Ökumene - wozu?. Jutta Koslowski

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Ökumene - wozu? - Jutta Koslowski

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Dialog vgl. OELDEMANN, JOHANNES : Orthodoxe Kirchen im ökumenischen Dialog. Positionen, Probleme, Perspektiven, Paderborn 2004; BREMER, THOMAS u. a. (Hg.): Orthodoxie im Dialog. Bilaterale Dialoge der orthodoxen und der orientalisch-orthodoxen Kirchen 1945 – 1997. Eine Dokumentensammlung, Trier 1999. Für die ökumenischen Aufbrüche der 60er-Jahre und dabei auch über die Beteiligung der Orthodoxie am ÖRK s. die Beiträge in der Zeitschrift Una Sancta, Jg. 63, Ht. 2, 2008.

      S. KOSLOWSKI, JUTTA: Die Einheit der Kirche in der ökumenischen Diskussion. Zielvorstellungen kirchlicher Einheit im katholisch-evangelischen Dialog (Studien zur systematischen Theologie und Ethik, Bd. 52), Münster 2008.

      Zur Wahrnehmung dieses Begriffs s. mein Beitrag: Katholizität oder Ökumenizität der Kirche? Das Ringen um die dritte Eigenschaft der Kirche in der orthodoxen Theologie. In: HELL, SILVIA: Katholizität, Innsbruck 2007, S. 49 – 91.

       Kim Strübind

      Freikirchen1 haben zur Ökumene ein ambivalentes Verhältnis, was mit ihrer Entstehung und Geschichte zusammenhängt. Die sogenannten »klassischen« Freikirchen (Mennoniten, Methodisten, Baptisten und Freie evangelische Gemeinden) sind – jedenfalls was ihre deutschen »Ableger« betrifft – in der Mitte des 19. Jahrhunderts als religiöse Kontrastgemeinschaften entstanden. Ihre Gründung richtete sich einerseits gegen die Säkularisierung und Liberalisierung des Christentums; andererseits wandte man sich gegen die vermeintlich staatshörigen und klerikalisierten Großkirchen, denen man eine aus gleichberechtigten Mitgliedern bestehende »Gemeindekirche« nach biblischem Vorbild entgegensetzen wollte.

      Für den Baptismus wurde die auf freiwilliger und eigenverantwortlicher Glaubensentscheidung beruhende »Gläubigentaufe« (für die man sich auf einschlägige Stellen des Neuen Testaments beruft) zu einem Alleinstellungsmerkmal innerhalb des ökumenischen Kanons der Kirchen.2 Trotz ihres kirchenkritischen Potenzials waren bereits die Anfänge des Baptismus und anderer Freikirchen von einer ökumenischen Grundgesinnung geprägt, die sich nicht an der formalen Kirchenmitgliedschaft, sondern am gemeinsamen Glauben orientierte. Die eigene sich etablierende kirchliche Struktur verstand man dabei eher pragmatisch als dogmatisch.

      Innerhalb des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, dem Dachverband der Baptistengemeinden in Deutschland, lassen sich unterschiedliche ökumenische Ansätze feststellen.3 Er steht aufgrund seiner kongregationalistischen (d. h. von der Einzelgemeinde her konzipierten) Kirchenstruktur latent vor einer inneren ökumenischen Frage. Die sich in dieser Kirchenform zeigende ausgeprägte Binnendifferenzierung weist eine oft unübersichtliche Vielfalt an Glaubens- und Frömmigkeitsformen auf. Die gemeinsame Identität innerhalb einer »Gemeindekirche« mit vielfältigen lokalen und regionalen Binnentraditionen muss stets neu definiert werden. Dies stellt nicht nur einen innerkirchlichen spirituellen Reichtum, sondern zugleich das größte Problem für die konfessionelle Konsistenz des Baptismus dar.4

      Im Prinzip ist dabei der Grundsatz leitend, dass jede Ortsgemeinde charismatisch hinreichend begabt und damit kompetent ist, das Gemeindeleben selbstbestimmt und gemäß der eigenen Erkenntnis zu gestalten. Übergeordnete regulative Instanzen des Gemeindebunds spielen dabei kaum eine normative, sondern vor allem eine konsultative und pastorale Rolle. Diese Form des Gemeindelebens gründet im »allgemeinen Priestertum«, dessen oberste Instanz keine dogmatisch fixierten Lehrsätze, Bekenntnisse oder ein allgemeingültiges Kirchenrecht bilden, sondern die Versammlung aller Mitglieder, deren Beschlüsse die Gemeinde(n) insgesamt binden.5

