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Der selbstständige Beichtgottesdienst mit Beichtansprache, Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung, der in der Regel etwa drei Tage vor dem Abendmahl gefeiert wurde, sollte dem Abendmahlsgast die Gelegenheit geben, seine Lebenspraxis vor Gott selbstkritisch zu bedenken, eventuell auch mit Verfeindeten Frieden zu schließen, nach dem Wort Jesu: »… wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe« (Matthäus 5,23f). Die persönliche Anmeldung zum Abendmahl – sie geschah in vielen Gemeinden an einem bestimmten Abend in der Sakristei der Kirche – sollte dem Pfarrer Gelegenheit geben, dem sich Anmeldenden unter Umständen ein seelsorgerliches, etwa auch ein vermittelndes Gespräch anzubieten. P. S. vertrat die Auffassung, die Dietrich Bonhoeffer97 1937 in seinem Buch »Nachfolge« ausgeführt hat: »Billige«, d. h. folgenlose Gnade, Gnade als Schleuderware, Vergebung für Sünden, die man weder bereut noch künftig lassen will, ist »der Todfeind der Kirche«. »Teure« Gnade, die Jesus das Leben gekostet hat, verändert, wenn sie als kostbares Geschenk empfangen wird, das Leben dessen, der aus ihr lebt. P. S. mühte sich, der drohenden »Banalisierung« des Abendmahls entgegenzutreten.
Paul erstrebte eine Abendmahlsfeier inmitten der mitsingenden und betenden Gemeinde, die in kürzeren Abständen jeden rief und jeden anging, der sich rufen und dienen lassen wollte. Mit seinem Presbyterium98 kam er darüber nicht überein. Weihnachten 1933 schien ihm das Jugendabendmahl in der alten Form unmöglich zu sein; er setzte dafür ohne Beschluss des Presbyteriums99 beim letzten Adventswochengottesdienst ein Gemeindeabendmahl an. »An Weihnachten konnte ich nun nicht mehr wie nun 7 Jahre lang das Jugendabendmahl nach alter Sitte abkündigen und abhalten. Es war nachgerade ein Unfug, dass bei dem im Übrigen recht spärlichen Gottesdienstbesuch der Jugend – Sport und Hitlerdienst haben einer Gottesdienstsitte der Jugend den Rest gegeben – sich zu diesem Fest-Abendmahl alles drängte und so seine Verpflichtung gegen Kirche und Gott ablöste. Nun habe ich also den Zwang der Sitte zerbrochen. Ich rief zu einer Bekenntnisfeier mit anschließendem freiwilligen Abendmahl auf« (Brief vom 29. Januar 1934). – Die Gemeinde wird »nicht entlassen«, eine kleine Schar – Junge und Alte – lässt sich rufen. Wer etwas weiß von Dorfgemeinschaft, Gebundenheit an Dorfsitte bis hin zur feierlichen Kleidung, der mag ermessen, wie schwer es jedem Einzelnen geworden ist. Auch einer der sechs Presbyter erhob sich und trat ruhig und feierlich heraus. Dies ist Pauls letztes Abendmahl in Hochelheim gewesen. Der Bruch mit seinem Presbyterium wurde darüber endgültig. Sein »eigenmächtiges Handeln« wurde dem Konsistorium100 angezeigt. Paul wusste, dass er gegen die presbyteriale Ordnung101 verstoßen hatte, er hoffte aber, dass er sich um der Sache willen mit seinen Presbytern wieder zusammenfände, aber diesem Ringen wurde vom Konsistorium und von der NSDAP bald ein Ende gesetzt. (Siehe den Bericht am Ende dieses Abschnittes über Hochelheim.)
