Predigen. Timothy Keller
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All diesen Formen des rhetorischen Missbrauchs stellt Paulus die Botschaft von „Jesus Christus, dem Gekreuzigten“ entgegen, aber man beachte, wie er diese Gegenüberstellung meint. Paulus will durchaus die Herzen seiner Zuhörer von Grund auf verändern; er will erreichen, dass sie etwas anderes zum Ziel ihrer tiefsten Liebe, ihrer tiefsten Hoffnung und ihres tiefsten Glaubens machen. Doch diese Veränderung darf nicht durch menschliche Kunstgriffe kommen, sondern nur durch „das machtvolle Wirken von Gottes Geist“ (1. Korinther 2,4), also (wie man auch übersetzen könnte) „durch ein einleuchtendes, kräftiges Überführtwerden, das vom Heiligen Geist selber kommt“23. Was bedeutet das? Thiselton wirft einen Blick auf die weiteren Ausführungen des Paulus und schreibt: „Wie aus 1. Korinther 2,16–3,4 erhellt, ist ‚Geist‘ christologisch zu verstehen.“ In diesem Abschnitt redet Paulus von dem „sich selbst zurücknehmenden Geist, der über sich selbst hinaus auf das Werk Gottes in Christus zeigt“24. Paulus vergleicht sich mit dem Heiligen Geist, der die Aufgabe hat, wie ein starker Scheinwerfer nicht auf sich selber zu zeigen, sondern uns die Herrlichkeit und Schönheit Christi hell zu machen (vgl. Johannes 16,12-15).
Hierin also liegt die Kraft des christlichen Predigers. So hält man nicht einen klugen Vortrag, sondern eine Leben verändernde Predigt. Es geht darum, nicht nur über Christus zu reden, sondern ihn den Menschen zu zeigen, seine Größe sichtbar zu machen, ihn als den zu zeigen, der allen Lobes und aller Anbetung wert ist. Wenn wir dies tun, wird der Heilige Geist uns helfen, denn dies ist sein großer Auftrag in der Welt.
Das Herz der Kultur erreichen
Wir haben die reiche Theologie der Predigt, die wir am Anfang des 1. Korintherbriefes finden, noch nicht ausgeschöpft. Wenn Paulus von einer lebensverändernden Predigt redet, meint er damit nicht nur die innere Welt seiner Zuhörer; er nimmt auch die äußere Kultur in den Blick, in der sie leben.
Denn obwohl sich seine Weisheit in der ganzen Schöpfung zeigt, hat ihn die Welt mit ihrer Weisheit nicht erkannt. Deshalb hat er beschlossen, eine scheinbar unsinnige Botschaft verkünden zu lassen, um die zu retten, die daran glauben. Die Juden wollen Wunder sehen, die Griechen fordern kluge Argumente. Wir jedoch verkünden Christus, den gekreuzigten Messias. Für die Juden ist diese Botschaft eine Gotteslästerung und für die anderen Völker völliger Unsinn. Für die hingegen, die Gott berufen hat, Juden wie Nichtjuden, erweist sich Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. (1. Korinther 1,21-24)
Für den Theologen Don Carson beschreibt Paulus hier die „fundamentalen Götzendienste [seiner] Zeit“25. Paulus gibt eine gekonnte Zusammenfassung der Unterschiede zwischen der griechischen und der jüdischen Kultur. Jede Gesellschaft hat ein Weltbild oder eine „Weltgeschichte“ bzw. ein „kulturelles Narrativ“, das die Identität und den Glauben der Menschen in ihr prägt. Die Griechen schätzten im Allgemeinen Philosophie, Kunst und intellektuelle Leistungen, während die Juden sich eher von Macht und praktischen Fertigkeiten beeindrucken ließen. Paulus hält beiden Weltsichten das Kreuz Jesu entgegen. Eine Erlösung, die nicht durch hohe Gedankenflüge und Philosophie kam, sondern durch einen gekreuzigten Erlöser, war für die Griechen das Gegenteil von Weisheit – Unfug und Torheit. Und für die Juden war eine Erlösung, die durch einen gekreuzigten Erlöser kam und nicht durch einen Befreier, der die Römer aus dem Land jagte, das Gegenteil von Macht – Schwäche. Paulus benutzt das Evangelium, um jede dieser Kulturen mit dem letztlich abgöttischen Wesen ihrer Werte und Sicherheiten zu konfrontieren.
