Ökumene - wozu?. Jutta Koslowski
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Einige Kirchen haben die Zielvorgaben von Lausanne 1927, nämlich gegenseitige Anerkennung und volle Sakramentengemeinschaft, bereits erreicht. Zum ersten Mal seit dem Marburger Religionsgespräch zwischen HULDREICH ZWINGLI und MARTIN LUTHER im Jahr 1529 ermöglichte die »Leuenberger Konkordie« von 1973 wieder Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten. Zur Leuenberger Kirchengemeinschaft, die sich heute »Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa« (GEKE) nennt, gehören mittlerweile 95 Kirchen. Auch zwischen manchen lutherischen und anglikanischen Kirchen besteht Kanzel- und Altargemeinschaft. Das Problem, dass Lutheraner kein dreigliedriges Amt mit Bischof, Priester und Diakon und keine lückenlose apostolische Sukzession der Bischöfe haben, wurde dadurch gelöst, dass apostolische Nachfolge nicht nur eine ununterbrochene Kette von Bischöfen bedeutet, sondern die kontinuierliche Treue zur Lehre der Apostel. Durch die »Erklärung von Porvoo« im Jahr 1992 steht die Kirche von England in voller Kirchengemeinschaft mit den skandinavischen und baltischen Lutheranern.14 Auch die katholische Kirche kennt Kirchenunionen. 1984 unterzeichnete die Syrisch-Orthodoxe Kirche, die Mitglied im ÖRK ist, mit der katholischen Kirche eine Einigung, wonach Fragen der Natur Christi nicht mehr kirchentrennend sind und pastorale Zusammenarbeit, Austausch bei der Sakramentenspendung und gemeinsame Priesterausbildung vereinbart wurden.
Seit den späten Fünfzigerjahren entstanden parallel zur Arbeit des ÖRK in vielen Teilen der Welt Konferenzen der dortigen Kirchen, z. B. in Europa die »Konferenz Europäischer Kirchen« (KEK). Zusammen mit dem »Rat der Europäischen Bischofskonferenzen« (CCEE) entwarf die KEK die Charta Oecumenica, eine Selbstverpflichtungserklärung der Kirchen in Europa, die 2001 in Straßburg unterzeichnet und 2003 auf dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin von den Mitgliedskirchen der »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« (ACK) für Deutschland ratifiziert wurde. Die ACK war 1948 parallel zur Entstehung des ÖRK in Kassel gegründet worden. Ihr gehörten zunächst die evangelischen Landeskirchen und Freikirchen an. Seit 1974 ist auch die katholische Kirche dort Mitglied. Elf von den sechzehn Mitgliedskirchen der ACK unterzeichneten 2007 im Magdeburger Dom eine »Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe«, so dass die Gläubigen im Fall eines Übertritts von einer Kirche zur anderen nicht neu getauft zu werden brauchen.
5. Resümee
Die ökumenische Bewegung war eine der prägenden Zeiterscheinungen des 20. Jahrhunderts. Vieles, was in den letzten hundert Jahren mühsam errungen wurde (z. B., dass eine Dispens durch den Pfarrer bei konfessionsverbindenden Ehen genügt), ist uns heute selbstverständlich. Und so soll es auch sein! Vielfältige Dialoge und Konsensdokumente sind entstanden als Ausdruck einer neuen Geschwisterlichkeit zwischen den Kirchen. Ihnen wäre mitunter breitere Rezeption zu wünschen. Wo Kirchenunionen geschlossen wurden, haben sie dauerhaft Bestand gehabt. Obwohl die Geschichte der ökumenischen Bewegung im Vergleich zur Geschichte der ökumenischen Spaltungen noch recht jung ist, kann sich die Bilanz der vergangenen hundert Jahre also durchaus sehen lassen. Es ist eine »Erfolgsgeschichte«!
Allerdings befindet sich die Ökumene derzeit in einem Transformationsprozess und steht vor ganz neuen Herausforderungen – wie z. B. dem gemeinsamen Dialog aller christlicher Kirchen mit anderen Religionen. Außerdem erleichterte die Geschlossenheit der Konfessionsfamilien bisher die Arbeit. Weltweit ist die Mitgliederzahl der traditionellen Kirchen aber im Sinken begriffen, während charismatischevangelikale Freikirchen schnell wachsen. Da sie geistige statt sichtbare (institutionelle) Einheit bevorzugen, ist ihre Einbindung im Zeichen eines geistlichen Ökumenismus eine der größten Herausforderungen für die Zukunft.
DEISSMANN, ADOLF: Die Stockholmer Weltkirchenkonferenz: Vorgeschichte, Dienst und Arbeit der Weltkonferenz für Praktisches Christentum 19. - 30. August 1925, Berlin 1926, S. 687 f.
An die Kirchen Christi in der ganzen Welt. Patriarchal- und Synodenenzyklika des ökumenischen Patriarchats (Phanar 1920). In: ALTHAUS, HANS LUDWIG (Hg.): Ökumenische Dokumente. Quellenstücke über die Einheit der Kirche, Göttingen 1962, S. 139 – 142.
SASSE, HERMANN (Hg.): Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung. Deutscher amtlicher Bericht über die Weltkirchenkonferenz zu Lausanne, 3. – 21. August 1927, Berlin 1929, S. 4.
Nach diesem Modell kam es zur Gründung verschiedener Unionskirchen, die sich meist United Church of XY nannten, z. B. 1961 der Church of North India durch die Vereinigung von Anglikanern, Kongregationalisten, Presbyterianern, Baptisten, Methodisten, Brüder-Unität und Disciples of Christ.
SÖDERBLOM, NATHAN: Einigung der Christenheit. Tatgemeinschaft der Kirchen aus dem Geist werktätiger Liebe, Halle 21925, S. 209.
Unitatis redintegratio, Nr. 1. In: RAHNER, KARL/VORGRIMLER, HERBERT (Hg.): Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg 271998, S. 229.
Unitatis redintegratio, Nr. 2. In: Ebd., S. 231.
Unitatis redintegratio, Nr. 5. In: Ebd., S. 236.
Can. 755 § 1. In: Codex iuris canonici/Codex des kanonischen Rechtes [von 1983], hg. im Auftrag der Deutschen und der Berliner Bischofskonferenz, Kevelaer 41994, S. 345.
Unitatis redintegratio, Nr. 3. In: RAHNER/VORGRIMLER: Kleines Konzilskompendium, S. 232.
Unitatis redintegratio, Nr. 11. In: Ebd., S. 240.
Vgl. FRIELING, REINHARD u. a. (Hg.): Konfessionskunde. Orientierung im Zeichen der Ökumene, Stuttgart/Berlin/Köln 1999, S. 108.
KASPER, WALTER (Hg.): Harvesting the Fruits. Basic Aspects of Christian Faith in Ecumenical Dialogue, London/New York 2009.
Dasselbe gilt seit 2001 durch die Erklärung von Waterloo für Anglikaner und Lutheraner in Kanada. Eingeschränkte Kirchengemeinschaft brachten die Erklärungen