Predigen. Timothy Keller
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„Wissen Sie nicht, junger Mann, dass von jeder Stadt, von jedem Dorf und von jedem Weiler in England, wo sie auch liegen mögen, eine Straße nach London führt?“ „Ja, sicher“, erwiderte der junge Prediger. „Ah!“, sagte der alte Pastor. „Und genauso führt von jeder Bibelstelle ein Weg in die Hauptstadt der Bibel, also zu Christus. Und, mein lieber Bruder, wenn Sie einen Text vor sich haben, dann müssen Sie sich fragen: ‚Wo ist hier die Straße zu Christus?‘ Und dann müssen Sie in Ihrer Predigt diese Straße entlanggehen, bis Sie die Hauptstadt – Christus – erreicht haben. Und glauben Sie mir: Ich habe noch keinen Bibeltext gefunden, in dem nicht eine Straße hin zu Christus war, und wenn ich je einen finden sollte, der keinen solchen Weg hat, dann werde ich einen Weg bahnen; ich werde über Stock und Stein gehen, um zu meinem Herrn zu kommen, denn eine Predigt ist nur dann zu etwas Gutem nütze, wenn man Christus in ihr spürt.“69
Ich finde dieses Beispiel sehr hilfreich. Führen wir es noch etwas weiter aus und wenden es auf unsere eigene Predigt an.
Erstens: Ermitteln Sie die Hauptaussage des Autors Ihres Bibelabschnittes und widmen Sie ihr genügend Zeit. Um in dem Bild mit der Straße zu bleiben: Wir müssen die „Hauptstraße“ der Stadt ermitteln. Es geht darum, herauszufinden, was dieser Text seinen ursprünglichen Hörern (gewissermaßen den „Stadtbewohnern“) sagen wollte. Manche Texte haben eine einzige Pointe, die sofort ins Auge fällt, während andere etwas komplexer sind – so wie manche Städte entlang einer einzigen breiten Hauptstraße angelegt sind, während andere mehrere Hauptstraßen haben. Lernen Sie diese Straßen kennen, gehen Sie auf ihnen spazieren, gehen Sie nicht zu bald aus der Stadt hinaus. Vertiefen Sie sich in den Text, finden Sie heraus, wie sein Verfasser ihn damals, für die ursprünglichen Adressaten, gemeint hat. Nur wenn Sie die Botschaft des Verfassers begriffen haben, können Sie hören, was Gott in diesem Text sagt. Wenn Sie Zeit haben, wollen Sie sich vielleicht sogar ein paar der Nebenstraßen anschauen, wo es manchmal die interessantesten kleinen Läden gibt. Aber entfernen Sie sich nicht zu weit von der Hauptstraße, sonst könnte es sein, dass Sie nicht rechtzeitig zu ihr zurückfinden.
Zweitens: Wie der von Spurgeon zitierte Pastor sagt, ist jede Hauptstraße irgendwo mit einer Straße verbunden, die aus der Stadt hinaus zur Hauptstadt führt. Finden Sie diese Abzweigung! Nicht jede Straße, die aus der Stadt hinausführt, führt auch zur Hauptstadt; wenn Sie die falsche erwischen, müssen Sie womöglich später mühsam querfeldein laufen, um zur Hauptstadt zu kommen. Nicht alles in dem Predigttext, das Sie vage an Jesus erinnert, ist eine Straße, die zu ihm führt. Wenn der alttestamentliche Text den Tempel in Jerusalem zum Thema hat, liegt es nahe, über Christus als den endgültigen Tempel zu predigen (vgl. Johannes 2,13-22); das ist der Weg von der „Hauptstraße“ dieses Textes zu Jesus. Aber man kann nicht jedes x-beliebige biblische Detail auf Jesus münzen. Mag sein, dass das rote Seil, das die Hure Rahab in Jericho als Zeichen in ihr Fenster knüpfte (Josua 2,18), Sie beim ersten Lesen an das Blut Christi erinnert, aber dies ist hier wohl kaum gemeint. Doch irgendeinen Weg, der zur Predigt Jesu Christi hinführt, findet man in jedem Text. Zeigen Sie Ihren Hörern diesen Weg und gehen Sie ihn, bevor Sie Ihre Predigt beenden.
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