Kein Lord wie alle anderen. Inka Loreen Minden
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Читать онлайн книгу Kein Lord wie alle anderen - Inka Loreen Minden страница 11
Hastings und Rochford waren sehr gute Freunde, wie Henry herausgefunden hatte, denn die zwei kannten sich schon fast ihr ganzes Leben. Lord Hastings hatte einige Anekdoten aus der gemeinsamen Studienzeit zum Besten gegeben, und Henry hatte sich gut unterhalten gefühlt. Allerdings hätte er lieber noch einmal mit Izzy geredet, aber ihre Stiefmutter sorgte dafür, dass die junge Frau keine Minute durchatmen durfte. Dementsprechend müde sah Izzy nun aus. Ihre Freundin Penelope hatte sich, wie die meisten anderen, längst verabschiedet, und nur noch Lord und Lady Trenton, der Earl of Hastings und Izzy befanden sich jetzt mit Henry in der großen Halle.
Als er den Butler bat, ihm seinen Mantel zu bringen, eilte die Viscountess sofort zu ihm und fragte verschnupft: »Sie wollen uns schon verlassen, Mylord? Sie können gerne über Nacht bleiben, ich habe extra für Sie ein Zimmer herrichten lassen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Lady Trenton«, antwortete er milde lächelnd. Er hasste es, zu lächeln, weil dann seine Narbe spannte und er wusste, dass sich sein Gesicht zu einer Fratze verzerrte. »Zu mir nach Hause ist es nicht weit und der Vollmond leuchtet mir den Weg. Außerdem warten noch einige Verpflichtungen auf mich. Ich fürchte, ich kann nicht länger Gast Ihrer großzügigen Feier sein. Hoffentlich können Sie mir verzeihen, doch ich kann dringende Geschäfte nicht aufschieben.«
Das war nicht einmal eine Ausrede. Auf ihn warteten ein Anwaltstermin und jede Menge Papierkram. Außerdem musste er sich in die Verwaltung der Ländereien einarbeiten, was völlig neues Terrain für ihn war. Und warum sollte er sich länger quälen, wenn Isabella Norwood ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass sie keine Heiratsabsichten hegte? Henry war nur noch anstandshalber bis zum Ende des Abends geblieben und froh, dass er nun nach Hause reiten und sein schmerzendes Bein entspannen konnte.
Lord Trenton, von dem er sich noch persönlich verabschieden wollte, hatte sich in der Halle auf einen Stuhl gesetzt und war schon wieder eingenickt. Izzy stand neben ihm und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Sorge und Zuneigung. Ihre Stiefmutter, die kaum zehn Jahre älter war als Izzy, schien ihren Gatten sehr auf Trab zu halten.
»Rowena!« Izzy winkte ihr. »Papa muss dringend ins Bett.«
Lady Trenton verdrehte die Augen, verabschiedete sich mit einem süßlichen Lächeln von Henry und eilte zu ihrem Mann, um ihn unsanft vom Stuhl zu zerren. In diesem Moment kam der Butler mit Henrys Mantel, doch anstatt sich von dem Diener beim Anziehen helfen zu lassen, nahm er ihm das Kleidungsstück einfach aus der Hand, was ihm von Izzy ein Schmunzeln einbrachte. Offenbar hatte sie ihn beobachtet. Nun schlenderte sie auf ihn zu, während sich ihre Stiefmutter abmühte, Lord Trenton die große Treppe nach oben zu zerren, wobei Hastings sie fragte, ob er ihnen behilflich sein dürfte.
»Ich finde es auch schade, dass Sie uns schon verlassen wollen, Mylord«, sagte Izzy und setzte nach einem schnellen Blick über ihre Schulter etwas leiser hinzu: »Henry.« Die Viscountess schien ohnehin nichts zu hören, denn sie schimpfte mit ihrem Gatten, der partout nicht schneller gehen wollte.
