnte Lage und ihre Hässlichkeit hervorgerufen hatten.«

      BRÜCKENBAU

       Dareios I.

      Persischer Großkönig 522–486 v. Chr.

       Pionierleistung: Bau einer Schiffsbrücke über den Bosporus

      Neueste Forschungen haben ergeben, dass der Papst kein Brückenbauer sein muss. Offiziell wird der Oberhirte der katholischen Kirche mit dem lateinischen Wort Pontifex bezeichnet. Das ist insofern ganz korrekt, weil Pontifex nichts anderes bedeutet als »Priester«. Auch im antiken Rom hieß der Priester Pontifex. Schon römische Gelehrte machten sich Gedanken über die Etymologie dieses Wortes. Der Antiquar Varro dachte im 1. Jahrhundert v. Chr. an eine Zusammensetzung aus dem Substantiv pons »Brücke« und dem Verb facere »tun«, herstellen, bauen. Die modernen Sprachforscher sind sich aber inzwischen einig: pons bedeutet in diesem Kontext eben nicht »Brücke«, sondern »Weg«. Also ist der Pontifex der Weghersteller oder Wegbereiter. Wie in Rom aus einem Wegbereiter ein Priester werden konnte, weiß man allerdings immer noch nicht. Der Papst ist jedenfalls als Brückenbauer aus dem Schneider.

       Die Meister des Brückenbaus

      Dafür sind die antiken Römer tatsächlich ein Volk der Brückenbauer gewesen. Von ihnen stammen die imposanten, zum Teil heute noch erhaltenen Steinbrücken in allen Regionen des ehemaligen Imperium Romanum. Manche von ihnen werden, wie die Moselbrücke in Trier, sogar immer noch benutzt, und keiner, der eine Römerbrücke mit Bus oder PKW überquert, muss befürchten, dass diese Tat mit einem Einsturz bestraft wird. Auch nach 2000 Jahren sind römische Brücken stabil und zeugen auf diese Weise eindrucksvoll von der Ingenieurleistung der Erbauer.

       Brücken im Orient

      Die Römer waren die ungekrönten Meister des Brückenbaus, nicht aber dessen Erfinder. Die Suche nach den Anfängen technischer Innovation führt, wie so häufig, in das alte Ägypten und nach Mesopotamien. Auch die Ägypter kannten bereits Brücken aus Stein, verwendeten dieses Material aber vor allem deswegen, weil Holz im Nilland Mangelware war. Die älteste erhaltene Brücke geht auf den Pharao Chephren (Mitte 3. Jahrtausend v. Chr.) zurück, der sich in Ägypten auch durch eine der berühmten Pyramiden von Gizeh verewigt hat. In Mesopotamien fand eine Brücke über den Euphrat Bewunderung, die wahrscheinlich unter Nebukadnezar II. (605– 562 v. Chr.) entstand. Sie war 126 Meter lang, bis zu 15 Meter breit und stand auf acht Pfeilern in der Form eines Schiffsrumpfes. Und auch die frühen Griechen können mit einigen beachtlichen Brücken aufwarten. Aus mykenischer Zeit, das heißt also aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr., sind zahlreiche Brücken bekannt, die überwiegend in der sogenannten Kragsteintechnik konstruiert wurden: Die Steine wurden versetzt angelegt, so dass ein Steinblock jeweils etwas über den direkt darunter befindlichen herausragte. Diese Technik stellte einen gewissen Fortschritt gegenüber der Balkentechnik dar, die man als die historisch früheste Form ansehen kann. Dabei diente ein waagerecht verlegter Balken aus Holz oder Stein als Stützmaterial.

       Ein selbstbewusster Herrscher

      Einige der spektakulärsten Brücken der Antike wurden allerdings nicht für den dauerhaften Gebrauch gebaut. Sie dienten dem Zweck der einmaligen Überquerung eines Wasserweges. Meist war dies bei militärischen Unternehmungen der Fall, wenn es galt, ein großes Heer überzusetzen. Maßstäbe hat hier der persische Großkönig Dareios I. gesetzt. 522 v. Chr. wurde der Spross der ruhmreichen Familie der Achämeniden Herrscher über das große Perserreich. Wer heute in den Iran reist, kann sich in der Nähe des antiken Ekbatana, bei dem Berg Bisutun, vom Selbstverständnis dieses Monarchen überzeugen. Dort hat der König in eine 60 Meter hohe Felswand eine monumentale Inschrift samt Reliefs hauen lassen, die ihn als den über seine internen und externen Widersacher siegreichen Herrscher porträtieren. Die Inschrift wiederum dokumentiert in stolzen Worten die Einzigartigkeit des Dareios, seine Gerechtigkeit und seine Fähigkeiten als Krieger.

