Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland
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War es bei ihr auch bereits zu spät?
Die dumpfe Lethargie fiel von ihr ab und wich der Panik.
Warum gerade ich? Nein, ich will nicht sterben, ich will mich nicht zunähen und heimschicken lassen! Warum bin ich nie mehr zur Untersuchung gegangen? Warum nicht gleich zum Arzt, als es anfing?
Sie war auf dem besten Weg, völlig durchzudrehen.
Gehetzt blickte sie um sich, starrte auf die Bücherwand, das Fenster, auf die Blumen davor. Ihr Blick blieb auf dem kleinen roten Telefonbuch haften.
Hermann! Ihn musste sie anrufen. Jetzt auf der Stelle. Er wusste Rat, ganz bestimmt. Er war doch Arzt, arbeitete doch in einer bekannten Klinik, er wusste doch, was jetzt zu tun war!
Sie stand auf, spürte, dass alles schmerzte, dass sie völlig verkrampft war. Wie eine Ertrinkende griff sie nach dem Telefonbuch und schleppte sich in die Diele.
In ihren Ohren rauschte es, in den Schläfen war ein Hämmern und Klopfen.
Krebs! Du hast Krebs! Es ist zu spät!
3
Der Teufel steckt im Detail!, pflegte Dr. Winter zu sagen.
Dieser Morgen trug dazu bei, diese Theorie zu erhärten.
Um sieben Uhr gab es eine Notaufnahme, Beckenringbruch im neunten Monat. Die Frau hieß Anne Hauk, war 24, erstgebärend, das Kind befand sich in Steißlage. Der Unfall hatte sich vor vierzehn Stunden ereignet. Ein Sturz von der Leiter beim Fensterputzen.
Schwester Luise, die Hebamme, wunderte sich schon längst nicht mehr darüber, wozu Frauen im neunten Monat in frommer Einfalt fähig waren.
Die Patientin litt Höllenschmerzen. Die ganze Nacht hatte sie sich mit dem Beckenringbruch zu Hause herumgequält, bis dann gegen sechs in der Frühe die Eröffnungswehen einsetzten.
Jetzt lag sie auf der Tabula, und die Ärzte sollten das Bestmögliche aus der Sache machen.
Schmerzlindernde Injektionen schlugen nicht an, die Folge einer vorausgegangenen Cortisonbehandlung.
Dr. Winter ließ einen Lachgasrausch geben und holte unter Assistenz von Dr. Inge Simon-Stoll einen kleinen Erdenbürger unter Anwendung des Barachtgriffes. In neuer persönlicher Bestzeit, wie ihm Schwester Luise unter Vorzeigen der Stoppuhr versicherte. Dabei hatte der Kopf des Kindes eineinhalb Minuten im kleinen Becken verweilt und die Nabelschnur abgeklemmt, was zum abrupten Abbruch der Sauerstoffversorgung führte.
Der neue Erdenbürger war ziemlich blau angelaufen, maß 48 Zentimeter und wog nur 1900 Gramm, aber sein Stimmchen quäkte herzerfrischend in den Kreißsaal.
„Ein Prachtbursche ist er ja noch nicht, aber was nicht ist, kann werden. Erst mal ab dafür in die Bratröhre!“, sagte Schwester Luise in ihrer aufmunternd resoluten Art und legte den kleinen Hauk in den Inkubator.
Dr. Hermann Mittler versorgte die Nachgeburt und überließ die Patientin sodann dem Oberarzt der Chirurgie, Dr. Albert Rose, den man zugezogen hatte, damit er sogleich den Beckenringbruch einrichten konnte. Ein Transport der Frau auf die Chirurgische war nicht für zweckmäßig erachtet worden.
Die OP-Schwester Manka wollte eben im Ärztezimmer nebenan dem Team von Dr. Winter einen steifen Kaffee aufschütten, als die Aufnahme einen weiteren Notfall avisierte.
„Ein Luftunfall im achten Monat. Missglückte Notlandung einer Reisemaschine“, informierte Dr. Winter seine Mannschaft.
Rose wurde mit seiner Patientin in den Wachraum verbannt und die Tabula für die Notlandungspatientin hergerichtet.
Zwei Pfleger brachten schon den Wagen aus der Schleuse.
Die Frau war schlimm zugerichtet. Der Notarzt vom Rettungswagen hatte seine Diagnose mitgegeben. Fraktur des Nasenbeins, des Schlüsselbeins, diverse Rippenfrakturen, Gefäßquetschungen an bei den Oberschenkeln, Thoraxprellungen, innere Verletzungen.
Es mutete fast wie ein Wunder an, dass die Frau die missglückte Notlandung mit nur einer Schnittverletzung entlang des Haaransatzes überstanden hatte.
Die Assistenzärztin Dr. Simon-Stoll horchte die Herztöne des Kindes ab, während Dr. Winter aufmerksam den hohen Leib der Frau betrachtete.
Aus dem Begleitpapier ging hervor, dass starke schmerzlindernde Mittel gegeben waren. Dennoch bäumte sich die Patientin plötzlich auf und schrie.
Schwester Luise trat heran, beobachtete, schüttelte den Kopf und sagte: „Zum Röntgen reicht’s nicht mehr. Die Schockwehen setzen ein.“
„Kaiserschnitt!“, entschied Dr. Winter nach kurzem Überlegen. „Bereiten Sie einen zweiten Inkubator vor.“
Die Assistenzärztin richtete sich auf. „Verletzungen des Fötus nicht feststellbar. Wir sollten aber den Kollegen Rose zuziehen, gell.“
Schwester Manka eilte schon, um den Chirurgen aus dem Wachraum zu holen.
Die Patientin wurde auf die Tabula umgebettet.
„Ich nehme besser gleich ein Abonnement!“, ließ sich Dr. Rose vernehmen. Er wusch sich ein zweites mal an diesem Morgen steril und wartete darauf, dass die Gynäkologen ihm das Feld überließen.
Dr. Winter setzte den Schnitt sehr tief an. Die diagnostizierten inneren Verletzungen versetzten ihn in Unruhe. Gewiss hatte er schon ohne Röntgenbefund weit schwierigere Eingriffe vorgenommen, aber da war das Risiko bedeutend geringe gewesen.
Er klemmte etwas zu spät ab. Schwester Manka wischte ihm die feinen roten Spritzer von der Stirn.
Als er die Irritation in ihren Augen über der grünen Maske erkannte, konzentrierte er sich und arbeitete sicher und schnell.
„Wieder ein Junge. Wo bleibt die Gleichberechtigung?“ Schwester Luise nahm das abgenabelte Kind in Empfang und half beim Absaugen der Atemwege.
Dr. Winter holte die Nachgeburt und nähte, während Dr. Simon-Stoll dem kleinen Bürger den ersten Schrei zu entlocken suchte, damit Blut in die Lungen strömte.
Eisiger Schreck erfasste sie. Das Kind zeigte keine Reaktion.
Ein zweiter, ein dritter Klatsch – nichts.
„Sauerstoff!“, sagte die Hebamme und bewahrte unerschütterliche Ruhe. Sie zog das Pharyngoskop heran, und die Ärztin bog das winzige runzlige Gesicht nach hinten, führte behutsam den Tubus in die winzige Luftröhre und gab eine geringe Dosis.
„Und jetzt probieren wir es noch mal!“, sagte die Hebamme eifrig. „Heben Sie den Bengel hoch. Der wird uns doch keine Scherereien machen wollen? Das mögen wir aber gar nicht.“
Aus