Gänseblut. Wolfgang Santjer
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Menno Altings Tochter erzählte, dass sie gerade von der Nachtschicht im Krankenhaus kam. Sie hatte sich fast zu Tode erschrocken, als sie die Einsatzfahrzeuge vor ihrem Haus gesehen hatte. »Irgendwann musste das hier mal passieren.« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Diese Wut … und Hass … Ich verstehe das nicht!«
»Ich kann Ihnen jetzt nicht folgen.« Swantje schaute sie fragend an.
»Am Anfang haben sie ja noch miteinander gesprochen«, sagte Gretje.
»Wer ist ›sie‹, wer hat noch miteinander gesprochen?«, hakte Swantje nach.
»Oh, bitte entschuldigen Sie mich, ich bin noch so aufgeregt …« Gretje lächelte sie kurz an. »Die Umweltschützer, insbesondere mein Vater, und die Jäger meine ich. Anfangs haben sie noch zusammen an einem Tisch gesessen und diskutiert. Aber jetzt …« Wieder schüttelte Gretje Alting den Kopf. »Sie sehen ja: Nur noch Wut und Hass.«
Deichvorland bei Pogum
Piep … Piep. Der Schatzsucher Peter Kowalski aus Bochum sah auf das Display des Metallsuchgerätes. Der Zeiger schlug wild aus. Seit einer Stunde war Peter unterwegs im Deichvorland am Dollart. Seinen Wagen hatte er am Aussichtspunkt Emsblick in Pogum geparkt. Von dort aus hatte er mit der Schatzsuche begonnen. Inzwischen lag der Dollart rechts und der Deich links von ihm. Voraus konnte er die Bohrinsel Dyksterhusen sehen. Er befand sich auf den sogenannten Salzwiesen, einem Grünstreifen mit spärlichem Bewuchs zwischen dem Deich und den grau-bräunlichen Wattflächen des Dollarts.
Vorsichtig legte er das empfindliche lange Metallsuchgerät auf der Salzwiese ab und nahm ein handliches kleineres aus seinem Rucksack. Er hatte sich den Bereich auf dem Boden gemerkt, wo das große Gerät ausgeschlagen hatte. Das Schatzfieber hatte ihn jetzt voll im Griff. Die nächsten Gegenstände, die Peter aus dem Rucksack nahm, waren eine kleine Schaufel, ein Klappspaten und ein Kniepolster.
Er kniete sich auf den Boden und schob sich das weiche Polster unter. Dann schaltete er das kleine Suchgerät an, das wie eine Taschenlampe aussah, und kreiste damit den im Boden verborgenen Gegenstand ein. Mit der linken Hand hielt er die Schaufel und grub vorsichtig kleine Grassoden und Erde zur Seite. Immer wieder schlug das Suchgerät aus. Inzwischen hatte er die kleine Schaufel gegen den Klappspaten getauscht.
In Gedanken sah er sich schon als Entdecker des versunkenen Ortes Torum. Schliemann war auch ein Hobbyarchäologe gewesen und hatte trotzdem angeblich Troja entdeckt. Die Geschichte der versunkenen Dörfer im Dollart hatte Peter schon immer fasziniert und jetzt stand er selbst kurz vor einer sensationellen Entdeckung.
Klong … Der Spaten war auf einen harten Gegenstand gestoßen. Das kleine Suchgerät zeigte einen länglichen Gegenstand aus Metall an. Peter Kowalski legte den Klappspaten zur Seite und nahm wieder die kleine Schaufel.
Den langen Gegenstand konnte er deutlich fühlen. Während er ihn vorsichtig freilegte, konnte er ihn immer besser erkennen. Hatte es in Torum damals schon Gewehre gegeben? Falls ja, dann sicher keine Karabiner …
Die Enttäuschung schwemmte seine Hoffnungen davon, als berühmter Entdecker in die Geschichte einzugehen. Unter dem Lauf des Gewehrs fühlte er eine Art Stoff. Mit den Fingerspitzen fasste er vorsichtig eine Ecke davon an. Als er den Stoff zur Seite zog, grinsten ihn die Zähne eines Totenschädels an.
Peter Kowalski schrie entsetzt auf und sprang hoch. Es dauerte eine Weile, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er sein Handy heraussuchte und den Notruf wählte.
