Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann

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Hannah von Bredow - Reiner Möckelmann

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später und dank ihres Informanten Erwin Planck vermerkt Hannah von Bredow in ihrem Tagebuch am 31. Mai 1932, noch vor der öffentlichen Bekanntgabe von Papens Ernennung zum Reichskanzler: „Papen (Franz) ist Kanzler. Das klingt wie ein Witz, ist aber Wahrheit.“ Am selben Tag lässt Hannah ihren Briefpartner an der aktuellen Regierungskrise sowie an Hindenburgs Misstrauensvotum gegenüber Kanzler Brüning teilhaben und beendet den Bericht mit: „Und so kam Fränzchen dran.“

      Schon einen Tag nach dem Treffen Hindenburgs mit Hitler am 13. August 1932, bei dem dieser in Papens Gegenwart eine Beteiligung und Mitarbeit an der bestehenden Regierung Papen strikt ablehnte, berichtet Hannah ihrem Vertrauten detailliert über das Gespräch. Ihren Brief vom 14. August 1932 beginnt sie mit der Feststellung: „Und nun gab er mir eine absolut unvorsichtige Schilderung der gestrigen Ereignisse.“ Mit „er“ meinte sie Erwin Planck, der am Gespräch teilgenommen hatte und ihr Hitlers Haltung begründete: Dieser beabsichtige, die Auflösung des Reichstags zu erzwingen, um in Neuwahlen die absolute Mehrheit zu erreichen.

      Wenige Wochen darauf berichtet Hannah von Bredow von einer Abendgesellschaft, bei der auch Franz von Papen zugegen war: „Nach Tisch gab Sulla eine sehr interessante und sprühend lebendige Schilderung des 13.8. die aber so genau der Puck’schen Darlegung entsprach, dass ich sie nicht wiederholen will.“ Nach „Puck“, für Erwin Planck, führt Hannah einen weiteren Decknamen ein: „Sulla“ für Franz von Papen. Sie spielt damit auf den führenden Vertreter der römischen Optimaten an, der konservativen Adelspartei, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Rom entgegen bestehender Gesetze die Herrschaft an sich riss. Bei der Namensgebung dachte Hannah zweifellos an Papens Entmachtung der demokratisch legitimierten preußischen Regierung wenige Wochen zuvor, den „Preußenschlag“, der das Schicksal der Weimarer Republik besiegelte.

      Festzuhalten bleibt Hannah von Bredows ausgeprägtes politisches Interesse und Verständnis sowie ihr Bemühen, sich dank ihrer Bekanntschaft mit hochrangigen Politikern Schilderungen von wichtigen Ereignissen wie dem 13. August 1932 von mehreren Zeugen, möglichst von Augenzeugen, geben zu lassen.

      Aus einer dritten Quelle erfuhr Hannah von Bredow den Inhalt eines weiteren Gesprächs im Reichspräsidentenpalais an dem historischen 13. August 1932. Konstantin von Neurath, Reichsaußenminister unter Papen und bis Anfang Februar 1938 auch unter Hitler, berichtete ihr am 22. August bei einem Essen über ein Gespräch, „das Sulla am 13. zwischen 6 und 7 p.m. ohne Zeugen mit Father Xmas gehabt hat“. Das Gespräch schildert sie Jessen „mit dem Vorbehalt, dritte Instanz zu sein“, in Dialogform, wobei sie Minister von Neurath in Anlehnung an den Statthalter von Marcus Antonius auf Zypern, „Demetrius“ nennt, während Reichspräsident von Hindenburg für sie respektlos „Father Xmas“ ist.

      „Demetrius“, so setzt sie ihren Brief fort, habe ihr einen Text „im Wortlaut“ gezeigt und Teile daraus sogar vorgelesen. Hannahs Schreiben nach zu urteilen hatte Papen seinen Reichswehrminister Kurt von Schleicher über das Vieraugengespräch mit Hindenburg unterrichtet, dessen Inhalt dieser festhielt und Neurath zugänglich machte.

      Ihren Bericht an Jessen vom 22. August 1932 beschließt Hannah mit der Mitteilung: „Tragisch sind die Verhältnisse im A.A. [Auswärtigen Amt], wo Demetrius völlig irre läuft, und wo auch Puck, Fouché etc. die größten Dummheiten machen. Demetrius will absolut nach London, alles andere ist ihm einerlei. Dabei soll der Madrider dort hin, der meinem Gefühl nicht entspricht. In Paris wird der Schaden zusehends größer, aber man ruft ihn nicht ab, weil man ‚keinen besseren‘ hat!“

      Den Namen des mächtigen und intriganten Joseph Fouché, der Robespierre stürzte und Napoleon zur Macht verhalf, verlieh Hannah von Bredow Kurt von Schleicher; der „Madrider“ war ihr guter Freund Johannes Graf von Welczek. In Paris stand Botschafter Leopold von Hoesch zur Versetzung an. Demnach machte sich von Neurath knapp drei Monate nach seinem Wechsel von der Botschaft in London ins Auswärtige Amt wieder für den alten Posten stark, den dann aber von Hoesch übernahm.

