Kubinke und die Killer: Kriminalroman. Alfred Bekker
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Barkow nickte. „Ja, das verstehe ich.”
„Dann bis morgen.”
Boris Vitali ging zu seinem Wagen zurück. Er stieg ein und fuhr los. Die Reifen drehten durch. Boris Vitali hatte seine ganz eigene Art, einen Wagen zu starten. Er brauste mit vollkommen überhöhter Geschwindigkeit davon. Angesichts der kaum vorhandenen Beleuchtung auf dem ehemaligen Firmengelände, kam das einem Blindflug gleich. Aber Boris Vitali war dafür bekannt, dass er gerne Risiken einging. Auch solche, die völlig unnötig waren.
Barkow zündete sich eine zweite Zigarette an. Man konnte kaum noch irgendwo in der Öffentlichkeit rauchen. Hier draußen hinderte ihn niemand daran.
Diese paar Augenblicke gönne ich mir, dachte er.
Sein Vorgesetzter war um diese Zeit ohnehin nicht mehr im Büro. Die Angelegenheit mit Boris Vitali konnte er daher sowieso erst Morgen mit ihm besprechen.
Eine Gestalt schälte sich als dunkler Schattenriss aus der Dunkelheit zwischen den Lagerhäusern. Der Schatten musste dort schon die ganze Zeit gewartet haben.
Ein Zeuge war nun wirklich das Letzte, was Pascal Barkow in Bezug auf ein Treffen mit Boris Vitali gebrauchen konnte.
„Wer ist da?”, fragte er.
„Kommissar Pascal Barkow, Kripo Frankfurt?”, fragte eine Männerstimme.
„Was soll das? Was wollen Sie von mir?”
Barkow hatte keine Chance, seine Dienstwaffe zu erreichen. Ein Mündungsfeuer blitzte in der Dunkelheit blutrot auf. Zweimal kurz hintereinander. Es gab kein Schussgeräusch. Nur einen Laut, der wie ein leichter Schlag mit einer zusammengerollten Zeitung klang.
Es war eine Waffe mit Schalldämpfer.
Die Schüsse trafen Barkow in der Herzgegend. Zwei Einschüsse, sehr dicht nebeneinander. Er fiel um wie ein gefällter Baum und blieb regungslos liegen. Seine Hand griff noch zur Brust. Das Blut sickerte zwischen den Fingern hindurch.
Der Mann mit der Schalldämpfer-Waffe trat in aller Ruhe näher. Er beeilte sich nicht. Was zu erledigen war, war erledigt. Mit dem Fuß drehte er den Körper aus der Seiten- in die Rückenlage. Der Lichtkegel einer Taschenlampe blitzte auf und erfasste den Kopf. Der Killer zielte aus unmittelbarer Nähe auf die Stirn und drückte ab.
„Sicher ist sicher”, murmelte der Mann mit der Schalldämpfer-Waffe vor sich hin.
Aber da war er schon damit beschäftigt, den Schalldämpfer abzuschrauben, um die Waffe besser einstecken zu können.
4
„Der Schädel ist aufgespalten”, sagte Dr. Gerold M. Wildenbacher, der Gerichtsmediziner unseres Ermittlungsteams Erkennungsdienst. Rudi und ich befanden uns in einem der Sektionsräume der Bundesakademie in Quardenburg, Gerold erläuterte uns gerade anhand einer Leiche ein paar Fakten darüber, was zum Tod dieses Mannes geführt hatte.
„Schon mal was von Canoeing gehört?”, fuhr der hemdsärmelige Gerold in seinem unnachahmlichen bayerischen Akzent fort.
„Ich nehme an, das hat nichts mit irgendwelchen Freizeitaktivitäten in der kanadischen Wildnis zu tun”, sagte Rudi.
„In diesem Fall nicht. Wenn man jemandem, der am Boden liegt, einen Kopfschuss verpasst, spaltet das meistens den Schädel auf eine ganz bestimmte Weise. Das zugegebenermaßen etwas unappetitliche Ergebnis sehen Sie hier. Von der Form her erinnert es an ein Kanu. Daher die Bezeichnung Canoeing.”
„Ja, ich denke, wir verstehen, was Sie meinen”, sagte ich.
„Wenn jemand am Boden liegt, ist die Wirkung eines solchen Schusses eine andere, als wenn Sie vor jemandem stehen”, erklärte Gerold. „Letzteren Fall habe ich häufiger hier auf dem Tisch des Hauses. Jemand bekommt eine Kugel aus nächster Nähe in die Stirn. Dann ist die Eintrittswunde nicht sehr groß. Die größere Wunde entsteht dann am Hinterkopf. So etwas dürfte Ihnen ja vertraut sein ...”
„Gehört leider zu unserem Job”, sagte Rudi.
„Aber hier liegt der Fall anders. Wenn jemand auf dem Boden liegt, insbesondere auf dem Rücken, und jemand aus der Standhöhe auf die Stirn schießt, wird der Schädel auf diese Weise gespalten. Das hängt damit zusammen, dass der Untergrund in der Regel hart und für das Projektil undurchdringlich ist. Ein Betonboden zum Beispiel. Die Kugel kann nicht einfach aus dem Hinterkopf austreten. Die Kraft muss irgendwohin. Darum dieses erschreckende Ergebnis. Unser Fischkopp kann Ihnen die physikalischen Gesetze, die dazu führen, vielleicht bei Gelegenheit mal in aller Ausführlichkeit darlegen.”
Mit Fischkopp meinte Gerold seinen hamburgisch-stämmigen Kollegen Friedrich G. Förnheim, von uns allen meistens FGF genannt. Der hemdsärmelige Gerold machte sich über den allein schon wegen seines Akzents leicht etwas abgehoben wirkenden Naturwissenschaftler und Ballistiker immer gerne mal etwas lustig. Bezeichnungen wie Fischkopp musste Friedrich da schon mal über sich ergehen lassen. Allerdings wusste der Norddeutsche da auf seine Weise durchaus zu kontern.
„Wir stellen Ihre Untersuchungsergebnisse und die daraus abgeleiteten Hypothesen nicht in Frage, Gerold”, versicherte ich.
„FGF hat mir fast die Ohren abgequatscht, als er mir das erläutert hat”, meinte Gerold. „Eigentlich nicht richtig, dass Sie weniger leiden brauchen als ich.”
„Lassen Sie das FGF nicht hören!”, sagte ich.
„Das kann er ruhig wissen - und ich bin überzeugt davon, das weiß er auch. Aber da ist noch eine Sache, die ich jetzt beinahe vergessen hätte.”
„Und die wäre?”, fragte ich.
„Dieses Canoeing ist typisch für die Vorgehensweise von Einsatzkräften des KSK, etwa wenn die einen Terroristen ausschalten.”
„Also noch mal in den Kopf schießen, damit man sicher ist, dass der Betreffende tot ist”, fasste ich es zusammen.
„Eigentlich ist das eine unerwünschte Vorgehensweise, die sich aber bei den Scharfschützen immer mehr verbreitet hat, genauso wie das Sammeln von Souvenirs und Trophäen bei den Einsätzen.” Gerold deutete auf den Toten. „Ich bin kein liberales Weichei, aber so was ist widerlich. Soweit ich weiß, versucht man das einzudämmen, indem man die Einsätze umfassender per Video dokumentieren lässt.”
„Dann schließen Sie daraus, dass der Täter ein Soldat des KSK war”, stellte ich fest.