Black and Blue. Wolfram Knauer
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King Oliver’s Creole Jazz Band (v. l. n. r.): Baby Dodds (Schlagzeug), Honore Dutrey (Posaune), King Oliver (Kornett), Louis Armstrong (Kornett), Bill Johnson (Bass), Johnny Dodds (Klarinette), Lil Hardin (später Armstrong) (Piano) (Fotoarchiv, Jazzinstitut Darmstadt)
Die schwarzen Bands in Chicago ließen sich im Großen und Ganzen zwei Lagern zuordnen: Es gab eingespielte Ensembles, die in den Theatern und größeren Ballsälen auftraten, und es gab die oft mit Musikern aus New Orleans bestückten Bands, die in den Cabarets und Nightclubs zu hören waren. Die Theaterorchester – sie nannten sich oft auch so, etwa Erskine Tate and His Vendome Theatre Orchestra – spielten meist im Loop, dem Geschäfts- und Entertainmentzentrum Chicagos. Zu ihrem Repertoire zählte Tanzmusik genauso wie klassische Ouvertüren, populäre Schlager oder W. C. Handys ›Memphis Blues‹. Die New-Orleans-Bands, die eher auf der South Side, dem schwarzen Viertel der Stadt, zu hören waren, klangen im Vergleich dazu rauer, archaischer. In ihrer Musik standen das kollektive Zusammenspiel und die Improvisation im Vordergrund. Einige Musiker waren in beiden Welten zu Hause – so auch Louis Armstrong, dessen Karriere in King Olivers New-Orleans-Band begonnen hatte, bevor er nach seiner Rückkehr aus New York im November 1925 in Erskine Tate’s Vendome Theatre Orchestra und ähnlichen Bands landete. Armstrong war mit allen Spielorten der Stadt vertraut, vom Lincoln Gardens, der sich vor allem an ein junges schwarzes Publikum richtete, über das Dreamland Café, ein von Schwarzen betriebenes »black and tan«, das also ein gemischtes Publikum anzog, bis zum Sunset Café, einem der teuersten Clubs auf der South Side, das sich vornehmlich an eine weiße Kundschaft richtete.
Aufnahmen mit der Creole Jazz Band
Hier nun beginnt die Geschichte des Jazzmusikers Louis Armstrong, die nicht nur aus Erzählungen und Augenzeugenberichten bekannt, sondern auch durch Aufnahmen dokumentiert ist. Der Jazz als eine improvisierte Musik ist auf die Tonaufzeichnung unbedingt angewiesen. Hätte es diese nicht gegeben, so wäre wahrscheinlich auch der Jazz nicht zu einer so einflussreichen Kunst geworden.
Die ersten Platten der Jazzgeschichte waren 1917 von der Original Dixieland Jazz Band eingespielt worden, einer weißen Kapelle aus New Orleans, deren Engagement im Reisenweber’s Café in New York Schlagzeilen machte. Ihre Musik spiegelt die Brassband-Tradition der Stadt am Delta wider und brachte dabei etwas weitaus Lebendigeres auf die Bühne, als New York es bis dahin gekannt hatte. New Yorks schwarze Kapellen waren zu dieser Zeit eher im Ragtime zu Hause, in einer Mischung aus Polka, Marschmusik, Walzer und Broadwayschlager. Die scheinbar unkontrollierte Polyphonie der Original Dixieland Jazz Band war also etwas Neues und die Tierstimmenimitationen, für die das Quintett bekannt war, willkommene Showeinlagen. Die Musiker behaupteten wie viele spätere Jazzmusiker auch, sie könnten keine Noten lesen und ihre Musik sei jedes Mal neu erfunden. Der Bandleader Nick La Rocca gab Erklärungen ab wie: »Ich weiß nicht mehr, wie viele Pianisten wir ausprobierten, bis wir einen fanden, der keine Noten lesen konnte.«42 Tatsächlich aber belegen verschiedene Aufnahmen derselben Stücke, dass nicht nur der formale Ablauf, sondern auch die einzelnen Stimmen bis ins Kleinste festgelegt waren – vielleicht nicht aufgeschrieben, aber auf jeden Fall eingeübt und gemerkt. 1917 also ging die ODJB, wie sie bald genannt wurde, ins Studio und ihre Aufnahmen von ›