Doch nach dieser Konfrontation geht Paulus noch weiter; er benennt und bejaht die Grundsehnsüchte der beiden Kulturen. Den Griechen sagt er: „Ihr wollt Weisheit. Gut, schaut euch das Kreuz an, das es Gott ermöglicht hat, beides zu sein: gerecht und der, der die Glaubenden gerecht spricht. Ist das nicht Weisheit in ihrer höchsten Form?“ Und den Juden sagt er: „Ihr wollt Macht. Gut, schaut euch das Kreuz an und wie es Gott ermöglicht hat, unsere mächtigsten Feinde – die Sünde, die Schuld, ja den Tod – zu besiegen, ohne uns dabei zu vernichten. Ist dies nicht die höchste denkbare Macht?“
Paulus benennt also das Weltbild jeder dieser Kulturen und konfrontiert sodann die jeweils in ihm steckende Abgötterei – die intellektuelle Hybris der Griechen und die Werkgerechtigkeit der Juden – und zeigt auf, dass die Art, wie sie ihrem höchsten Gut nachjagen, ebenso sündig wie aussichtslos ist. Aber dies ist keine bloße intellektuelle Übung oder clevere rhetorische Strategie, sondern ein Akt der Nächstenliebe. Wir sind soziokulturelle Wesen, und das, was wir im Innersten wollen und wünschen, ist zutiefst geprägt von der menschlichen Gesellschaft, zu der wir gehören. Der christliche Prediger, der einen Bibeltext auslegt und erklärt, sollte daher die Botschaft der Bibel immer in Bezug setzen zu den Grundannahmen und Glaubenssätzen der Kultur seiner Hörer (die ihnen selber gewöhnlich nicht bewusst sind), um ihnen zu helfen, sich selber besser zu verstehen. Wenn dies auf die richtige Art geschieht, führt es dazu, dass die Menschen sich sagen: „Ach so, DARUM denke und fühle ich immer wieder so.“ Und das kann einer der befreiendsten und folgenreichsten Schritte auf der Reise eines Menschen hin zu einem lebendigen Glauben an Christus sein.
Um seine Zuhörer wirklich zu erreichen, muss der Prediger die „Geschichte“, die ihr Weltbild prägt, an strategischen Punkten konfrontieren und sie anschließend gleichsam neu erzählen, auf eine Art, die ihnen zeigt, wie ihre tiefsten Sehnsüchte allein in Christus gestillt werden können. Wie Paulus müssen wir die Menschen über die Schlüsselsehnsüchte und -werte ihrer Kultur erreichen und einladen – einladen zu Christus, der wahren Weisheit, Gerechtigkeit, Macht und Schönheit.
Das Wort lieben – die Hörer lieben
Was ist also eine gute Predigt? Lassen Sie mich das bisher Gesagte zu einer Definition zusammenfassen.
Predigen heißt „das Geheimnis zu verkünden, das Gott uns enthüllt hat“ (1. Korinther 2,1). Es heißt biblisch predigen, in der Auseinandersetzung mit dem Text des Wortes Gottes. Dies bedeutet, dass ich meinen Zuhörern das Wort Gottes zu bringen habe und nicht meine persönliche Meinung. Der Prediger redet im Auftrag Gottes und gibt Gottes Worte weiter (1. Petrus 4,11). Er muss herausarbeiten, was der Text in seinem Kontext bedeutet – sowohl in seinem historischen Kontext als auch im Gesamtkontext der Bibel. Dieser Teil des Dienstes am Wort Gottes ist die Auslegung. Der Prediger erläutert, treu und gewissenhaft, was die Botschaft dieses Textes ist, wobei er stets den Rest der biblischen Lehre mit im Hinterkopf hat; er darf nicht „eine Schriftstelle so erklären, dass sie einer anderen widerspricht“26.
Predigen heißt weiter, Gottes Wort „Juden wie Nichtjuden“ zu verkünden (1. Korinther 1,24). Es geht darum, die Herzen und die Kultur der Hörer zu erreichen – nicht nur ihre grauen Zellen zu informieren, sondern auch ihr Herz, ihre Interessen und Gefühle anzusprechen und sie zur Buße und einem neuen Denken und Verhalten zu bewegen. Eine gute Predigt ist nicht ein Knüppel, der den Willen bricht, sondern ein Schwert, das bis ins Innerste des Herzens dringt (Apostelgeschichte 2,37) und uns schonungslos zeigt, wie und wer wir wirklich sind (Hebräer 4,12). Sie nimmt den Text und seine Auslegung und trägt ihn in die Situation des Hörers hinein, denn wir haben einen Bibeltext erst dann wirklich verstanden, wenn wir begreifen, was er mit uns und unserem Leben zu tun hat. Dies ist die zweite Aufgabe des Predigers – die Anwendung der Aussagen des Textes auf die Hörer –, und sie ist wesentlich komplizierter, als man meistens denkt. Die Herzen und die Kultur ansprechen – beides ist, wie gesagt, miteinander verbunden, denn das Weltbild und die kulturellen Narrativen hinterlassen tiefe Spuren in der Identität, dem Gewissen und dem Realitätsverständnis des Einzelnen. Ein guter Prediger setzt sich nicht mit der Kultur seiner Hörer auseinander, um „relevant“ und „aktuell“ zu sein, sondern um die tiefen Lebensfundamente seiner Hörer freizulegen.
Der Prediger Alec Motyer schreibt, dass der Prediger nicht einer, sondern zwei Instanzen