Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann
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Ihre finanzielle Durststrecke konnte die Familie von Bredow erst im Jahre 1928 beenden, nachdem Leopolds amerikanisches Erbe freigegeben worden war. Das Potsdamer Haus wurde umgebaut, und Leopold erwarb das Chalet L’Espérance im Schweizer Les Diablerets. Dort verbrachte die kinderreiche Familie über viele Jahre die Sommerferien. Das Vermögen erlaubte Hannah und Leopold von Bredow darüber hinaus, Mitte Februar 1930 zu einer halbjährigen Weltreise mit einem langen Aufenthalt in den USA aufzubrechen.
Während dieser Reise schildert Hannah von Bredow ihrem Briefpartner Sydney Jessen parallel zu ihren Tagebucheintragungen auf vielen Seiten, neben ihren Eindrücken von Städten, Museen und der Natur, besonders ihr Bild von der amerikanischen Gesellschaft. Dank Leopolds früherem langjährigem US-Aufenthalt und seinen seinerzeit auch durch Senator Newlands erworbenen Bekanntschaften erhielt das Ehepaar auf jeder Station seiner Reise unzählige Einladungen in Clubs, Salons oder Restaurants.
Besonders fiel Hannah von Bredow in den USA auf, dass „auf Gesellschaften, die in Deutschland als altmodisch verschrieene, ‚reinliche Scheidung der Geschlechter‘ an der Tagesordnung ist, und kein Mann, es sei denn er sei Ausländer oder ein Greis einer Frau in die Nähe geht.“ Die Männer seien „gewiss Sklaven der Frauen, haben auch alle diesen unfreien Blick, aber sie lassen sich doch nicht mehr wie früher zum Courmachen gewinnen, sondern drücken sich einfach, um zusammen ‚fach‘ zu ‚simpeln‘.“
Freimütig schildert Hannah von Bredow in ihren Briefen aus Amerika, wie unverblümt dort ihre große Kinderzahl beurteilt wurde. So habe eine Dame der Gesellschaft, „von einer unverwüstlichen Energie, sehr witzig, laut und vulgär“, sie direkt gefragt, warum sie sieben Kinder habe, ob sie nichts über Geburtenkontrolle lese und ob alle Kinder von Leopold seien. Hannah überging die Fragen, die die „Dame“ schreiend über den Tisch an sie gerichtet hatte.
Ein Mr. Robinson sprang ihr bei, und Hannah zitiert den Dialog: „Now don’t be too funny Mrs. McKin!“ – „Oh, just you be quiet, I’m sure that nice von Bredow can’t have been fool enough to have 7 children of his own“ – „He has eight as far as I know!“ erwiderte Robinson. Dann: „Well, tell me, why don’t you go to a beautyparlor! It´s time you started, it really is! You must think of your husband!“. Aber auch von männlicher Seite erfuhr Hannah einen Kommentar, den sie in ihrem Brief in seiner Offenheit als verblüffend bezeichnet: „I hear from your husband that you have actually had seven children! Only niggers breed that way with us!“ Dem Bericht Hannah von Bredows entsprechend schwieg Ehemann Leopold hierzu. Wieder einmal musste sie sich damit trösten, dass sie im Gegensatz zu ihrem Vater über „the thickest skin ever worn by man, woman or child“ verfügte.
Bereits als Jugendliche hatte Hannah ihre Vorliebe für eine eigene große Familie bekundet. Während sie selbst mit vier Geschwistern aufwuchs, teilte sich Ehemann Leopold das Elternhaus mit sechs Brüdern und Schwestern. Bei einem Besuch der Familie Whitehead in Efford House bei Liverpool erzählte die 18-jährige Hannah im Jahre 1912 der Großmutter von ihrer Liebe für Babys und kleine Kinder und erklärte, dass sie spätestens in drei Jahren heiraten werde. Sie wolle so schnell wie möglich ein Dutzend Kinder haben, ergänzte sie, und endete mit der verblüffenden Bemerkung, dass sie eine große Familie für erforderlich halte, „because a man is only bearable when one has him surrounded by lots and lots of children. That keeps him happy.“
Ehemann Leopold zeigte sich indessen mit neun Kindern, denen er sich mit viel Zuneigung widmete, vollauf zufrieden. Im Alter von 40 Jahren konnte Hannah dann nicht mehr daran denken, das Dutzend Kinder voll zu machen. Den letzten Sohn Leopold Bill erlebte Leopold von Bredow vor seinem Tod am 1. Oktober 1933 nur noch wenige Monate.
