Das Rauschen der Stille. Heidi Cullinan
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Aber ich wusste, warum sich mein Körper unlogisch verhielt, warum er all meine Pläne missachtete und mein Supherhelden-Gehirn in Super-Wackelpudding verwandelte. An der Stelle, an der seine Mutter verschwunden war, unter einem Baum, den blonden Schopf gesenkt, während er auf den Boden sah, stand Jeremey.
Kapitel 2
Jeremey
Wenn du ein unsichtbares Leiden hast, ist die Krankheit nicht dein größtes Problem. Das, wogegen du jeden Tag kämpfst, mehr als alles andere, sind andere Menschen.
Es dauerte sehr lange, bis ich das verstanden hatte, denn um ehrlich zu sein, wusste ich jahrelang nicht, dass ich krank war. Wenn ich zurückblicke, litt ich seit der Mittelschule an Depressionen und die Angst hatte in der Highschool angefangen. Oder vielleicht waren sie die ganze Zeit miteinander vermischt gewesen und ich hatte diese Gefühle erst damals im Einzelnen bemerkt. Das ist das Problem mit Depressionen und Angstzuständen. Sie finden vollständig in deinem Kopf statt. Menschen, die weder Depressionen noch Angstzustände haben, glauben deshalb, dass man negative Gefühle einfach ausradieren kann, sobald man sie bemerkt. Für diejenigen, die mit Problemen ihrer geistigen Gesundheit leben müssen, bedeutet es jedoch, dass sich deine Dämonen keinen Tag freinehmen.
In den ersten Monaten nach meinem Abschluss war ich nicht in der Lage, so deutlich darüber nachzudenken, was mit meinem Gehirn passierte und was es möglicherweise schlimmer machen konnte. Lange Zeit konnte ich meinen Zustand nicht benennen und als ich es schließlich konnte, fühlte es sich falsch an und ich schämte mich. Zu diesem Zeitpunkt überlebte ich größtenteils einfach nur, und das nicht gut. Menschen haben mich immer in Angst versetzt, selbst wenn sie mich nicht wahrnahmen.
In der siebten Klasse hat es einige Hänseleien gegeben, die ihren Höhepunkt erreichten, als mich einige der Jungs in der Umkleide ausgelacht und gedroht haben, mich nackt in den Gang zu schubsen, damit die Mädchen ebenfalls über mich lachen konnten. Seitdem hatte ich vor dem Sportunterricht immer Bauchschmerzen bekommen. Die Schulkrankenschwester dachte, dass ich es nur vortäusche, also hatte ich mich auch übergeben, als ich mich beschwert hatte. Letztendlich habe ich zurückgehen müssen, aber ich wurde gut darin, mich auf der Toilette zu verstecken, bis alle anderen rausgegangen waren. Ich glaube, dass der Lehrer bemerkt hat, was vor sich ging, da er mich nie zur Rede stellte, wenn ich zu spät kam.
Auf diese Weise wurde ich mit der Schule fertig. Menschen waren gefährlich und normalerweise gemein, also mied ich sie. Ich hatte einen Freund, irgendwie, aber ich glaube, dass ich für Bart eher eine Art Zubehör als ein wirklicher Kumpel war. Er ließ mich immerhin recht schnell fallen, als mich die Depression immer mehr vereinnahmte, was während meines gesamten Abschlussjahres der Fall war. Er war der Einzige, der davon wusste, bis ich im Mai während eines Vortrags im Sozialkundeunterricht zusammenbrach.
Das brachte mir einen Besuch beim Familienarzt ein, der bei mir eine depressive Erkrankung diagnostizierte. Irgendwie spuckte er die Diagnose aus, als hätte ich nur eine Erkältung, und ich hatte das Gefühl, dass er mir einen Stempel aufdrückte und mir nur ein paar Pillen verschrieb, anstatt wirklich Hilfe anzubieten. Die Tabletten wirkten nicht gegen die Angstzustände, aber ich wollte nicht noch einen Stempel aufgedrückt bekommen. Ich genierte und schämte mich, und als meine Mom wütend wurde und ihm sagte, dass er keine Ahnung hatte, wovon er redete, widersprach ich nicht. Größtenteils war ich einfach nur dankbar, dass mir erlaubt wurde, den Rest des Schuljahres von zu Hause aus zu beenden. Ich musste nicht einmal zur Abschlussfeier gehen.
Zu dieser Zeit hörte sich das alles super an, als hätte ich eine Freikarte aus dem Gefängnis bekommen, aber die Wahrheit war, dass ich nun ständig gegen meine Mutter kämpfte.