Das Schicksal wollte es also, dass die ersten Tondokumente einer afroamerikanischen Musik von einer weißen Kapelle eingespielt wurden. Der schwarze Trompeter Freddie Keppard, so erzählt man sich, sollte noch vor den Aufnahmen der ODJB von der Plattenfirma Victor Records angeheuert werden. Er weigerte sich jedoch – der Legende nach, weil er meinte, Schallplatten würden es Nachahmern erleichtern, seinen individuellen Stil und seine Stücke zu stehlen. Sidney Bechet, selbst ein begnadeter Geschichtenerzähler, relativierte die Legenden um Keppards Plattenengagement:
Irgendjemand hat mal aufgebracht, dass Freddie die Geheimnisse um seine Musik verstecken wolle. Er deckte beim Spielen oft ein Taschentuch über seine Trompete, so dass man seine Finger nicht sehen konnte, und irgendein Kritiker schrieb dann, Freddie habe Angst, Platten einzuspielen. Dabei hatte Freddie nur Spaß gemacht. Jeder Musiker weiß, daß man gar nichts lernt, wenn man die Finger eines anderen Musikers beobachtet. Man lernt, indem man zuhört, es gibt keinen anderen Weg, nicht, wenn du ein wirklicher Musiker bist. Du kannst die Töne nicht finden, indem du sie beobachtest, du musst sie fühlen, wenn du sie spielst. Wir haben oft über das Schallplattengeschäft gesprochen, und aus seinen Antworten kann ich nur schließen: Freddie meinte, wenn er Platten aufnähme, dann würde die ganze Musikmacherei zu einem regelrechten Geschäft, danach würde es ihm einfach keinen Spaß mehr machen.43
Keppard sah in der Schallplatte, folgt man der Erzählung Bechets, einen Grad an Kommerzialisierung, die dem Jazz seine Ursprünglichkeit nehmen und den direkten Kontakt zwischen Musikern und ihrem Publikum verhindern würde. Der Jazz also lebte schon zu seinen Anfangszeiten von seiner Unmittelbarkeit.
Nach den Aufnahmen der ODJB von 1917 folgten ab 1920 Aufnahmen schwarzer Kapellen. So spielte die Sängerin Mamie Smith mit ihren Jazz Hounds am 14. Februar 1920 zwei Seiten für das Label OKeh Records ein und legte sechs Monate später einen veritablen Hit mit dem ›
Zwischen dem 5. April und dem 24. Dezember 1923 nahm die Creole Jazz Band insgesamt 37 Titel auf – Dokumente eines kunstvollen New Orleans Jazz, die den Reifeprozess eines der wichtigsten Vertreter dieser Musik nachvollziehbar machen und auch den Unterschied in den ästhetischen Haltungen Olivers, des Mentors, und Armstrongs, des Schülers und Vorreiters dessen, was kommen sollte. Viele der Titel sind in mehreren Versionen erschienen, was uns aufschlussreiche Vergleiche der kollektiven Improvisationspassagen, der Solobreaks und der Ausführung der grundlegenden Arrangements erlaubt.
Die ersten Aufnahmen entstanden in Richmond, Indiana, einer Stadt etwa vierhundert Kilometer südlich von Chicago. Dort befand sich eine Klaviermanufaktur, die Starr Piano Company, die um 1915 jährlich 15 000 Klaviere produzierte. Sie beschäftigte allein in Richmond 750 Menschen und hatte die Gennetts, denen die Fabrik mittlerweile gehörte, zu einer den reichsten Familien der USA gemacht. Überall im Land gab es Läden der Firma Starr, in denen man Klaviere und Flügel, auch Walzeninstrumente und die dazugehörigen Klavierwalzen kaufen konnte. 1877 hatte Thomas Edison seinen Zylinderphonographen auf den Markt gebracht, und um 1910 hatte man einen neuen Standard entwickelt, die Schallplatte. Starr