      Auch wenn Zweifel z.B. an der Authentizität der von Hannah von Bredow in westpreußischem Dialekt wiedergegebenen Aussagen von „Father Xmas“ berechtigt sein mögen, so zeigen die Schilderungen der Interna im Auswärtigen Amt ihr großes Interesse am politischen und diplomatischen Geschehen der Zeit. Sie belegen darüber hinaus, dass sie maßgeblichen Politikern und Diplomaten wahrscheinlich eine ernsthafte Gesprächspartnerin war und diese bewegen konnte, ihr auch diskrete Informationen anzuvertrauen.

      Der Kontakt zu Konstantin von Neurath, der von ihr auch „der Schwabe“ genannt wurde, blieb bis zum Ende von dessen Ministerzeit im Februar 1938 bestehen. Bereits im Frühjahr 1935 aber, als Joachim von Ribbentrop, der ehemalige Importeur von Spirituosen, in dem nach ihm benannten Büro unter Umgehung des Auswärtigen Amts Hitler in außenpolitischen Fragen direkt zuarbeitete, schreibt Hannah an Jessen bedauernd: „Der Schwabe hat den besten Moment zum Absprung verpasst, jetzt macht der Sektlieferant alle Geschäfte direkt und behauptet, dass sein ‚cru‘ der einzig Trinkbare sei.“

      Später als in den übrigen Ministerien wurde die Leitung des Auswärtigen Amts im Februar 1938 mit Ribbentrop ganz auf nationalsozialistischen Kurs gebracht. Bereits früh lernte Hannah von Bredow dagegen maßgebliche Personen der „Bewegung“ dank ihrer Brüder Otto und Gottfried von Bismarck kennen und einzuschätzen.

      Die Nationalsozialisten früh im Blick

       „Heute ist Hitler 43 Jahre alt – ob er in einem Jahr schon Reichspräsident oder Kanzler ist? Eins von beiden sicher.“

      (Tagebuch Hannah von Bredow, Mittwoch, 20. April 1932)

      Hannah von Bredow war die älteste von fünf Geschwistern. Schwester Goedela war drei Jahre jünger als sie und unpolitisch; die Brüder Otto, Gottfried und Albrecht waren vier, acht und elf Jahre jünger. Alle Brüder hatten Jura studiert. Während Albrecht ohne Abschluss blieb und sich überwiegend in Italien im Handel von Antiquitäten und als Innenarchitekt betätigte, gingen die Brüder Gottfried und Otto den Weg in die Politik bzw. die Diplomatie.

      Otto Fürst von Bismarck hatte sein Reichstagsmandat für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) im Jahre 1927 mit dem Eintritt in die Diplomatie und anschließenden Tätigkeiten an den deutschen Botschaften in Stockholm, London und Rom niedergelegt. Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen unternahm nach dem Juraexamen Studienreisen, arbeitete für Wirtschaftsverbände und bewirtschaftete bis zum Machtantritt Hitlers drei Jahre lang das von ihm geerbte Familiengut im pommerschen Reinfeld.

      Die Brüder Otto und Gottfried von Bismarck hatten ebenso Vorbehalte gegen das parlamentarische System der Weimarer Republik wie die von ihnen favorisierte nationalkonservative DNVP, obwohl diese zeitweilig auch zu Regierungstätigkeit bereit war. Nach seinem Rückzug aus dem Reichstag erlebte Otto im Mai 1928 große Verluste seiner Partei in den Wahlen zum 4. Reichstag. Die NSDAP Hitlers blieb zwar noch Splitterpartei, wurde gut zwei Jahre darauf, nach den Septemberwahlen 1930 zum 5. Reichstag, aber bereits zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten. Der Stimmenanteil der DNVP halbierte sich in diesen Wahlen, sodass sie ihrerseits Splitterpartei wurde, während die NSDAP zur Massenbewegung aufstieg.

      In Aufmärschen, Reden und Schriften vermittelte die politisch unverbrauchte NS-Bewegung den Deutschen in der Zeit des Übergangs der Republik vom parlamentarischen zum autoritären Regime Durchsetzungskraft und Dynamik. Sie versprach den Kampf gegen den Bolschewismus sowie die Überwindung der außen- und innenpolitischen Niederlage von 1918. Nachdem der Parteiführer der DNVP, Alfred Hugenberg, im Oktober 1931 in Bad Harzburg mit Hitler bei einer Veranstaltung der „nationalen Opposition“ zusammengetroffen war, erschien es auch Otto und Gottfried von Bismarck an der Zeit, Hitlers Ansichten genauer kennenzulernen.

      Am 11. Januar 1932 luden die Bismarck-Brüder den NS-Führer Adolf Hitler, den SA-Führer und späteren Polizeipräsidenten von Potsdam,

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