Dantes Inferno I. Akron Frey

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Dantes Inferno I - Akron Frey

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von Gott aus dem Kristallhimmel in den Mittelpunkt der Erde geschleudert wurde, mit den heutigen Erkenntnissen über die Abgründe im Menschen in Verbindung zu bringen.

       Dantes alttestamentarische Ausrichtung

      Wenn wir Dantes Lebenslauf betrachten, so erkennen wir, daß dem frühen Erfolg, der ihn bereits in jungen Jahren in hohe politische Ämter aufsteigen ließ, schon bald die Verstrickungen in politische Intrigen mit anschließender Flucht und lebenslangem Exil folgten. Bemühte er sich vorerst, die Wiederherstellung seines Rufes und Ranges vor allem durch schriftstellerische Leistungen zu erkämpfen, so brach er dieses sinnlose Bemühen später ab. Aber schon hier wird Dantes zwiespältige Haltung zwischen geistiger Erneuerung und gesellschaftlicher Anpassung sichtbar, die ihn und sein Werk in das sengende Fegefeuer zwischen Revolution und Resignation schickte. Denn von ihrer architektonischen Form her wurde die Hölle von ihm nicht revolutioniert. Er hat seine Visionen im Stil der älteren, populären Überlieferungen der jüdischen Apokalyptik entwickelt, wie sie sich etwa im Henochbuch (3./​2. Jh.v. Chr.) finden. Die jüdisch-apokalyptische Vorstellung einer von Würmern belagerten Jenseitslandschaft, in der ein großes Feuer wütet und Strafengel die Folterung der Sünder vorbereiten, muß als direkter Vorfahre von Dantes «Inferno» gelten, wo die Sünder bei lebendigem Leibe im Schlamm begraben, in Sümpfe verbannt, in Felskammern gesperrt, an Steine gekettet und zwischen Baumstämme geklemmt geschildert werden. Sein inhaltlicher Beitrag war dementsprechend auch kein grundlegend-verändernder, sondern nur ein formal-umkehrender: statt der üblichen Sünder und primitiven Gesellen ließ er historische Persönlichkeiten, Fürsten, Kirchenobrigkeiten und andere «Schreibtischtäter» im Feuer schmoren. Diese ketzerischen Spitzen verleihen seinem Werk aus heutiger Sicht durchaus einen Anstrich revolutionären Umbruchs, doch im inhaltlichen Sinn ist er über Denker wie beispielsweise Origenes nicht hinausgekommen, der schon im 3. Jahrhundert die Meinung vertrat, daß Gott reiner Geist sei und das Höllenfeuer metaphorisch, und der das schreckliche Höllengericht durch die universale Versöhnung mit Gott ersetzte, wodurch letztlich alle Sünder erlöst würden. Auch der logische Scharfsinn, mit dem Thomas von Aquin über den Sinn der Höllenstrafen nachdenkt und sich mit der Frage beschäftigt, ob das Mitleid der Seligen die Strafen der Gottlosen nicht mildere und ob das Strafmaß der Ewigkeit die Richter nicht selbst zu Tätern mache, wird von Dante nur stellenweise gestreift, etwa, wenn sich die Verdammten vor Dante ob ihrer Taten schämen, aber nicht, um das unerbittliche Strafmaß der Höllen aufzuweichen, sondern um ihre Greueltaten zu zementieren und die Lauterkeit seiner Visionen, die die politisch Ungerechten und die machtgeile Kirchenmafia in der Hölle beeinflußt, seinerseits wieder abzusichern.

       Dantes kultureller Einfluß

      Aus dieser Perspektive ist Dantes genialer Ansatz unter geistig-erneuerndem Aspekt gar ein rückwärtsgerichteter oder konservativer, weil die persönliche Abrechnung, die Dante in seine höllischen Gesänge mit hineingepackt hat, ohne die dunkle Kraft ihrer Poesie die Jahrhunderte wohl kaum überdauert hätte. Und dieser visionären Schau eines über sich selbst hinausweisenden Epos ging es natürlich zuallerletzt darum, den Mißbrauch der Hölle zur Einschüchterung der Menschen abzubauen. Damit arbeitete Dante in seinem Werk ironischerweise der von ihm bekämpften Kirche in die Hände, die natürlich sehr daran interessiert war, daß die Hölle ihren negativen Nimbus behielt. Indem sie jeder Sünde eine bestimmte Höllenstrafe zuordnete und mit Fürbitten oder Totenmessen die Einflußnahme auf das jenseitige Geschehen regelte, steigerte sie natürlich auch ihre eigene Autorität. Man könnte sogar behaupten, daß sich das bis weit über die Romantik hinaus so fruchtbar entwickelnde Höllenszenarium, wo in unzähligen Hausbüchern über Größe, Zahl der Insassen sowie Eigenart der Folterkammern in der Hölle Klarheit herrschte, neben der durch die kirchlichen Drohungen gesteuerten Volksfrömmigkeit gerade auch Dantes Einfluß zuzuschreiben ist. Zeugnisse für die kirchlich tolerierte Unterstützung makabrer Phantasien finden sich bis ins 20. Jahrhundert, und die Nachwirkungen können bis zur aktuellen Gegenwart in Schülerbefragungen nachvollzogen werden. Selbst in der Neuzeit kämpfen reaktionäre Theologen gegen ein bloß metaphorisches Höllenverständnis. Und in den Dunstkreisen der Esoterik feiern die längst totgeglaubten und zu Grabe getragenen Engelwesen und Dämonen fröhlich Wiederauferstehung. Deshalb stellt sich hier die Frage: «Was ist die Hölle wirklich?» Und zwar hinter dem von der Kirche seit Jahrtausenden propagierten Bild eines glühenden Feuerofens. Für den rückwärts orientierten Menschen klingt die Wahrheit zynisch: «Sie ist der Himmel selbst!»

