Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider страница 26
P. S. hat in einem Brief an den Stützpunktleiter Johannes Mehl184 Verständnis gezeigt für Mehls Handlungen den kirchlichen Bekanntmachungskasten betreffend. Er möge aber bedenken, dass sein, Schneiders, Protest gegen den Röhmschen Aufruf für ihn Gewissenssache gewesen sei. »Es ist nach Luther nicht geraten, etwas gegen sein Gewissen zu tun oder zu unterlassen.« Dem gegenwärtigen Staat gegenüber sei er loyal eingestellt. Gern wäre er ihm, wenn ihm Gelegenheit gegeben würde, noch mehr in positiver Mitarbeit verbunden. P. S. kommt auf das Verhältnis zwischen Hitlerjugend und kirchlicher Jugendarbeit zu sprechen und schreibt: »Ich würde mich von Herzen freuen über eine gelegentliche Einladung zu einem Abend mit der Hitlerjugend …, wo wir Lebensfragen besprechen, Lieder aus der Singbewegung singen könnten, wie sie ja z. T. schon in der Hitlerjugend eingeführt sind, wo wir Gottes Wort jugendgemäß zu uns reden lassen können, aber auch harmlos-fröhlich in christlicher Atmosphäre Geselligkeit pflegen können … Selbstverständlich würde ich mich dann jedes Werbens für unsere kirchliche Gruppe enthalten, sondern ganz der Hitlerjugend zu dienen suchen. So können Sie an Ihrem Teil zum Frieden helfen und würde die jetzt bestehende unfreundliche Spannung und die drohende Entfremdung von Jugend und Kirche vermieden.«
Liest man diesen freundlich-versöhnlichen Brief, so spürt man, dass es P. S. um den Frieden im Ort zu tun war. Er erhielt auf diesen Brief allerdings nie eine Antwort.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen fasste das Konsistorium in Koblenz den Beschluss, »die Beurlaubung des Pfarrers Schneider in Hochelheim aufzuheben und zu gegebener Zeit ihn in ein anderes Pfarramt zu versetzen«.185 Dem Landrat in Wetzlar teilte das Konsistorium die Aufhebung der Beurlaubung mit.186 Das Konsistorium gebe sich »der Erwartung hin, dass er gemäß seiner Zusage alles vermeiden wird, was als mangelhafte Übereinstimmung zu den neuen Staatsgewalten angesehen werden könnte«. Vertraulich lässt das Konsistorium durchblicken, »Pfarrer Schneider mit Rücksicht auf kirchliche Erfordernisse später zu gegebener Zeit in ein anderes Pfarramt zu versetzen«.
Konsistorialrat Dr. Jung teilte P. S. am 21. Oktober mit, 187 seine Beurlaubung sei mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Er verbindet mit dieser Mitteilung scharfe Mahnungen: »Wir benutzen diesen Anlass, um Ihnen aufs Neue einzuschärfen, dass Sie eine völlige Zurückhaltung auf staatspolitischem Gebiet zu üben haben und jede unüberlegte Handlung, die auch nur entfernt Anlass zu Missverständnissen oder Verdächtigungen geben könnte, unterlassen werden muss.« P. S. möge die loyale Zusammenarbeit mit den örtlichen Führern der NSDAP pflegen und »Rücksicht auf die Erfordernisse der Gegenwart nehmen. Es muss von Ihnen wie von einem jeden Geistlichen erwartet werden, dass Sie dem heutigen Staat in ehrlicher Mitarbeit dienen und in einer den gegebenen Verhältnissen entsprechenden Weise ein gedeihliches Zusammenarbeiten mit allen Gliedern Ihrer Gemeinde zur Pflicht machen. Wir werden darüber wachen, dass Sie Ihr künftiges Verhalten dementsprechend einrichten, und vertrauen darauf, dass auch ohne weitere Maßnahmen unsererseits Sie Ihrer Zusage entsprechend alles vermeiden, was als mangelnde Zustimmung zu den neuen Staatsgewalten angesehen [werden] und erneut zu Schwierigkeiten führen könnte.«
Was tat sich einstweilen in der kirchenpolitischen Großwetterlage in Deutschland? Wir berichten davon, weil die gereizte Stimmung in Kirche und Gesellschaft und die Nervosität im Konsistorium, auf die P. S. im Januar 1934 traf, nicht ohne diese Ereignisse zu verstehen sind.