Da der Konflikt um das Abendmahl, den P. S. vor allem Ende 1933/Anfang 1934 durchzustehen hatte, P. S.s Anspruch an die Wahrhaftigkeit kirchlichen, besonders gottesdienstlichen Lebens eindrücklich zeigt, auch weil dieser Streit wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich P. S. in Hochelheim als Pfarrer nicht mehr halten konnte, hier noch einige Einzelheiten:
Wenn wir die Gewissensnöte des Pfarrers P. S. im Blick auf die traditionellen Jahrgangsabendmahle – sie haben sich in Jahren verdichtet – verstehen wollen, müssen wir uns vor Augen führen, wie M. S. sie im Gespräch mit P. Dieterich beschrieben hat: Zirka hundertfünfzig bis zweihundert hauptsächlich jugendliche Abendmahlsgäste – es werden meist vier Jahrgänge zusammengefasst – kommen nacheinander gruppenweise vor den Altar, stehen da, zum Teil die Hände in den Hosentaschen, signalisieren einander mit eindeutigen Gesten ihr bares Unverständnis, ja ihre Verachtung dessen, was hier abläuft. Sie verhalten sich wie Leute, die sich durch die allmächtige Sitte, durch Elterndruck und Dorfsitte, zu einer Handlung, die sie im Innersten ablehnen, genötigt fühlen. Der Pfarrer denkt derweilen an 1. Korinther 11,27-29: »Wer nun unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. Denn wer so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet (oder: nicht unterscheidet), der isst und trinkt sich selber zum Gericht.« P. S.s Anspruch an die Wahrhaftigkeit seines Tuns wird von Jahr zu Jahr tiefer verletzt. Er fühlt sich schuldig, der Zeremonienmeister eines die jungen Leute verderbenden religiösen Theaters zu sein. Immer wieder hat er versucht, den Presbytern seine Bedenken verständlich zu machen. Ohne Erfolg. Ihnen ist die kirchliche Sitte wichtiger als die Gewissensnot des Pfarrers, die sie nicht verstehen.
In dieser seiner Not ändert er kurz vor Weihnachten 1933 die Abendmahlssitte. Das heißt – so sein Bericht an den Superintendenten:102 »Am 3. Advent forderte ich die Gemeinde auf, den 3. Adventsgottesdienst der Woche am Mittwoch als solchen Bekenntnisgottesdienst zugleich zu beachten, und lud zu einer anschließenden freiwilligen Abendmahlsfeier, die adventlichen und bekenntnismäßigen Charakter tragen sollte, ein. Zugleich setzte ich … das seitherige Weihnachtsabendmahl der Jugend aus und lud die Jugendlichen, die das Bedürfnis nach weihnachtlichem Abendmahlsgang hätten, auf Mittwochabend ein. Weil ich mir vom Presbyterium nur Hemmung und keine Förderung versprechen konnte, tat ich es allein auf meine Verantwortung. Hinterher bat ich das Presbyterium um sein Einverständnis. Das bekam ich nicht, sondern das Presbyterium … erhob Einspruch …« Er habe zu einer Gemeindeversammlung mit Aussprache über die örtliche Abendmahlssitte eingeladen. Viele Männer und Jugendliche seien gekommen. »Ich fand Widerspruch und Zustimmung … Als mir dann in einer eindringlichen Mahnung zum Bekenntnisgottesdienst im Vergleich mit den Massenabendmahlen das Wort ›Hammelherde‹ entfiel, benutzten es die Böswilligen zum Protest zum Weggehen. Der größte Teil blieb im Saal, und wir hatten hin und her noch eine fruchtbare Aussprache …«
Warum diese Änderung? Dem Superintendenten gegenüber erinnert P. S. daran, »dass in den sieben Jahren, die ich hier bin, die Abendmahlsgottesdienste mit ihrer starren Sitte, mit den vor dem Tisch des Herrn zahlreich auftauchenden Gesichtern derer, die sonst die Kirche und Gottes Wort nicht brauchen, die größte Last gewesen sind und ich dann meinen Dienst immer mit einem Anstoß meines Gewissens verrichtet habe, weil die Sitte allzu sehr die Wahrhaftigkeit und die Ehrlichkeit erstickte, ich auch keines Segens dieser Abendmahlsfeier froh werden konnte. Dem unwürdigen und unbußfertigen Besuch des Abendmahls musste ein Halt zugerufen werden, beziehungsweise die Gemeindeglieder mussten vom Zwang der Sitte befreit werden.« Nicht umsonst habe ein früherer Pfarrer von Hochelheim in der Kirche gesagt, es gäbe kein verlogeneres Wort als das »Ja« der Beichte beim heiligen Abendmahl.
Nach dem Mahl in neuer Form sei er froh gewesen, »dass wir den Abendmahlsgottesdienst und das Abendmahl so zu einem Bekenntnis geformt haben. Ich war froh, dass hier der Durchbruch durch die starre und zur Unsitte gewordene Abendmahlssitte erfolgt war, die den Sinn und die Bedeutung des Abendmahlsganges nicht mehr deutlich werden ließ.« Er versichert: »Ich konnte nicht anders. Der Anfang ist nun gemacht. Zurück kann ich nicht mehr. Ich bitte Herrn Superintendenten