Das Eheleben von Hannah und Leopold von Bredow war nicht ungetrübt. Ohne die Möglichkeit, seinem Beruf nachgehen zu können, widmete Leopold sich zunehmend dem Besuch von Clubs, Pferderennen, dem Golfspiel und ausgiebigen Jagdreisen. Versuche zu einer Tätigkeit in einer Reitschule sowie in einer Bank scheiterten an seinem unsteten Leben. Er schätzte das gesellige Leben, und sein Charme machte ihn zu einem gern gesehenen Gast. So war er auch mit dem Kunstsammler, Mäzen und Schriftsteller Harry Graf Kessler befreundet und traf sich mit ihm zur Jagd oder zu Opernbesuchen. Hannah von Bredow dagegen bevorzugte das reiche Kulturleben Berlins und die regelmäßigen Besuche von Theater, Konzerten und Vorträgen. Ihre große Kinderzahl hielt sie nicht von Reisen zu Verwandten und Freunden, von Einladungen zu Mittags- und Abendveranstaltungen oder eigenen Einladungen in ihr offenes Haus ab.
Zurückgekehrt von ihrer Reise in die Neue Welt, feierte die Familie am 31. Oktober 1930 in Potsdam mit einem großen Familienfrühstück den 55. Geburtstag Leopolds. Kurz darauf reiste dieser mit Freunden zur Jagd nach Tamsweg ins Salzburgerland, und Hannah befürchtete am Abreisetag: „Er wird sicher krank zurückkommen.“
Tatsächlich fand Hannah ihn nach seiner Jagdreise Ende November 1930 „zum Skelett abgemagert, sehr reizbar“ vor. Zudem hatte er sich einen Knochenbruch zugezogen. Sie brachte ihn in eine Klinik, wo er erfolgreich operiert wurde. Im Herbst des Jahres 1931 ereilte Leopold von Bredow dann eine Blinddarmentzündung, die eine schwierige Operation mit Reanimierung zur Folge hatte. Eine längere Kur schloss sich an, zu der Hannah ihn begleitete.
Mitte Mai 1932 erkrankte Leopold erneut mit hohem Fieber, welches sich über einen Monat hielt und den Ärzten keine klare Diagnose ermöglichte. Als sich im Sommer Hustenanfälle verstärkten, wurde eine Lungenentzündung festgestellt. Seinen 57. Geburtstag musste Leopold von Bredow dann im Oktober 1932 im Krankenhaus verbringen. Nach einer Phase der Beruhigung stellten sich im Frühjahr 1933 heftige eitrige Blutungen ein, Zeichen eines Lungenödems. Ende April lieferte Hannah ihren dennoch „merkwürdig frischen und aufgeräumten“ Mann in die Klinik Martinsbrunn in Meran ein und blieb zunächst drei Wochen bei ihm.
Hoffen und Bangen bestimmten die kommenden Monate. Anfang Juli 1933 traf Hannah von Bredow wieder in Meran ein und schrieb, dass sich Leopolds Befinden von Tag zu Tag bessere und er „wirklich Aussicht auf Genesung“ habe. Ende Juli heißt es im Tagebuch: „Leopold wunderbar munter und lustig. Kinder alle so nett. Wie er Billy liebt. Gott wolle doch in Gnaden geben, dass er wirklich gesund wird, denn er ist so froh, und das ergreift mich aufs Tiefste. Und wie er die Nazis hasst.“
Mitte September wurde Leopold von Bredow in eine Spezialklinik nach Lausanne verlegt, in die Hannah am 30. September eilte, um einen Tag darauf festzuhalten: „Sonntag, 1. Oktober 1933. Es ist Nacht und alles vorbei. Leopold ist in qualvollster, grauenhaftester, fürchterlichster Weise gestorben. Um 9.15 trat der Tod ein. Ich werde nie, nie, nie das Grauen loswerden.“
Die Ärzte diagnostizierten als Todesursache Encephalitis lethargica, eine besondere Form der Hirnhautentzündung. Voller Empathie schreibt Hannah von Bredow ihrem Briefpartner Sydney Jessen zwei Tage nach Leopolds Tod: „Wenn ich nie Kinder bekommen hätte, hätte ich dies nicht ertragen können, aber auch so – ich kann eben nicht zuschauen, wenn andere leiden.“ Und sie ergänzt: „Er war gerade diesen Sommer mit dem Wunderbaby so selten glücklich, vielleicht so, wie noch nie, und ich hätte ihm ehrlich und herzlich diese Herbstferien, auf die er sich rasend freute, so gegönnt.“
Ende Oktober 1933 reiste Hannah von Bredow zur Eröffnung von Leopolds Testament in die USA. Unterwegs gedenkt sie am 31. seines Geburtstags: „Heute wäre Leopold 58 Jahre alt geworden. Ich kann und kann es nicht aushalten, bin so allein.“ Jedes Jahr legt sie zu Leopold von Bredows Geburtstag Blumen am Grab im brandenburgischen Sacrow nieder, erinnert in Tagebuch und Briefen an seinen Todestag und schreibt am 15. März 1935: „Vor 20 Jahren Ehe. Die Kinder machen mich ewig glücklich.“ Briefe und Tagebücher lassen aber auch erkennen, dass Leopold von Bredow