       DAS LICHT DES INFERNOS

       Die Finsternis und das Licht

      Wenn wir die Hölle jenseits der apokalyptischen Vorstellung einer ewig brennenden Feuerlandschaft suchen, dann stellen wir fest, daß es sich bei den Sündern um Menschen handelt, die sich den von der Kirche aufgestellten christlichen Geboten widersetzt haben. Verboten aber wurde alles, was den kirchlichen Interessen widersprach. Und wenn wir aus heutiger Sicht weiter erkennen, daß die Gebote weniger dazu dienten, die Menschen in den Himmel zu führen, als sie politisch und kulturell zu kontrollieren und damit zu steuern, dann können wir auch sehen, daß die Hölle weniger ein Instrument der Sühne als vielmehr ein Instrument der Machtentfaltung war, die im Zuge der politischen Ausweitung von der Kirche zur Einschüchterung der Menschen und damit zum eigenen Machtmißbrauch mißbraucht worden ist. Damit hat die Kirche im Teufel ihren verdrängten Schatten nur deshalb heraufbeschworen, um ihren Kampf gegen das Böse zu legitimieren und damit das verdrängte Böse selbst auszuleben, indem sie durch die Verhinderung des scheinbar Bösen vermeintlich Gutes tat. Ergo wird auch klar, daß die Hölle die andere Seite des Himmels ist, also jener Teil, der im Schatten existieren muß, damit der andere sich weiter im Licht sonnen kann. Beide sind gleichermaßen dual und unvollständig und gehören dergestalt zu jenen Stufen menschlicher Entwicklung, die durch Erkenntnis und Bewußtseinserweiterung zu überwinden sind und erst durch Synthese zu einem die Triebnatur einbeziehenden sozialen Bewußtsein führen können. Wenn wir das wissen, erkennen wir plötzlich, daß Himmel und Hölle das Ego erhöhen und für die innere Sehnsucht nach Überwindung der gesellschaftlichen Enge und Beschränkung stehen. Der Unterschied liegt darin, ob sich diese Sinnsuche innerhalb der gesellschaftlichen Normen bewegt oder nicht, denn sowohl hinter der kontrollierten (Himmel) als auch der unkontrollierten Gier (Hölle) nach Sex, Besitz und Macht verbirgt sich nur die zu kompensierende Leere im Leben, denn beide Wege dienen dem Ego letztlich dazu, zu überleben und über die anderen hinauszuwachsen, um seinem Leben einen Sinn abzuringen. Der Unterschied ist wirklich nur der Standpunkt, von dem wir dieses Ziel betrachten, und die Suche nach Sinn der Weg in die Hölle oder ins Paradies. Ein Denker wie Meister Eckhart würde das heute so ausdrücken: «Der Weg in die Hölle ist mit Sinnsuche gepflastert.»

       Die Hölle aus esoterischer Sicht

      Die Suche nach Sinn ist der Weg in die Hölle, und das Finden des Un-Sinns die Rückkehr ins Paradies. Das Erkennen der Sinnlosigkeit der Sinnfrage wäre dann das «Fegefeuer», und die Erkenntnis, daß es keinen Sinn zu finden gibt und daß die Suche das sinnlose Ziel in sich selbst ist, entweder der «Himmel», wenn wir die Sinnlosigkeit der Sinnsuche erkennen (den Dämon der Sinnfrage), oder die «Hölle», wenn wir den Anlaß unserer Suche verdrängen. Wir ersehnen uns, was wir nicht haben, aber wir wollen es nur, weil es uns fehlt. Hätten wir es, würden wir gar nicht merken, daß wir es wollen, und suchten nach anderem, von dem wir glaubten, daß es uns fehlte. Wir suchen das Suchen, um das Finden zu verdrängen, denn würden wir finden, dann wären wir am Ziel. Doch ähnlich dem Alkoholiker, der zum Arzt geht und vorgibt, mit dem Trinken aufhören zu wollen, aber aus der Therapie aussteigt, sobald ihn der Arzt zum Alkoholentzug in die Klinik schicken will, sehen wir, daß beim Suchenden der Frust gerade dann ausbricht, wenn er zu finden beginnt. Und da wird uns klar: Es geht weder ums Finden noch um die Wahrheit. Sondern ums Suchen. Und solange wir die Hintergründe nicht sehen, warum wir suchen, was wir suchen, sind wir nicht viel klüger als der sprichwörtliche Narr, der den verlorenen Schlüssel unter einer Laterne sucht, weil es ihm dort, wo er ihn tatsächlich verloren hat, zu dunkel ist. Wir suchen im Reich der Ideale, wo man etwas sieht, weil alles hell und klar ist –

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