Der Weg zur Energiewende. Fritz Dieter Erbslöh
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Modalitäten, Regeln und Richtlinien wurden über mehrere Jahre verhandelt und schließlich 2001 in Marrakesch (COP 7) als Marrakesh Accords verabschiedet. Der Handel selbst begann am 1. Januar 2008. Für dieses Startjahr wurden den am Kyoto-Protokoll beteiligten Staaten sogenannte „assigned amount units“ (AAUs) zugeteilt, die nach den jeweiligen Emissionen im Bezugsjahr 1990 bemessen waren. Die Zahl der jährlich neu verfügbaren AAU sollte sich mit jedem Folgejahr nach den festgelegten Reduktionszielen verringen, die für jeden Teilnehmer individuell ausgehandelt und durchaus unterschiedlich waren (Deutschland z.B. -21 %, Frankreich 0 %, Russland 0 %, Portugal +27 %). Zum Ende der ersten Kyoto-Periode (Ende 2012) sollten die Staaten jeweils eine Gesamtzahl von AAUs entsprechend ihrer aufsummierten Perioden-Emission einreichen. Nicht ausgeglichene Zertifikatsbilanzen sollten entweder zu Strafzahlungen (in Form des Zukaufs weiterer Zertifikate) oder zu Gutschriften für die Folgeperiode führen.
Die Mechanismen des Kyoto-Protokolls, links der Emissionshandel; Quelle: UBA, Deutsche Emissionshandelsstelle
Die Strafbewehrung war sicherlich notwendig, führte jedoch zu unliebsamen Begleiterscheinungen: Kanada hatte sich im Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet, bis 2012 seinen Ausstoß von CO2 um 6 % im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Allerdings wurde 2011 sichtbar, dass das Land dieses Ziel grob verfehlen würde: Im Jahr 2010 lag der Wert für die Treibhausgas-Emissionen Kanadas um mehr als 35 % über den Daten von 1990. Kanada verließ umgehend das Kyoto-Protokoll, um eine erwartbare Strafzahlung von mehr als 10 Mrd. Euro zu vermeiden.
Die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls startete zudem mi einem Konstruktionsfehler, der mit der Wahl des Bezugsjahres zusammenhängt. In diesem Jahr existierten noch die Sowjetunion und der Warschauer Pakt mit ihren sehr hohen Emissionen, die in der Folgezeit nach der Auflösung des „Ostblocks” massiv einbrachen. Dadurch kam es zu einem Überangebot an Zertifikaten, das sich durch die gesamte Periode hinzog mit dem Ergebnis, das am Ende ein Gesamtüberschuss aller Länder aus der ersten Kyoto-Periode in Höhe von 13.127 Mio. t CO2-Äquivalent verblieb.
Die Handelsabsprachen zwischen den Staaten sind nicht öffentlich, jedoch stehen Schätzungen zur Verfügung: der durchschnittliche Preis lag von 2008–2011 zwischen 4 und 15 Euro pro Tonne und fiel dann im Jahr 2912 auf 2‒3 Euro pro Tonne. Das Gesamthandelsvolumen in der ersten Kyoto-Periode dürfte etwa 400 Mio. AAU betragen haben.
Dem Kyoto-Protokoll von 1997 folgten im Jahr 2012 die Beschlüsse von Doha für eine zweite Verpflichtungsperiode mit neuen Klimazielen für die Industrieländer bis 2020. Das Ergebnis zäher Verhandlungen war allerdings ein Kompromiss: Das Kyoto-Protokoll von 1997 wurde fortgeschrieben. Das bedeutete einen Reduktionsverpflichtung von 18 % für die Gesamtheit der verbliebenen 38 Staaten bis 2020, wiederum bezogen auf das Basisjahr 1990. Kanada war nun nicht mehr dabei, auch Russland, Japan und Neuseeland verweigerten die weitere Mitwirkung. Abgesehen von den nur mäßigen Reduktionszielen (z.B. EU -20%) verblieb als weiteres Problem der Umgang mit den Überschusszertifikaten der ersten Runde. Der wenig zufriedenstellende Kompromiss war hier, dass die osteuropäischen Staaten ihre überschüssigen Emissionsrechte in die zweite Periode übertragen und unter bestimmten Bedingungen auch verkaufen durften, sogar über 2020 hinaus.
