Schmäh. Edwin Baumgartner

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Schmäh - Edwin Baumgartner

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gut geschrieben. Als ich aber vor nun schon etlichen Jahren im damaligen Kulturressort anfing, verstand man unter gut geschrieben: je trockner, desto besser. Das galt, bis zu einem gewissen Grad, auch für die Theater-, Opern- und Konzertkritiken. Die Trockenheit jener lange zurückliegenden Jahre hatte damit zu tun, dass die „Wiener Zeitung“ noch keine GmbH war. Sie war rein staatlich, das „Amt der Wiener Zeitung“. Die Angestellten waren keine Redakteure, sondern Beamte. Zum Lachen stieg man hinab in den Keller, in dem Druckerei-Gefahrengüter lagerten wie Papier und Chemikalien.

      Meinem ersten Chef, Norbert Tschulik, bin ich sehr dankbar, nicht nur, weil er mich unerfahrenen Jungspund überhaupt schreiben ließ, sondern, weil er nicht vom Versuch abließ, mir beibringen zu wollen, ein guter Kritiker zu sein, obwohl wir über den Einsatz von Humor unvereinbar unterschiedliche Meinungen vertraten. Tschulik war dagegen, ich war dafür. Dementsprechend war ich über die Versuche eines Pianisten mit beklagenswerter Tastentrefferquote ein Wortspiel losgeworden. Als ich Tschulik meine Kritik vorlegte, zog er, wie es seine Art war, wenn er etwas einzuwenden hatte, den Kopf zur linken Schulter und knurrte: „Net wern s witzig.“

      Jener Norbert Tschulik schickte mich eines Tages zu einem Symposion über Denkmalschutz. Zumindest die Wörter kannte ich – nämlich sowohl Symposion als auch Denkmalschutz. Viel tiefer war ich zuvor in die Thematik nicht eingedrungen. In Vor-Google-Zeiten war das über einen Tag kaum möglich. Ich war zum Denkmalschutz gekommen wie zum Schmäh, also wie die Jungfrau zum Kind. Noch dazu sollte der Artikel der Seitenaufmacher werden. Ich wehrte mich, fürchtete, mich mit der fremden Materie zu blamieren und mir gleich am Anfang meiner vielversprechenden Karriere deren sofortiges Ende herbeizuschreiben. Es war sinnlos. Tschulik ließ nicht locker: „Sie werden da schon was G’schmackiges schreiben.“ Auf dem Gipfel meiner Verzweiflung entfuhr es mir: „Wieso ausgerechnet ich?“

      Tschulik musterte mich mit einem verständnislosen Blick und sagte: „Weil Sie in meiner Abteilung der beste Schmähtandler sind.“

      Und ich hatte mich bisher für einen völlig seriösen Kulturjournalisten gehalten. Schlimmer: Ich hatte geglaubt, auch die anderen würden mich dafür halten. Dabei war ich – ein Schmähtandler. Irgendwie muss da was dran sein an der Jungfrau, dem Kind, dem Schmäh und mir.

      Schmähohne.

      INTERMEZZO: AUF DEM GANG IM STIEGENHAUS

       Auf dem Gang im Stiegenhaus an der der Stelle, wo früher die Bassena4 war.

      - Ham s scho ghört von Hean Watzek?

      - Wos denn?

      - No, von eam und da Schwesta Eani.

      - Naa. Sogn s jo net …

      - Doch.

      - Na sowas. Deaf s denn des iwahaupt?

      - Sowieso. Sie is ja ka Schwesta net.

      - Ah, net?

      - Doo, owa hoed ka Schwesta net, oiso ka richtige. A Kraunkenschwesta is in AKH5, owa ka Schwesta, oeso ka Geistliche, vastengan s mi? Sie deaf.

       Von unten ertönt eine Männerstimme: Aufzug bitte!

      - Des is a eh, da Hea Watzek.

