Ich bin, was ich werden könnte. Mathias Wais

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Ich bin, was ich werden könnte - Mathias Wais

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heute – Der Einzelne und die Gemeinschaft

       Teil III

       22 Über Zufall und Sinn

       23 Wege zum Sinnverständnis moderner Lebensläufe

       24 Das Beratungsgespräch als Biographiehilfe

       25 Der Weg der Übung

       26 Vorbereitung auf die Biographiearbeit

       27 Über den Umgang mit biographischer Erkenntnis

       28 Zur Frage der Berechtigung der Biographiearbeit

       Anmerkungen

       Herangezogene Literatur

       Uwe Meinardus Biographiearbeit und Psychotherapie – schwierige Verwandte oder freundliche Nachbarn?

      Über den Übergang mit dem Labyrinth – ein Vorwort

      Eigentlich geht man durch das Leben wie durch ein Labyrinth – irgendwie kommt man schließlich durch, hinterher aber wüsste man kaum zu sagen wie. Viele Werke der Mythologie und Kunst scheinen mir diesen Sachverhalt anzusprechen. Es gibt Kunstwerke, die das Thema des Labyrinths zu einem Bild, zu einem Moment verdichten. So habe ich in dieser Hinsicht zum Beispiel Wesentliches in dem Film Orlando (nach dem Roman von Virginia Woolf) von Sally Potter erfasst.

      Biographiearbeit und Biographieberatung, wie sie in den letzten Jahren aufgekommen sind, stellen leider keine Hilfe dar, besser durch das Labyrinth zu kommen. Und was hieße auch besser?Würde man mit einem Konstruktionsplan in der Hand durch das Labyrinth gehen, so gäbe es die Befreiung, die Überraschung nicht, doch wieder ein Stück weitergekommen zu sein. Diese Überraschung ist es aber, die Hoffnung gibt.

      Wir wissen eigentlich kaum etwas über das Labyrinth, durch das wir – manchmal amüsiert, manchmal verzweifelt, manchmal tatkräftig, manchmal mutlos – hindurchzukommen versuchen. Das einzige, was wir wissen, ist, dass es immer weitergeht. Mit Weitergehen meine ich das Herauskommen aus Katastrophen, aus dem Scheitern, auch aus dem Glück, das – wie es Sigmund Freud formulierte – ein episodisches Phänomen ist. Die Frage ist also: Woher wissen wir, dass es immer weitergeht? Oder was liegt vor, wenn wir dieses Wissen – etwa in einer uns ausweglos erscheinenden Situation, einer zermürbenden Ehekrise oder einer inneren Einsamkeit – verlieren?

      Wer konstruiert eigentlich dieses Labyrinth? Eine einfache Antwort wäre: der liebe Gott. – Aus der jahrelangen Beratungspraxis und der beratenden Begleitung von Menschen in Lebenskrisen habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass der Sachverhalt in einer skandalösen Weise komplizierter ist: Wir sind es selbst, die das Labyrinth ständig, im Vollzug sozusagen, konstruieren. Unser Ich ist es. Da muss es, von unserem Alltags-Ich unbemerkt, eine Instanz in uns geben, die, unsere Vergangenheit und Zukunftsmöglichkeiten überschauend, unser Schicksal schafft. Deshalb also, weil wir es selbst schaffen, wissen wir, dass es in unserem Labyrinth immer weitergeht.

      Wieso tut jenes Ich – nennen wir es, weil es ja nicht das alltägliche Ich ist, das »Höhere Ich« – das? Offenbar verfolgt es Ziele und Aufgaben und führt uns in Begegnungen, durch Schicksale, auch durch die Banalitäten des Alltags. Der erste Teil des Buches handelt von diesem Höheren Ich.

