Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider

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Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider

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wie wenig an äußerlich erkennbarer Organisation dieser Kreis um Schnepel hatte: keine Mitgliedschaft, keine Mitgliedsbeiträge, keine Statuten, keine Übernahme von Verpflichtungen, die man hätte einfordern können, nur die Zugehörigkeit zu Jesus! »Geistliche Organisation« nennt Schnepel das. Lediglich anmelden musste sich, wer mitarbeiten wollte. Und da infolge der Inflation die Berliner Stadtmission, deren Teil der Schnepel-Kreis blieb, in akuten Geldnöten war, verzichteten die Mitarbeitenden auf jedes feste Gehalt und lebten von den Gaben, die sie da und dort bekamen.

      Auch in die Dörfer der Mark Brandenburg scherten Schnepels Missionstrupps aus, um auf Landstraßen, Plätzen und in Gasthäusern zu missionieren. Nicht immer zur puren Freude der Ortspfarrer, die für ihre Gemeinden Unruhe befürchteten.

      Schnepel schreibt, es sei auch mancher Vikar zu ihnen gekommen. »Auch Paul Schneider, der spätere Märtyrer im Konzentrationslager Buchenwald im Dritten Reich, war in jenen Jahren in unserer Mitte. Er kam zusammen mit einem anderen westfälischen Kandidaten, um praktische Missionsarbeit kennenzulernen. Sie … waren uns liebe Mitarbeiter und Freunde. Paul Schneider war ein so stiller, liebenswerter Mensch, dass ich mir später gar nicht vorstellen konnte, wie es ihm möglich war, in dem KZ Buchenwald in einer so unerhörten Weise seine Kameraden zu stärken.«68

      Das deckt sich mit dem, was mir Schnepel im Jahr 1960 berichtet hat: In keiner Weise habe P. S. erkennen lassen, dass er das Zeug zum Prediger habe. In den Berliner Hinterhöfen habe er mit den Leuten geredet, zu den Veranstaltungen eingeladen. Den Suchtkranken habe er beigestanden. Still und bescheiden habe er geholfen, wo es am nötigsten war.

      Liest man P. S.s Briefe aus Berlin an die Schwiegermutter genau, so spürt man, dass die erweckliche Art des Schnepel-Kreises ihn zunächst in Schwierigkeiten gestürzt hat. Etwa, wenn er am 9. Februar 1924 schreibt, dass er »lange wie unter einem Bann gelegen und die Freudigkeit zum Zeugen fast verloren« habe. Später seien ihm dann wieder »Mut und Freudigkeit von oben« geschenkt worden.

      Bald hatte er Anlass, die Berliner Arbeit gegenüber dem kritischen Schwiegervater Karl Dieterich – und gewiss auch seinem eigenen Vater – zu verteidigen: »Lieber Vater, Du nennst unsere Arbeit etwas boshaft ›kirchliche Heilsarmee‹, die ist aber, wie ich immer mehr habe einsehen lernen, die einzig mögliche Art, wie sich wirkliches Leben aus Christo ausbreiten und entfalten kann, und zwar, das ist offen auszusprechen, im Gegensatz zur bestehenden Kirchlichkeit und Namenschristentum; und dies nicht nur in der Stadt. Deshalb ist Pastor Schnepel frech genug mit seinem Missions- und Erweckungstrupp auch hin und her in die Dörfer der Mark eingebrochen, wo freilich vielfach von Kirchlichkeit nicht mehr viel einzureißen ist. Ich freue mich von Herzen, dem Zug meines Herzens nach Berlin gefolgt zu sein; wie der Herr mir hier noch sehr viel zu sagen hatte, so weiß ich, dass auch vorläufig weiterhin mein Platz hier sein wird, im Lernen und in der Arbeit.«

      Gegen den Vorwurf der Enge nimmt er Schnepels Stadtmission in Schutz: »Diese unsere Arbeit ist aber gar nicht eng und einseitig, sondern so beweglich und vielgestaltig und der Individualität Raum lassend, dass alle Gaben in der Ausbreitung des Reiches Gottes zu ihrem Recht kommen, viel mehr als unter den gebundenen, ordnungsgemäßen Formen der Kirche. Wir haben keine andere Form und keine andere Organisation als Jesus selbst, auch nicht die Gemeinschaft, auch nicht die Stadtmission, und freuen uns über diese köstliche Freiheit, die uns in unserer Arbeit umso enger an den Meister selbst bindet.«

      Auch Gretel war über Pauls Berichte aus Berlin irritiert. Vor allem darüber, dass er sie dazu bewegen wollte, in die »fromme« Bibelschule »Malche« zu gehen. Von einem »leisen Schatten, der sich zwischen uns zu stellen scheint«, schreibt P. S. im Brief an die Mutter Dieterich am 25. März 1924. Ihr gegenüber erklärt er auch die »Sonderstellung«, in die der Schnepel-Kreis durch die Finanznot der Stadtmission hineingeraten sei. Sie finde »in einer unbefangeneren und freieren Einstellung zur Kirche ihren Ausdruck«. Christus baue das Gottesreich ja ebenfalls außerhalb der Kirchenmauern. »Ich glaube, dass dieser Bau weitergehen würde, auch wenn die Volks- und Landeskirche einmal versagte.«