Sie hasste es, dass ich mich von der Welt zurückzog und machte es sich zur Aufgabe, mich mit dem Gesicht voran wieder hineinzustoßen. Obwohl ich seit meiner Konfirmation die Kirche schwänzen durfte, zerrte sie mich jeden Sonntag an den Haaren wieder hinein. Wenn ich schon davon spreche, gegen andere Menschen zu kämpfen – nach jeder Messe kam ein ganzer Schwall von Moms Freunden auf mich zu, lächelte mich übereifrig an und fragte mich, wo ich im Herbst studieren und ob ich mit jemandem ausgehen würde. Wenn ich schlecht auf diese Überfälle reagierte und eine Panikattacke bekam, schimpfte Mom mit mir und Dad sah mich finster an. Hätte ich gewusst, dass mein Zusammenbruch im Unterricht dazu führen würde, hätte ich mich stärker darum bemüht, wie immer erst in der Pause in der Toilettenkabine den Verstand zu verlieren.
Das Straßenfest war eine weitere Gelegenheit für meine Mutter, mich dazu zu zwingen, normal zu sein – und eine Gelegenheit für mich, um zu versagen.
Drei Tage vorher hatte sie mir den Flyer gezeigt und gesagt: »Wir sollten hingehen. Es wäre gut, wenn wir ein paar unserer Nachbarn kennenlernen. So viele junge Paare sind hergezogen.« Ich hatte nicht nein gesagt, was als Zustimmung hätte zählen müssen. Ich ließ zu, dass sie mich zum Einkaufen schleppte, obwohl ich im Supermarkt immer eine Panikattacke bekam. Am Tag der Feier stellte ich mich nicht krank, aber ich weinte in der Dusche, als ich von den rechtsorientierten Programmen, die mein Vater in Radio und Fernseher gleichzeitig verfolgte, überwältigt wurde.
Aber einfach nur anwesend zu sein, reichte meiner Mom nicht. »Hilf mir, den Salat zu machen, Jeremey«, »Geh für mich zum Laden, Jeremey«, »Hilf den Gastgeberinnen beim Aufbauen, Jeremey«. Natürlich versaute ich alles – ich konnte beim Supermarkt nicht aus dem Auto steigen, sodass Dad an meiner Stelle hatte gehen müssen.
Sie ging mit mir zum Picknickplatz, um beim Aufbauen zu helfen, wobei sie mich mit dem Ellbogen anstieß und mir zuflüsterte, dass ich nicht so nervös sein sollte. Als die unzähligen Befehle und die Geräusche der lauten Frauen drei Häuser weiter zu viel wurden, bemerkte eine der Gastgeberinnen, dass ich mich nicht gut fühlte, und bat mich, mich auszuruhen. »Wir schaffen den Rest auch ohne dich, mach dir keine Sorgen.«
Mom machte sich keine Sorgen, aber sie war wütend. Ihrem Empfinden nach hatte ich sie durch mein Verhalten in der Öffentlichkeit blamiert.
Mom wollte einen klugen, lächelnden, charmanten Sohn. Sie wollte, dass ich eine andere Antwort auf die Frage hatte, die alle immer wieder stellten – Wo wirst du diesen Herbst studieren? Sie wollte, dass ich log, der Frage auswich oder besser noch, auf magische Weise nicht mehr so depressiv und erschöpft war. Und normalerweise wollte ich nur zurück in mein Bett, anstatt ihren Ansprüchen gerecht zu werden. Zu sagen, Ich habe mir noch kein College ausgesucht, war meiner Meinung nach ein Kompromiss, denn wir alle wussten, dass ich es nirgendwo schaffen würde, aber das war nicht der Sohn, den meine Mutter wollte.
Ich war nicht der Sohn, den meine Mutter wollte.
Ich lächelte nicht, ich flirtete nicht und ich konnte auch nicht voraussehen, was die Gastgeberinnen brauchten. Ich hockte mich hin, wandte den Blick ab und ließ die Auflaufformen fallen. Jedes Mal, wenn jemand zu laut lachte, zuckte ich zusammen. All die Unterhaltungen aus so vielen Richtungen lösten Panik in mir aus, also tat ich mein Bestes, um alles um mich herum auszublenden – was bedeutete, dass ich nicht antwortete, wenn mir jemand eine Frage stellte.
Die Gastgeberinnen und die anderen Partygäste klopften mir auf die Schultern und neckten mich damit, dass ich nur zu gestresst vom wilden Teenagerleben sei, aber mein Dad zog die Brauen zusammen und meine Mom presste die Lippen aufeinander, sodass ich wusste, dass ich später in Schwierigkeiten stecken würde. Ich hatte kein wildes Teenagerleben. Ich war am Abend zuvor nicht zu lange weg gewesen. Das war ich nie. Ich war nicht schüchtern, weil auf der Party auch Mädchen in meinem Alter waren. Das war ein ganz anderes Problem, eins, von dem meine Eltern noch nichts wussten.