»Falls es Ihnen irgendwie hilft«, erklärte Henry flüsternd, »werde ich Ihnen jeden Tag Blumen schicken. Natürlich rein als Ihr platonischer Freund. Aber Ihre Stiefmutter wird denken, Sie haben einen Verehrer, und vielleicht vorerst keine Feiern mehr veranstalten.«
Izzy strahlte ihn an und drückte kurz seine Hand. »Sie sind wundervoll, Henry. Vielen lieben Dank. Das hilft nicht nur mir, sondern auch Papa. Rowena strapaziert ihn einfach zu sehr. Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei Ihnen revanchieren kann.«
»Unsere wunderbaren Gespräche sind mir Dank genug.« Er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, damit sich sein Gesicht nicht verzerrte, aber in Izzys Gegenwart wollte ihm das kaum gelingen. »Allerdings muss ich Sie vorwarnen. Ich kann Ihnen nur so lange behilflich sein, bis die neue Saison beginnt. Dann werde ich nach London reisen, um mir eine Ehefrau zu suchen.«
»Das verstehe ich. Ach, Henry, ich wünsche Ihnen so sehr, dass Sie nicht nur eine Gattin, sondern auch die Liebe finden.«
Ihre freundlich gemeinten Worte trafen ihn wie ein Fausthieb in den Magen. Er hatte bereits beides gefunden gehabt – und auf einen Schlag verloren. Edith’ Verlust hatte ihm mehr zugesetzt als die Folter durch seine Kameraden.
»Bitte grüßen Sie Ihren Vater von mir«, sagte er mechanisch, als plötzlich ein panischer Schrei durch die Halle tönte. Er kam von oberhalb der Treppe, und eine Frau rief: »Hilfe! Zu Hilfe!«
Ohne nachzudenken, ließ Henry den Mantel fallen. Er ignorierte sein pochendes Bein und eilte gleich nach Lord Hastings die Stufen nach oben. Irgendetwas war passiert; vielleicht konnte er helfen. Womöglich befand sich jemand in Not. Auch wenn er ein halber Krüppel war, wusste er immer noch seine Fäuste einzusetzen. Außerdem versteckte er ein Messer unter seinem Frack.
Er lief an der Viscountess vorbei, die Lord Trenton einfach auf den Stufen stehen ließ und ebenfalls in den ersten Stock eilte, um sich an Hastings’ Fersen zu heften.
Eine junge Frau in Dienstmädchenkleidung stand an der Brüstung, und Emily Appleton, die Gattin von Lord Hastings, trat auf den Flur. Ihr feuerrotes Haar fiel ihr in großen Wellen über die Schultern und auf den grünen Morgenrock; Hastings begab sich sofort an ihre Seite und fragte: »Alles in Ordnung bei dir?«
»Mir fehlt nichts«, antwortete sie.
Henry ballte kurz die Fäuste zusammen, weil ein glühender Schmerz seinen Oberschenkel zerschnitt, dann erreichte auch Lady Trenton die Etage und zuletzt folgte Izzy mit ihrem schwer atmenden Vater.
Lord Rochford, der sich zuvor von ihnen verabschiedet hatte, stand weiter hinten im Gang, und obwohl es düster war, weil nur eine Lampe brannte, fiel Henry sofort auf, dass er keine Stiefel trug und sein Haar etwas durcheinander aussah. Ein Stück hinter ihm lehnte ein jüngerer, schwarzhaariger Mann mit einer Schulter an einer offenen Tür und starrte das Mädchen schockiert an. Henry hatte den Mann bisher nicht gesehen und vermutete, dass es Rochfords Kammerdiener sein könnte. Er selbst hatte den ehemaligen Valet des früheren Lord Wakefield sofort in den Altersruhestand geschickt, denn er konnte sich schließlich selbst anziehen und rasieren. Natürlich wusste er, dass es unter »seinesgleichen« Usus war, einen Kammerdiener zu beschäftigen, doch er kam sich mit einer »Anziehhilfe« noch mehr vor wie ein Krüppel.
»Was ist denn hier los, Claudette?«, rief Lady Trenton dem Dienstmädchen empört zu.
Die junge Frau deutete auf Rochford. »D-dieser Mann … er lag auf Cole!« Zitternd holte sie Luft. »Erst dachte ich, er würde ihn angreifen, aber ich glaube eher, sie haben sich geküsst!«
Ah, endlich passiert hier mal etwas Aufregendes, dachte Henry, als ein Raunen durch die Reihen ging und sich sämtliche Augenpaare auf den Angeklagten richteten.
»Lord Rochford? Bitte erklären Sie sich.« Lady Trenton starrte ihn eindringlich an, während ihrem Gatten kein Laut über die Lippen kam, denn er war immer noch außer Atem. Izzy stand weiterhin an seiner Seite.
Die Viscountess musterte Rochfords bestrumpfte Füße und hob arrogant ihre nachgemalten Brauen. Dann warf sie einen verächtlichen Blick auf den jungen Mann namens Cole.
»Es handelt sich um ein Missverständnis, Lady Trenton«, erklärte Rochford gefasst und wandte sich an Claudette. »Mädchen, wie kommst du überhaupt dazu, in das Zimmer meines Kammerdieners zu platzen?« Seine Stimme klang nun aufgebrachter. »Mitten in der Nacht?«
Cole stand mit