Altstadt von Leer,
Wohnung des PHK Jan Broning
Das Klingeln des Telefons drang nur langsam in den Schlaf von Hauptkommissar Jan Broning. Er brauchte einen Moment, um sich zurechtzufinden. Sein erster Blick fiel auf den Wecker: neun Uhr. Beim Blick nach links auf die leere Seite seines Bettes verzog er missmutig sein Gesicht. Maike war erst seit einigen Tagen in Spanien und ihm kam es jetzt schon vor wie eine Ewigkeit. Ihr Vater Johann de Buhr hatte sie kurzerhand mitgenommen, als er zusammen mit seiner Freundin Karin für einige Wochen Urlaub machen wollte. Maikes Lunge war noch sehr angegriffen von den Folgen ihrer Entführung auf der Autobahn. Das sanfte Klima in Spanien sollte den Heilungsprozess beschleunigen.
Jan Bronings Hand griff zum Telefon und bevor er die grüne Taste drückte, sah er auf dem Display, dass der Anruf von seiner Dienststelle kam. Eigentlich sollte er heute Überstunden abbauen. In sein Schicksal ergeben nahm er den Anruf an.
Die laute Stimme seines Kollegen Klaus Hensmann von der Wache in Leer dröhnte aus dem kleinen Lautsprecher. »Guten Morgen, Jan, sorry, dass ich dich so früh stören muss. Die Kollegen von der Tatortgruppe haben mir gerade eine Lage durchgegeben. Sie sind im Deichvorland bei Pogum. Ein Schatzsucher aus dem Ruhrgebiet hat dort ein bewaffnetes Skelett gefunden.« Lachen hallte aus dem Hörer. »Das ist doch ein Superwitz, oder? Ach ja, Spaß beiseite, dein Chef Renko Dirksen war gerade auf der Wache und lässt dir ausrichten, dass du deine Überstunden ein anderes Mal abfeiern sollst, damit du den Fall übernehmen kannst.«
»Okay, Klaus, ich komme zur Dienststelle.« Jan Broning beendete das Gespräch.
Ohne Maike war es zu Hause ohnehin öde. Was ihn störte, war eher der Einsatzort. Der Dollart … das weckte böse Erinnerungen. Sein erster Fall mit Maike an seiner Seite. Seine Rettung aus dem Watt. Schöne und schreckliche Erinnerungen.
Jan Broning war als Leiter des 1. Fachkommissariates zuständig für Todesermittlungen. Er ahnte, dass dieser Fund im Deichvorland erhebliches Aufsehen erregen würde. Renko, der alte Fuchs, ging entsprechend auf Nummer sicher und überließ ihm großzügig den Fall.
Jetzt ging alles sehr schnell – Kaffeemaschine an, Dusche, in die Klamotten. Mit einem Thermobecher Kaffee in der Hand verließ Jan Broning seine Wohnung und lief die Treppen hinunter zum Fahrradkeller.
Dabei verbrannte er sich den Mund an dem zu heißen Gebräu. »Verflixte Axt!« Er wunderte sich wieder mal darüber, dass nichts mehr Zeit hatte. Alles sollte immer schneller gehen, Kaffee trinken im Gehen … und ich mach auch noch mit.
Er schwang sich auf sein Elektrorad und fuhr zur Georgstraße. Den Thermobecher hatte er verschlossen in der Fahrradtasche verstaut.
Das Tor zum Innenhof öffnete sich wie von Geisterhand. Er stellte sein Rad vor dem Nebeneingang der Dienststelle ab und ging den Schichtleiter Klaus Hensmann auf der Wache begrüßen. »Hallo, Klaus, warum schmeißt du mich eigentlich immer aus dem Bett?«
»Sorry, Jan, aber das ist wirklich eine sonderbare Geschichte. Als die Meldung reinkam, haben wir oben Bescheid gesagt und …«
»Schon gut. Was haben wir denn bis jetzt?«
»Abgelaufen ist es wie folgt …« Klaus sah auf seine Notizen. »Der Notruf eines Herrn Peter Kowalski aus Bochum ging bei der Leitstelle ein. Herr Kowalski hat bei der Schatzsuche am Dollart ein Gewehr und ein Skelett gefunden. Der Notruf wurde an das PK Weener weitergeleitet. Die Kollegen haben das zunächst für einen schlechten Scherz gehalten, sind aber erst mal hingefahren. Dann hat mir Swantje dieses Foto geschickt.« Klaus Hensmann nahm sein Smartphone und wischte mit dem Finger über das Display. »Scheißtechnik! … Ah ja, jetzt hab ich es.« Er hielt es Jan hin.
Jan