      P. S. verschweigt auch nicht, dass sie in ihrer Missionsarbeit gar keine Beziehungen zu den Kirchen suchen würden. Solche würden nur »unnötige Erschwerung und Hindernis« sein. Auch berichtet er im Blick auf die »Dorfmission« von »Auseinandersetzungen mit Pastoren, die die Evangelisation als Einbruch in ihre Parochie69 ansehen«. Er meint aber, aufgrund der Entchristlichung der Dörfer, die über kurz oder lang auch das »liebe Schwabenländle« erreichen werde, könnten die organisierten Landeskirchen die Herausforderung, die durch die veränderte Lage gegeben sei, nicht bestehen. Er sucht das innere Einverständnis mit dem Weilheimer Pfarrhaus: »Nicht wahr, Mutter, darüber sind wir uns gewiss einig, dass die Kirche uns nicht das Erste sein darf, sondern das Reich Gottes, und dass beide nicht identisch sind. Und letzten Endes ist doch nicht die Kirche unsere Mutter, wie die Katholiken lehren, sondern die Gemeinde Jesu. Liebe Mutter, ich bin Dir in der Liebe zur Kirche vielleicht ähnlicher, als Du denkst, darum machen mir diese Fragen Not, und Deine Mahnung legte sich mir schwer auf die Seele. Aber das kann ich nicht, für die Kirche als das Bleibende eintreten, denn der Gang des Reiches Gottes und das Wachstum der Gemeinde Jesu sprengt die Fesseln der Kirche und ihre Grenzen.«

      Im Weilheimer Pfarrhaus scheint man sich Sorgen gemacht zu haben, ob der Verlobte Gretels jetzt, da er so umwerfende Erfahrungen mache, noch an Gretel festhalten werde. P. S. schreibt dazu: »Ja, Mutter, für Gretel ist noch Raum in meinem Herzen. Ich bleibe ihr treu als der, die mir Gott … zugeführt hat. Dass sie den Herrn Jesus sucht und lieb hat, weiß ich. Wir sind uns innerlich nicht ferner, sondern näher gerückt … Ich weiß, dass ich keine liebere Frau finden konnte. Alles andere lege ich nun in Gottes Hand und warte auf die Stunde, die er uns bestimmt hat.« Er bittet die Schwiegereltern »weiterhin um das Vertrauen, das Ihr mir bisher so unverdient geschenkt habt, nicht um meinetwillen, sondern um des lebendigen Gottes willen, ich bitte auch dann darum, wann meine Wege Euch streckenweise dunkel und unverständlich sind.« Gretel ihrerseits blieb fest entschlossen, Paul zu heiraten. Wenn er in Berlin bleiben, nicht Pfarrer einer Kirche werden und kein festes Gehalt beziehen würde, dann wollte sie dort mit Nähen das nötige Geld für die Familie verdienen.

      Im Sommer 1924 kommt P. S. in Briefen an den »lieben Vater« Karl Dieterich wieder ausführlich auf sein Verhältnis zur Kirche zu sprechen. Verständlich, dass den Pfarrer von Weilheim, der in seiner Jugend selbst seine harte Krise mit der Landeskirche durchgemacht hatte, die Frage umtrieb, ob und wann aus dem Schwiegersohn ein landeskirchlicher Pfarrer werden würde. Paul Schneider schreibt ihm am 6. Juni 1924, am liebsten würde er mit ihm all sein persönliches Erleben und die Berliner Arbeit durchsprechen, um das nüchterne Urteil des Schwiegervaters über alles zu erfahren. Er sagt ihm aber deutlich: »So bald will mir der Herr nicht die Freudigkeit geben, Berlin zu verlassen und den Rückzug ins kirchliche Amt anzutreten.« Und: »Es mag ja sein, dass ich besonders schwer zu belehren bin oder einen besonderen Dickkopf habe. Jedenfalls spüre ich, dass die Berliner Luft mir sehr gut tut, dass ich auch mit all dem Neuen noch lange nicht fertig bin und noch manches lernen darf. Darüber hinaus fühle ich mich aber auch meiner Arbeit verpflichtet, die ich nun nicht mehr ohne Weiteres, ohne deutliche Weisung von oben, ohne innere Lösung von hier verlassen kann«. Er berichtet dem Schwiegervater, wie gut ihm die Unterstützung der Brüder tue: »Eins, was mich hier besonders freut, ist die Einmütigkeit im Geist. … oft empfand ich den Mangel an Geistesmacht drückend, wenn ich reden sollte, und freute mich dann herzlich der Mitarbeit von schlichten, unbegabten Brüdern. Aber manchmal schenkte mir Gott auch Freudigkeit, und kleine Lichtblicke bei Trinkern hat er mich auch schon sehen lassen, sodass ich im Ganzen doch den Eindruck, die Gewissheit habe, dass Gott sich zu meinem Dienst, der in aller Schwachheit getan wird, bekennt.«

      Offenbar hat der Vater Dieterich dem Schwiegersohn in seinem nächsten Brief besonderen Einblick gegeben in sein eigenes Verhältnis zur Kirche und in die Innenseite seines Dienstes als Dorfpfarrer. Dafür dankt ihm Paul Schneider im Brief vom 10. Juli 1924: »Ich verstehe auch deine Liebe zur Kirche, die ja doppelt so stark ist, wenn sie durch die Kritik hindurchgegangen ist und sie überdauert hat.

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