Der Mord am Pulverbach. Gisela Garnschröder

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Der Mord am Pulverbach - Gisela Garnschröder

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enge Freundschaft. Bloß vor ihrer Mutter wollte sie es nicht zugeben.«

      Tann grinste, dann wurde er wieder ernst.

      »Verdammt schade um den Jungen. Jetzt wissen wir wenigstens, was er in der Nacht in Steinhagen gemacht hat. Dazu müssen wir unbedingt die Mutter befragen.«

      »Die arme Frau. Am Freitag ist die Beerdigung. Wir sollten beide hingehen.«

      Tann stieß einen heftigen Fluch aus, der bei Vera ein empörtes Stirnrunzeln auslöste und sie fuhr ihn an:

      »Meinst‘e für mich ist das ein Vergnügen?!«

      Er sah sie von der Seite an und strich ihr mit dem kleinen Finger verlegen über den Arm.

      »War nicht so gemeint, Vera. Habe gerade an meinen Sohn gedacht. Himmel, ich könnte den Kerl erwürgen, der das gemacht hat. Die Frau ist Witwe, sie hatte nur noch ihren Sohn, verdammt.«

      Vera sah ihn erstaunt an.

      »Ich wusste gar nicht, dass es dich so mitnimmt.«

      »Glaubst du, ich bin aus Holz?« Er umklammerte mit beiden Händen das Steuer und sein ansonsten schmales, sympathisches Gesicht glich einer bösen Maske. Vera wollte etwas erwidern, ließ es dann aber, weil ihr einfach die richtigen Worte fehlten. Wenig später hielten sie am Baugebiet in Steinhagen an, schlüpften in ihre Stiefel und gingen über die Baustelle. An einem Haus wurde kräftig gewerkelt, aber der Bauwagen, in dem der Tote gefunden wurde, war noch versiegelt. Langsam gingen sie hin und her, dann ging Josef Tann zu den Bauarbeitern hinüber, während Vera Senft sich die anderen Bauwagen ansah. Vera hatte nichts Besonderes entdeckt und ging zu dem versiegelten Bauwagen zurück. Als sie einer Pfütze auswich, streifte sie mit der Hand einen Baum, der direkt hinter dem Wagen stand. Merkwürdige Kratzer fielen ihr ins Auge. Bei genauerem Hinsehen entdeckte sie auch Fußspuren rund um den Baum. Schnell holte sie ihre Kamera aus der Tasche und machte Fotos.

      »Du musst die Krone fotografieren, das gibt ein besseres Bild!« Josef Tann tauchte lachend hinter ihr auf, und sie lachte ebenfalls.

      »Schau mal, Jupp. Sind die Spuren nicht merkwürdig.« Sie steckte die Kamera ein, schlüpfte in dünne Handschuhe und holte ein Tütchen aus der Tasche.

      »Hier am Stamm sind Sisalfäden. Könnte sein, dass der Junge hier gefesselt war.«

      Tann hockte sich nieder und nickte anerkennend.

      »Durchaus möglich. Nimm noch etwas von dem Boden in eine Tüte. An den Schuhen des Jungen war Schmutz.« Er stand wieder auf und sah sich um.

      »Der Radweg beginnt da vorn. Er ist entweder aus dem Hilterweg gekommen oder von der Woerdener Straße. Dann hat er etwas gehört oder gesehen und wollte wissen was es war, dabei ist er entdeckt worden.«

      »Und wo hatte er sein Fahrrad? Wenn die Täter es gesehen hätten, hätten sie es sicher kaputt gemacht.«

      »Du hast recht. Komm, wir warten erst die Untersuchung ab. Wenn die Erde unter den Schuhen des Jungen mit deiner Probe übereinstimmt, wissen wir genau, dass er hier war.« Mit einem letzten Blick über die Baustelle machten sie sich auf den Weg zu Frau Wiener.

      Christa Wiener war nicht allein in ihrer Wohnung. Als die Beamten dort vorsprachen, öffnete ein Mann von etwa fünfzig Jahren die Tür und geleitete sie ins Wohnzimmer.

      »Kastner«, stellte er sich vor. »Horst Kastner, ich bin ein Bekannter von Frau Wiener. Bitte warten Sie einen Moment, ich hole sie gleich.«

      Vera setzte sich in einen Sessel und Josef Tann ging zum Fenster.