      - Woens net de Aufzugtia zuamochn?

      - Naa, I foa jo glei weida! I muaß eana des nua dazöön.

      - Daun gschwind, Frau Schuller, sunst wiad a grantich. No, sogn s: Wean s heiradn? I maan, is ea scho gschiedn?

      - Ah, gschiedn is ea do scho laung. Sie is ledig, hod a ma dazööt. Owa ob s glei heiradn? Wea waaß …

      - Miassen s jo a net. I vasteh nua net … I maan, sie is a fesche Beason, und ea … Wüvü is sie jinga?

       Von unten ertönt abermals die Männerstimme: Aufzug bitte!

      - (laut nach unten gerichtet:) Kummt glei! Wo woa ma?

      - Wüvü sie jinga is. Wos wiadn Sie schätzn?

      - Zehn Joa.

      - Mea. Zwanzg!

      - Naa, sicha net. Sie schaut nua so jung aus. Die is guat heagricht. Goa so jung is die nimma. A guade Paatie is jedenfoes.

      - Oes Kraunknschwesta?

      - Eanare Ötan san gstopft wia de Ganseln, da Vota Primaa in ana Privatglinich, und sie is des anziche Kind. Zumindest hod ea mia des so gsogt.

      - Schmähohne?

      - Schmähohne.

       In diesem Moment erscheint Herr Watzek schnaufend auf der Stiege.

      - Griaß Sie, Hea Watzek!

      - Grüß Gott, Frau Schuller, griaß Sie, Herr Kocourek. Da Aufzug …

      - Net bees sein, Hea Watzek. Mia haum nua wos zu dischkutian ghobt, da Hea Kocourek und I.

      - Am End die Gschicht von Herrn Professor Waiglein, wissen S eh, den Neuen aus m ersten Stock.

      - Ah, wos wissen denn Sie do, Hea Watzek?

      - Ich bitte Sie, Herr Kocourek, de Gschicht mit dem gstohlenen Mantel? Sogoa a Anzeige hod a gmacht. Und dann taucht da Mantl auf einmal bei da Frau Lidl auf.

      - Schmähohne?

      - Schmähohne, Frau Schuller.

      - Wissen s am End de gaunze Gschicht?

       In diesem Moment ertönt von unten eine Frauenstimme: Aufzug bitte!

      - Jo, glei!

      - Jössas, des is de Steputat, die hod s wieda amoe gnedich. Gschwind, sunst wiads grantich.

      - Oeso, des woa r a so …

      WAS DER SCHMÄH IST

      Das muss ich Ihnen jetzt erzählen:

      Jetzt wollen Sie von mir wissen, was der Schmäh ist? So quasi als Definition? Ich sag’ Ihnen gleich: Das ist aussichtslos. Das kann ich Ihnen nicht in fünf Worten sagen, und in einem schon gar nicht. Das kann ich Ihnen nur erzählen. Erzählen ist sowieso der halbe Schmäh. Um einen ganzen daraus zu machen, braucht es nichts als Schmäh. Warten Sie einen Moment (nua net hudln), Sie werden gleich verstehen, was ich meine. Die Sache ist die: Es gibt keine Definition für Schmäh, zumindest keine zutreffende, keine, die sozusagen allschmähumfassend wäre, die alles beinhaltet, was der Wiener unter Schmäh versteht. Die meisten, die sich an einer Definition versuchen, gehen über den Umweg zu erklären, was der Schmäh nicht ist. Da liest man dann in der Regel, der Schmäh sei kein Witz.

      Jo, eh.

      Weil der Schmäh ab und zu schon ein Witz auch sein kann. Aber eben nur „auch“ und eigentlich fast nie. Dem Witz geht es um die Pointe, dem Schmäh ums G’schichterl. Nicht um eine Geschichte, eine Geschichte ist für den Schmäh viel zu groß und viel zu schwer. Und weil der Schmäh

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