      Biographiearbeit und Biographieberatung gehen ja nicht von der Frage aus: Wie hätten Sie’s denn gern? Sie können keine Tips geben, wie man etwa schneller oder mit weniger Aufwand durch das Labyrinth käme. Die Aufgabe der Biographieberatung ist eine andere. Sie kann, anhand konkreter und alltäglicher Lebensfragen und Lebenskrisen, uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass wir es selbst sind, die laufend das Labyrinth konstruieren. Sie kann damit etwas an der Haltung ändern, mit der wir durch das Labyrinth gehen; nichts dagegen an der Tatsache, dass wir durch ein Labyrinth gehen. So versucht der zweite Teil, anhand einiger biographischer Phänomene zu zeigen, nach welchen Gesichtspunkten wir unser Labyrinth konstruieren. Wenn es gelingt, so taucht im Beratungsgespräch eine Idee, eine handlungsrelevante Perspektive davon auf, dass die Konstruktion des Labyrinths sinnvoll ist, weil sie unsere ist, uns eigen ist.

      Der dritte Teil handelt davon, wie man als Beraterin oder Berater zu einem Verständnis des individuellen Labyrinths kommt und wie man das dem nach Rat Suchenden vermittelt. Für beide, für ihn wie für den Berater, handelt es sich – um dies vorwegzunehmen – nicht um intellektuelle Akrobatik oder psychologisch analysierende Akribie, sondern um einen Übungsweg. Der Beratende, der einen individuellen Lebensgang verstehen will, geht einen inneren Übungsweg, und der Betroffene, der ein Verständnis seines Labyrinths und Gesichtspunkte dafür sucht, wie er sich aktiv handelnd, statt passiv erleidend weiterbewegen kann, muss ebenfalls einen Übungsweg gehen.

      Was mein eigenes Verständnis von Lebensläufen und Lebenskrisen betrifft, so habe ich es zunächst den Menschen zu verdanken, die als Ratsuchende zur Biographieberatung kommen. Im Gespräch mit ihnen kann, wenn es gut geht, dieses Element der Überraschung auftauchen. Es entsteht dann plötzlich eine Perspektive auf die aktuelle Lebenskrise, auf den Lebenslauf selbst, die zuvor keinem der Gesprächspartner bewusst gewesen ist.

      Sodann gehe ich bei meiner Arbeit von einem anthroposophischen Menschenbild aus – so wie ich es eben verstehe. Es ist nach meiner Kenntnis das modernste und differenzierteste Menschenbild, das die geistige Sphäre des Menschen einbezieht. Dabei fühle ich mich folgenden Autoren verbunden: Bei Rudolf Frieling, dem christlichen Gelehrten und Pfarrer, lerne ich die Genauigkeit der Phänomenbetrachtung, das Ernstnehmen des »Textes«, hier: der biographischen Phänomene, so wie sie sich eben darstellen. Bei Friedrich Weinreb, dem jüdischen Gelehrten und Mathematiker, lerne ich das Denken in Zwischenräumen. Weinreb hat, anknüpfend an die kabbalistische Tradition, immer wieder die Wirkung der Sphäre des Geistigen bis ins Buchstäbliche und Tägliche hinein gezeigt und verständlich gemacht, wie das Wesentliche und Eigentliche zwischen den Dingen liegt. Für das Lernen bei Frieling wie bei Weinreb wie aber auch bei allen anderen Autoren, die ich heranziehe (Viktor Frankl, Bernard Lievegoed, Hans Schauder), gilt, dass man ihre Arbeit und ihr Denken nicht einfach übernehmen kann. Man muss etwas Eigenes daraus machen. Und insofern ist das Buch, wenngleich mitgeprägt von den genannten Menschen, doch wieder subjektiv, persönlich und damit einseitig. Es gibt nur meine derzeitige Sicht der Dinge wieder, und insofern kann es sich nur um einen Werkstattbericht handeln.

      Von da aus ergibt sich mir auch die Berechtigung, nicht alles hier in Frage Kommende in Vollständigkeit darstellen zu müssen. Vieles ist unvollständig. So hatte ich auch nicht das Bedürfnis, zu den einzelnen Themen jeweils alles zu referieren, was man darüber anderswo nachlesen kann. Zum Beispiel behandeln die Kapitel über den Doppelgänger nur einige Aspekte dieses Themas. Selbstverständlich ist es sinnvoll, dazu all das Umfangreiche nachzulesen, was man diesbezüglich bei Rudolf Steiner und in der sonstigen anthroposophischen und nicht-anthroposophischen Literatur nachlesen kann. Der Charakter des Werkstattberichts mag es auch akzeptabel machen, dass in diesen Beiträgen zur Biographik

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