Das Kyoto-Protokoll ist auf Treibhausgasemissionen insgesamt ausgerichtet und damit nicht auf CO2 beschränkt, wenngleich CO2 auch den bei Weitem größten Beitrag zu den Emissionen liefert. Das Kyoto-Protokoll umfasst neben CO2 auch Methan (CH4), Lachgas (N2O) und die fluorierten Treibhausgase (F-Gase). In Deutschland entfielen im Jahr 2016 88,2 % auf Kohlendioxid, 6,0 % auf Methan, 4,2 % auf Lachgas und rund 1,7 % auf die F-Gase.
7.2.3 Der Emissionshandel in der EU (EU-ETS)
Das EU-ETS wurde 2003 vom Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat beschlossen1 und am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt. Es basierte auf den Empfehlungen eines vorher erstellten Grünbuchs und entstand vor dem Hintergrund der im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingegangen Pflichten: „Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sind übereingekommen, ihre Verpflichtungen zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen im Rahmen des Kyoto-Protokolls gemäß der Entscheidung 2002/358/EG gemeinsam zu erfüllen. Diese Richtlinie soll dazu beitragen, dass die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden.”2
Das EU-ETS wurde auf Anlagen und deren Betreiber ausgerichtet (Artikel 3), die Ausgabe der Zertifikate erfolgte nach Artikel 10 weitgehend kostenlos: „Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 95 % der Zertifikate kostenlos zu. Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 90 % der Zertifikate kostenlos zu.”
In der Selbstdarstellung der EU zu den Phasen der Entwicklung werden die bis heute überschaubaren Perioden wie folgt beschrieben:
2005–2007: Die 1. Handelsperiode war durch „learning by doing“ gekennzeichnet, jedoch konnte man schon von einer Etablierung des Systems sprechen. Die Zahl der ausgegebenen Zertifikate war jedoch deutlich zu hoch: ihr Preis fiel gegen Ende der Periode auf 0 €.
2008–2012: Mit Beginn der 2. Handelsperiode erweiterte sich der Teilnehmerkreis um Island, Norwegen und Liechtenstein. Die Anzahl der Zertifikate wurde um 6,5 % reduziert. Da der Wirtschaftsabschwung die Emissionen reduzierte und die Nachfrage nach Zertifikaten einbrach, ergab sich wieder ein Überhang an nicht verwendeten Zertifikaten und Gutschriften, was erneut den CO2-Preis drückte. In das System wurde am 1. Januar 2012 der internationale Luftverkehr aufgenommen.
2013–2020: Zur 3. Handelsperiode schloss sich Kroatien an. Mit ihrem Beginn wurde eine größere Reform wirksam. Wichtig wurde jetzt eine EU-weite Emissionsobergrenze, die sich jährlich um 1,74 % verringerte. Als Ausgangswert für die Gesamtmenge an Zertifikaten diente jetzt die durchschnittliche Jahresmenge der in den Jahren 2008 bis 2012 ausgegebenen Zertifikate. Außerdem änderte sich der Zugang: An die Stelle der kostenlosen Zuteilungen der Zertifikate traten Zertifikatversteigerungen.
2021–2030: 4. Handelsperiode. Hierfür soll ein überarbeitetes EU-ETS zur Verfügung stehen, für das die Europäische Kommission im Juli 2015 einen Gesetzesvorschlag eingebracht hat.3
Die ersten beiden Handelsperioden wurden nach der EU-Richtlinie auf die CO2-Emissionen von ausgewählten energieintensiven Industriesektoren ausgerichtet. Konkret handelte es sich um Verbrennungsanlagen, Raffinerien, Kokereien, Eisen- und Stahlproduzenten sowie Anlagen der Zement-, Glas-, Kalk-, Ziegel-, Keramik-, Zellstoff- und Papierindustrie. Auch Stickoxidemissionen aus industriellen Prozessen wurden erfasst. Die ursprüngliche Einbeziehung des gesamten grenzüberschreitenden Luftverkehrs wurde allerdings schon im September 2012 wieder modifiziert und galt vorerst nur für innereuropäische Flüge.
In das EU-ETS sind heute etwa 11.000 Kraftwerke und Fertigungsanlagen in den Mitgliedsstaaten der EU und dazu noch in den Nicht-EU-Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen einbezogen. Es gilt auch für den Luftverkehr in bzw. mit diesen Ländern. Das System umfasst zurzeit ca. 45 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU. EU-ETS ist damit das weltweit größte System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten und gilt als Muster für vergleichbare Systeme in anderen Weltregionen.