      Abgesehen von einigen grundlegenden Prinzipien – wie der Praxis der »Gläubigentaufe«, dem Vertrauen auf die normative Kraft der Bibel für die Lehre und die praxis pietatis, dem unbedingten Vorrang der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der Trennung von Staat und Kirche – sind die Gemeinden bei der Gestaltung ihres spirituellen Lebens weitgehend autonom und an keinerlei Weisungen von außen gebunden. Überörtliche Konferenzen und Tagungen, auf denen die Einzelgemeinden und die innerkirchlichen Werke durch Repräsentantinnen und Repräsentanten vertreten sind, haben daher immer auch den Charakter einer »innerkirchlichen Ökumene«, bilden diese ab und sind auf den Konsens durch die Einzelgemeinden angewiesen. Eng definierte Vollmachten wie die rechtliche Vertretung nach außen oder übergeordnete und die Gemeinschaft insgesamt betreffende Aufgaben werden an regionale (Leitung der Landesverbände) und nationale Institutionen (Präsidium und Bundesgeschäftsführung, gesamtkirchliche Werke) delegiert.

      Über die jeweils herzustellende innere Ökumene hinaus stößt der Baptismus wie jede andere Kirche auf die äußere Ökumene, wenn die Beziehungen zu anderen Kirchen in den Blick geraten. Erfreulicherweise nehmen viele Vertreterinnen und Vertreter von Baptistengemeinden sowie die Kirchenleitung mit Interesse und Engagement an den Formen und Foren des zwischenkirchlichen Austauschs teil und gestalten diesen oft aktiv mit. Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) gehört u. a. zu den Gründungsmitgliedern der 1948 gegründeten Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Die Charta Oecumenica wurde anlässlich des Ökumenischen Kirchentags 2003 offiziell ratifiziert. Vertreterinnen und Vertreter des BEFG sind auch in Form von ökumenischen Lehrgesprächen, durch die Erteilung von kirchlichem Religionsunterricht und mittels vielfältiger diakonischer Vernetzungen mit anderen kirchlichen Einrichtungen ökumenisch verbunden. Zwischenkirchliche Kontakte und das Kennenlernen anderer christlicher Traditionen stoßen innerhalb von Baptistengemeinden auf eine offene Gesprächsatmosphäre, an der sich gerade die theologischen Laien engagiert und mit Interesse beteiligen. In ökumenischen oder interkonfessionellen Haus- und Gebetskreisen, in gemeinsamen Aktionen mit benachbarten Kirchengemeinden und vor allem im Bereich des gemeinsamen missionarischen Zeugnisses gewinnt diese Form der Ökumene eine konkrete und sehr pragmatische Gestalt. Mitglieder anderer Kirchen werden in baptistischen Gemeinden meist herzlich aufgenommen und stoßen in der Regel auf große Offenheit. Diese Offenheit zeigt sich nicht nur im Falle eines Konfessionswechsels, sondern auch gegenüber Gästen oder den oft fest in das Gemeindeleben integrierten Mitgliedern anderer Kirchen, die auch ohne volle Mitgliedschaft als »Freunde der Gemeinde« bei Baptisten integriert sind und das Leben dort in nahezu allen Bereichen mitgestalten.6

      Wie lässt sich solche Vielfalt der »inneren« und »äußeren« Ökumene leben? Zunächst einmal belegt die Tatsache der Existenz von lebendigen und aktiven baptistischen Gemeinden, dass ein Kirchenmodell, welches auf Lehrkonsense sowie auf Machtbefugnisse überörtlicher Instanzen verzichtet, lebens- und zeugnisfähig und für viele Menschen durchaus attraktiv ist. Das ist auch von jenen Kirchen, die ein einheitliches dogmatisches Selbstverständnis für unabdingbar halten, zunächst einmal wahrzunehmen. Entsprechend ihrer basisorientierten Kirchenstruktur werden ökumenische Kontakte vor Ort durch jede einzelne Baptistengemeinde bestimmt und verantwortet. Allgemeine Stellungnahmen regionaler oder nationaler Leitungsgremien zur Ökumene haben dagegen nur den Rang einer »Empfehlung« für die Gemeinden, die selbst darüber entscheiden, was sie sich davon zu eigen machen. Daraus ergibt sich ein spezifisches Problem für freikirchliche Delegierte, sofern sie im Namen der Bundesgemeinschaft zu bestimmten Themen Stellung nehmen sollen. Diese Verlegenheit ist auch ein Hindernis für ökumenisch besetzte Gremien und im Rahmen zwischenkirchlicher Lehrgespräche. Es ist aufgrund des ständigen Vorbehalts einer Ratifizierung durch die Gemeinden oft schwer zu sagen, welche Position »die« (d. h. die Mehrheit der) Baptisten in Einzelfragen vertreten. Dies ist dem kongregationalistischen Grundverständnis geschuldet, dem die meisten, wenn auch nicht alle Freikirchen verpflichtet sind.7

      Baptistinnen und Baptisten haben aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Ökumenizität innerhalb der eigenen Kirche meist ein grundsätzlich positives Verhältnis zur Ökumene und können sich am Glauben anderer Kirchen

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