      »Einen schönen Blick hat man hier. Nur Wälder und Felder«, bemerkte er und Horst Kastner, der wieder eingetreten war, pflichtete ihm bei.

      »Außerhalb wohnt man halt mitten in der Natur.«

      Sie warteten nicht lange, dann erschien Christa Wiener, schlank und zierlich, mit ihren halblangen, blonden Haaren war sie eine attraktive Frau um die fünfzig. Ganz in Schwarz gekleidet und mit einem leicht geröteten Gesicht, dem man ansah, dass sie gerade geweint hatte, begrüßte sie die Beamten mit der Frage:

      »Wissen Sie schon, wer meinen Jungen überfahren hat?«

      Vera warf einen kaum merklichen Blick zu ihrem Kollegen und erklärte dann:

      »Es tut uns leid, Frau Wiener, bisher konnte der Unfallflüchtige noch nicht ausgemacht werden.« Frau Wiener setzte sich Vera gegenüber und knetete nervös an ihrem Taschentuch. Horst Kastner verließ wortlos den Raum. Die Kommissarin wartete einen Moment und stellte dann die erste Frage:

      »Ihr Sohn soll mit einigen Freunden Doppelkopf gespielt haben, bevor er in der Nacht überfahren wurde. Wissen Sie die Namen der Beteiligten?«

      »Doppelkopf?« Christa Wiener sah die Beamtin überrascht an. »Deshalb ist er noch einmal weggefahren. Davon hat er mir gar nichts gesagt. Er war immer sehr korrekt, müssen Sie wissen.« Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Und ein sehr guter Schüler. Ich war so stolz auf ihn.« Sie presste nach diesen Worten das Taschentuch vor den Mund, um nicht laut aufzuschluchzen. Tann wandte sich unmerklich ab, sah erneut aus dem Fenster und ballte die Hände, die er tief in seinen Hosentaschen vergraben hatte, zu Fäusten. Veras Stimme war sanft, als sie mit der Befragung fortfuhr:

      »Können Sie mir die Namen der Doppelkopfpartner ihres Sohnes sagen?«

      Christa Wiener schrak auf. »Ja, natürlich. Tim Pletter und Sven Freitag, der dritte heißt Kai, aber ich weiß den Nachnamen nicht.« Vera erhob sich, warf Tann einen Blick zu und beide verabschiedeten sich.

      »Die Frau war völlig fertig«, stellte Vera fest, als sie wieder im Auto saßen.

      »Ist wohl normal«, antwortete Tann knapp.

      »Himmel, Jupp«, ereiferte sich Vera. »Sei nicht so garstig. Ich habe den Jungen nicht überfahren.« Tann startete den Wagen und brauste auf die Straße.

      »Du warst auch nicht gemeint. Wenn ich an diesem Autofahrer denke, habe ich eine solche Wut, da fällt es mir schwer mich zu beherrschen.«

      »Verflixt. Du bist Beamter. Reiß dich zusammen. Wir müssen auch noch die Familie der Maurers vernehmen.«

      Sie fuhren wieder Richtung Gütersloh. Tann funkelte Vera wütend von der Seite an und strich sich erneut das etwas zu lange Haar aus der Stirn, was kaum Auswirkungen hatte, denn sofort fielen die dichten Strähnen in die alte Lage zurück. Vera betrachtete ihn besorgt, sagte aber nichts mehr. Am Kommissariat angekommen, ging Tann ohne jegliche Äußerung in sein Büro. Vera machte noch eine Abstecher zur Kantine, gab die Fundstücke im Labor ab und machte sich dann seufzend an den Bericht.

      Am Nachmittag fand die Konferenz der Mordkommission statt. Tann gab die wenigen Hinweise bekannt, die sie bisher hatten. Dörte Masch hatte ebenfalls ihren ersten Beobachtungen vom Mord im Bauwagen berichtet, als sich ihr Kollege, Volker Franzen zu Wort meldete:

      »Der Bauunternehmer hat mir mitgeteilt, dass er in Rheda-Wiedenbrück auch noch eine Baustelle hat, auf der vor drei Wochen ein Schaufelbagger und eine Schlagbohrmaschine gestohlen wurden.«

      Tann schaltete sich ein:

      »Wunderbar, Volker, bei mir hat er nur von Diebstählen gesprochen.« Er wandte

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