       Dareios und der Bosporus

      All diese Qualitäten waren wohl nicht fehl am Platz, als Dareios im Jahre 513 v. Chr. einen Feldzug gegen die Skythen startete, ein Nomadenvolk im südrussischen Raum. Das natürliche Hindernis, das sich ihm und seiner Armee entgegenstellte, war der Bosporus, jene schmale Meerenge zwischen dem Schwarzem Meer und dem Marmarameer. An seiner schmalsten Stelle ist der Bosporus (ein Name, den die Griechen als »Rinderfurt« deuteten) etwa 550 Meter breit. Das ist auf der Höhe der Festung Rumeli Hisar, die die Türken kurz vor der Eroberung von Konstantinopel 1453 errichteten, um die Kontrolle über die Meerenge zu gewinnen. An dieser Stelle wollte Dareios seine Armee auf das europäische Ufer übersetzen. Eine feste Brücke zu bauen, war aus einsichtigen Gründen nicht ratsam. Also entschloss sich der Perser, eine Schiffsbrücke anzulegen. Zu diesem Zweck wurden eine Anzahl von Schiffen nebeneinander verankert und eine Fahrbahn darüber gelegt. Auf diese Weise konnte das Heer des Dareios bequem über die Meerenge spazieren.

       Ein genialer Ingenieur

      Eine solche Pontonbrücke zu errichten, bedurfte großen technischen Sachverstands. Dareios hatte das Glück, in seinen Diensten den aus Samos stammenden griechischen Ingenieur Mandrokles zu haben. Ihm gebührt der eigentliche Ruhm bei der Konstruktion der legendär gewordenen Schiffsbrücke über den Bosporus. Jedoch trat, wie so häufig in der Geschichte, das Verdienst des Architekten hinter dem des Auftraggebers zurück. Dennoch kam Mandrokles nicht zu kurz. Dareios war, wie der griechische Historiker Herodot berichtet, »mit der Brücke sehr zufrieden« und stattete Mandrokles reich mit Geschenken aus. Und der patente Samier tat ein Übriges, um seinen Anteil am Gelingen des Unternehmens der Menschheit vor Augen zu führen. Von dem größten Teil der Gaben des Dareios ließ er ein Gemälde anfertigen, das den Marsch der Perser über die Brücke zeigte, wohlwollend beobachtet von einem am Ufer thronenden Dareios. Das Kunstwerk stiftete Mandrokles dem Heiligtum der Hera in seiner Heimat Samos. Dazu ließ er eine Inschrift anbringen, die in bilderreicher Sprache den Vorgang dokumentierte: »Mandrokles band den fischreichen Bosporus mit einer Brücke, zur Erinnerung an den Bau weihte er der Hera dieses Bild. Für sich selbst gewann er den Kranz, für die Samier Nachruhm, weil ihm das Werk nach dem Sinn des Königs Dareios gelang.«

       Die Schiffsbrücke des Xerxes

      Vom Heratempel auf Samos ist heute so gut wie nichts mehr erhalten. Demzufolge gibt es auch keine Spur mehr von dem Gemälde des Mandrokles. Einen sehr anschaulichen Eindruck von der technischen Vorgehensweise der Perser beim Bau einer Schiffsbrücke vermittelt aber ein Bericht Herodots über ein vergleichbares Unternehmen, das Dareios’ Nachfolger Xerxes im Jahre 480 v. Chr. in Angriff nahm. An der Spitze eines riesigen Invasionsheeres, mit dem er Griechenland in seine Gewalt bringen wollte, erreichte der Perserkönig, von Kleinasien kommend, die Dardanellen, die die Griechen Hellespont nannten. Für den Übergang wählte er die schmalste Stelle der Meerenge aus, bei der Stadt Abydos, wo der Hellespont aber immerhin auch noch etwa 1200 Meter breit ist. Zunächst stand das Unternehmen unter keinem guten Stern. Eine mühsam aufgebaute Schiffsbrücke wurde von einem Sturm zerstört.

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