Planetenmonster : 9 Science Fiction Abenteuer Sammelband. Alfred Bekker
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Gerade noch weit draußen, am Rand des Sonnensystems, in einer Entfernung, die dem Dreißigfachen des Abstandes Erde-Sonne entspricht und eine Sekunde später war ich wieder in den Straßen von New York City.
Der Wechsel war schon sehr abrupt.
Ich wäre durchaus gern da draußen geblieben, muss ich zugeben.
Ein Traum, dachte ich. Es muss ein Traum gewesen sein!
Ungewöhnlich war, dass dieser Traum seit einiger Zeit immer wieder kam und dabei so realistisch wirkte, dass die Wirklichkeit dagegen verblasste.
Ich war wieder in New York, sah aus dem Fenster meiner Wohnung, sah die Raumschiffe der Ktoor und der Nugrou, sah den Schwarm der insektenartigen Ornithopter und der Luftschiffe über die Stadt, sah den Straßenverkehr und den Stau der unzähligen autonomen Fahrzeuge, die man alle nicht abschalten durfte, weil sie Bürgerrechte besaßen (Das Wort Automobil bzw. Auto hatte früher gemeint, dass eigentlich ein Mensch am Steuer saß, was eigentlich immer irreführend war.).
Autos waren zwischenzeitlich wegen der Luftverschmutzung und des Klimaschutzes mal ziemlich in Verruf gekommen.
Aber seit der Sache mit dem Virus hatte sich das geändert. Seitdem waren sie wieder (zumindest für überwiegend organische und damit infizierbare Bürger) das Verkehrsmittel der Wahl in New York, auch wenn sie zuviel Platz verbrauchten. Nur arme Leute benutzten die U-Bahn. Oder Androiden. Roboter. Mechanische. Oder gentechnisch Immunisierte.
Der Straßenverkehr war also nach wie vor ein Kennzeichen dieser Stadt, obwohl man einige Zeit geglaubt hatte, Automobile würden aus der Mode kommen.
Aber das geschah nicht.
Auch wenn Autos sich längst selber steuern, so ist es doch ein für viele Infizierbare ungemein beruhigender Gedanke, dass man in einer hygienisch einwandfreien, abgeschlossenenen Kabine reisen konnte.
Ich stand am Fenster und blickte hinaus auf die Stadt, die niemals schlief, wie man immer sagte. Über dem Central Park schwebten ein paar Drachen, aber eine städtische Drohne jagte sie mit einem Schockkraftfeld fort. Wo die hinkackten, wuchs nämlich buchstäblich kein Gras mehr.
Gerade noch hatte ich einen kühlschrankgroßen Diamanten in den Greifarmen meines Robotkörpers gehalten, jetzt sah ich meine Hände an und sie kamen mir exotisch vor.
Wer bist du?, fragte ich mich.
Wer bist du wirklich?
Ich hatte es mal zu wissen geglaubt.
Aber das schien nicht mehr zu gelten.
Alles schien sich geändert zu haben.
Nichts blieb, wie es gewesen war.
*
Zwei Dinge hatten alles unwiderruflich verändert - und das viel schneller, als manche geglaubt hatten.
Das eine war die Pandemie, die die Menschheit heimgesucht hatte und deren Folgen immer noch nicht völlig überwunden waren.
Das andere war die Ankunft der Aliens, deren Schiffe seitdem über New York City schwebten.
Und man sagte, dass beides irgendwie miteinander zusammenhing.
Aber da gab es unterschiedliche Meinungen.
Fast immer schweben mehrere große Raumschiffe über New York City. Manchmal sind sind es zwei, manchmal mehr. Die Stadt liegt in ihrem Schatten. Meistens sind es die Schiffe der gestaltwandelnden Nugrou oder der krakenartigen Ktoor. Aber es kommen auch manchmal die Rreemh (die aussehen wie Horus aus der altägyptischen Mythologie) , die vogelartigen Qriid oder die K’aradan, die von Menschen kaum zu unterscheiden sind. Die facettenäugigen Luhr verfügen über eine sehr fortgeschrittene Hyperraumtechnik, die allerdings nicht ungefährlich ist, wenn sie in die Hände der falschen Leute gerät. Und die humanoiden Yroa sind Meister der Biotechnologie und des Klonens. Sie handeln mit DNA-Daten. Außerdem reisen sie zwischen verschiedenen Raumzeiten des Multiversums und haben Kolonien in parallelen Universen. So behaupten sie zumindest.
Wer bin ich, dass ich das überprüfen könnte?
Aber eins steht fest:
Das Universum ist offenbar ein ziemlich dicht besiedelter Raum - relativ betrachtet.
Meistens sind es die Raumschiffe die Ktoor und der Nugrou, die New York City besuchen. Sie bringen Handelsgüter. Auch Drogen. Technische Gadgets. Manche sagen, sie hätten auch einige Viren gebracht. Viren, die das Verhalten biologischer Organismen verändern und zum Beispiel die Neigung, bestimmte Produkte zu kaufen befördern.
Die Raumschiffe der Ktoor oder der Nugrou bringen auswanderungswillige Menschen oft zu weit entfernten extrasolaren Planeten. Ihre Raumschiffe fliegen einfach schneller und weiter als diejenigen, die auf der Erde gebaut werden. Vielleicht erreicht man auf diesem Planeten auch irgendwann mal deren Standard, aber das wird sicher noch eine Weile dauern.
Ach, ja eine Sache, die viel verändert hat, habe ich noch nicht erwähnt.
Die Gentechnik.
Seitdem gibt es all die Geschöpfe.
Geschöpfe ist das richtige Wort, denn sie wurden geschaffen.
Und wir geben ihnen die Namen alter Sagengestalten.
Zum Beispiel Gnome und Zwerge - geschaffen, um Supererden in extrasolaren Systemen zu besiedeln, die eine Schwerkraft von 6 oder 7 g haben.
Oder die Elfen - geschaffen, um unter anderem widerstandsfähiger gegen Krankheiten zu sein und die Gehirn- und Sinnesleistung zu optimieren. Oder Orks und Oger, die die sich an äußerst unfreundliche planetare Umgebungen anpassen können - aber deren Banden unsere Ghettos unsicher machen. Vampire und Nachtmahre sind vermutlich das Ergebnis von Laborunfällen.
Spätestens seit der letzten Drachenplage diskutiert man, in wie weit man es mit dem Einsatz der Gentechnik nicht etwas übertrieben hat. Wenn so ein Schwarm Flugdrachen über der Stadt schwebt, dann kacken die alles voll. Das ist dann im wahrsten Sinn des Wortes ätzend. Leider bekommt man die wohl nie wieder alle eingefangen.Und wenn eines dieser Ungeheuer in das Energiefeld eines Ktoor-Raumschiffs gerät und dann abstürzt, ist das alles andere als vergnüglich. Hin und wieder kollidieren sie auch mit Luftschiffen (die im Zeichen der Klima-Krise wieder in Mode gekommen sind).
Jede Zeit hat eben ihre kleinen oder größeren Katastrophen.
*
Mein Name ist Jesse Ambalik 7774.
Die Tatsache, dass ich eine Nummer trage bedeutet, dass ich ein Androide bin.
Jesse ist mein Vorname. Ambalik die Typ-Bezeichnung. Und 7774 ist die Seriennummer.
Manche von uns sehen in der Typbezeichnung ein Äquivalent zu den Familiennamen, die unter organischen