Am 13. November 1933 fand im Berliner Sportpalast eine Massenversammlung der DC statt, in der vor etwa zwanzigtausend Menschen und fast der gesamten von den DC bestimten preußischen Kirchenleitung der Berliner DC-Gauobmann Dr. Krause188 ein völkisches »Christentum« verkündete, das mit der biblischen Christusbotschaft fast nichts mehr zu tun hatte. Gott habe »durch die Kraft unseres Führers« die Deutschen ein Volk werden lassen. Nun wolle er die eine völkische, nationalsozialistische Kirche, die das Alte Testament mit seinen Viehtreiber- und Zuhältergeschichten beseitige und das Neue Testament reinige von allem Jüdischen. Seine »Bekenntnisse« gipfelten in dem Satz: »Unsere Religion ist die Ehre der Nation im Sinne eines kämpfenden heldischen Christentums.«
Die Folge war ein Orkan der Empörung gegen die DC. Die Pfarrbruderschaft verlas am Bußtag eine Erklärung gegen die »Verfälschung der Wahrheit« und erklärte, an eine Fortführung der Gespräche mit Landespfarrer Dr. Oberheid sei nicht zu denken. Von vielen Pfarrbruderschaften, u. a. auch von der des Hunsrück mit dem Superintendenten Ernst Gillmann189, wurde der Reichsbischof aufgefordert, die Schirmherrschaft über die DC niederzulegen und alle Mitglieder der Kirchenleitung, die den Reden des Dr. Krause ohne Protest zugehört hätten, zu entlassen. Vor allem die Absetzung des Bischofs Hossenfelder190 als Vizepräsident des preußischen Oberkirchenrats wurde gefordert. Sehr viele gemäßigte Deutsche Christen traten aus der Glaubensbewegung aus. Es war die Frage, ob die Glaubensbewegung in sich zusammenfallen würde. Um das zu verhindern, entließ der Reichsbischof den DC-Gauobmann Dr. Krause aus allen kirchlichen Ämtern. Er legte die Schirmherrschaft über die DC nieder und setzte auch das Beamtengesetz mit dem Arierparagrafen außer Kraft.
Die Stellung des Reichsbischofs wurde immer unsicherer. Um sie durch den Staat zu festigen, machte er – ohne Rücksprache mit den deutschen Bischöfen und gegen den ausdrücklichen Willen der Leitung der evangelischen Jugendverbände – dem Führer Adolf Hitler ein besonderes Geschenk: Er unterzeichnete am 19. November den sogenannten Jugendvertrag, mit dem er die Eingliederung der evangelischen Verbandsjugend unter 18 Jahren in die Hitlerjugend anordnete.
Nur die DC bejubelten diese Tat und gaben sich der Illusion hin, nun könnten die evangelischen Jugendlichen erst richtig in der Hitler-Jugend (HJ) volksmissionarisch tätig werden; die HJ-Führer würden nun den Kirchgang für Hitler-Jungen zur Pflicht machen. Die Bischöfe, hinter deren Rücken dieser Vertrag mit Reichsjugendführer Baldur von Schirach191 ausgehandelt worden war, äußerten Empörung. Der württembergische Landesbischof Theophil Wurm192 sprach von einem wahren Schurkenstreich. Die evangelischen Jugendverbände protestierten heftig. Der Essener Jugendpfarrer Wilhelm Busch193 telegrafierte an den Reichsbischof, er wolle über eine Jugend verfügen, die ihm nicht gehöre. Busch wurde aus seinem Amt suspendiert, dann aber auf Fürsprache einer Delegation mit Dr. Gustav Heinemann194 wieder in sein Amt eingesetzt.
Reichsbischof Müller holte Bischof Dr. Oberheid zu seiner Hilfe nach Berlin und machte ihn zum »Chef des Stabes«, d. h. er gab ihm alle Macht über die Kirchen. Oberheid beauftragte den Mülheimer Pfarrer D. Dr. Heinrich Forsthoff 195, einen DC-Mann, als »Stellvertretenden Landespfarrer« mit der Leitung der Rheinischen Kirche. Dr. Krummacher versuchte, die DC im Rheinland neu zu festigen, indem er sie in drei Obergaue einteilte und den Obergau Köln-Trier der Führung von Pfarrer Rudolf Wolfrum übergab. Dieser löste sich mit seinen Anhängern aber bald von der Landesleitung der DC, schlug einen radikal-völkischen Kurs ein und landete schließlich bei den »Thüringer Deutschen Christen«, denen er damit im Rheinland viel Einfluss verschaffte. Mit ihnen hatte es P. S. später auf dem Hunsrück zu tun. Die Häufung von DC-Massenveranstaltungen im Rheinland konnte es nicht hindern, dass die Glaubensbewegung DC zusehends zerfiel, während die BK sich formierte und in den Gemeinden an Boden gewann.
Was hat vor dem Hintergrund dieser »Großwetterlage« P. S. Anfang des Jahres 1934 in Hochelheim erlebt?
Anfang Januar wird Paul um eine Probepredigt in Monschau gebeten. Da ja Paul wegen »seines schriftgemäßen Verstandes der Abendmahlsfeier und der ernstzunehmenden Beichtfrage« im Konflikt mit seinem Hochelheimer Presbyterium stand, drängte das Konsistorium auf dessen Beschwerde hin auf Pauls Wegmeldung, aber noch fühlte er sich gebunden, und sein Weggehen wäre ihm als Fahnenflucht196 erschienen. So zieht er nach der Probepredigt seine Meldung zurück.
Aber die Dinge gestalteten sich immer schwieriger. Paul