Dantes Inferno III. Akron Frey

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Dantes Inferno III - Akron Frey

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mich dorthin führte, wo Verstand und Ratio sich zu verabschieden begannen. Mein Körper schüttete Endorphine am Fließband aus und reduzierte meine physische Wahrnehmung auf ein Minimum. Dafür tauchte eine alte Szene aus der Stier-Hölle auf, in der ich meinen Vater im Knabenalter erblickte, der sich gerade anschickte, einen großen Stapel Holz vor dem Hause seiner Eltern aufzuschichten. Großvater kam mit einem Lederriemen aus der Tür und drohte ihm, dass es nicht nur kein Abendessen, sondern auch noch eine tüchtige Tracht Prügel gäbe, wenn dieser Stapel nicht binnen zweier Stunden aufgeschichtet wäre. Wer essen wolle, müsse zuerst arbeiten. Vater verdoppelte seine Bemühungen, während ich seine Gefühle wie eine dunkle Aura um ihn herum wahrnehmen konnte, die sich in ihrer kindlichen Entfaltung blockiert wieder nach innen zurückzog, während sein aus Ohnmacht und Wut gespeister Überlebenswille ihm signalisierte, dass man im Leben zunächst zu beweisen hatte, dass man der Liebe in Form emotionaler Zuwendung und Anerkennung auch wirklich wert war – ein wesentlicher Grundsatz seiner Erziehung, den er mir später ebenso vehement eintrichterte.

      Als ich die Augen öffnete, hatte ich die dritte Ebene des Turmes tatsächlich erreicht, und obwohl die Aussicht auf eine erste Rast mehr denn je lockte, gab mir mein gefundener Rhythmus doch genügend Vertrauen in die eigene Kraft, auch die kommenden Stufen auf diese Weise zu bewältigen. Zwar schien sich auch diesmal wieder ein zusätzliches Gewicht auf meinen gepeinigten Rücken zu legen, doch da ich diesmal darauf vorbereitet war, erschien mir der Korb zu meinem eigenen Erstaunen nicht wesentlich schwerer. Wieder tauchte mein Blick nach innen und im nächsten Augenblick empfand ich mich als zehnjährigen Knaben, der sich im Klassenzimmer seiner ehemaligen Schule wieder fand. Mein alter Mathelehrer stand vor mir und forderte mich mit sardonischem Lächeln auf, mich vorne an die Tafel zu begeben. Wohl wissend, dass ich keine seiner Fragen beantworten konnte, da ich meine Hausaufgaben wie meistens nicht gemacht hatte, gedachte er mich vor versammelter Klasse abzufragen. Mit sichtlichem Genuss weidete er sich an meinem Unbehagen und freute sich über die lachenden Spottrufe meiner Mitschüler, vor denen er mich als Deppen und Versager vorführen konnte. Auf diese Weise ließ er mich seine Macht spüren, in der ich all die Autorität ablehnte und bekämpfte, mit der mich Zuhause schon mein Vater in meiner entfaltenden Kreativität behinderte, was mich später dazu bewog, grundsätzlich alles abzulehnen, was mich unter Druck setzte und sich nicht auf irgendeine Weise mit einem Lustgewinn verbinden ließ. All die Ohnmacht dieser peinlichen und zutiefst demütigenden Situation kehrte zurück und ich erkannte, in welchen negativen Mustern wir uns gegenseitig unterwerfen und gefangen halten. Fehlendes Selbstvertrauen wird durch Rebellion gegen autoritäre Instanzen und ihre Vertreter kompensatorisch ausgelebt, weil man die Verantwortung für sein eigenes Leben nicht übernehmen will.

      Ich bemerkte kaum, dass ich bereits die vierte Stufe des Turmes erklommen hatte, denn die nächste Vision reaktivierte in mir einen Traum, den ich einst als junger Mann gehabt hatte. In dieser Szene war ich ebenfalls auf einem schmalen Bergpfad in die Höhe gewandert, allerdings an der Seite eines alten Bekannten, mit dem ich seinerzeit befreundet war. Es galt für uns beide einen gewaltigen Gletscher zu umrunden, von dem wir wussten, dass der enge Weg uns irgendwann zum Gipfel führen würde. Mein Freund, ein magisch verbrämter Selbstverhinderer, eilte mir mit schnellen Schritten voraus und hielt mich stets an, es ihm nachzutun. Dies tat ich auch, bis ich irgendwann den Kopf hob, um zu bemerken, dass die terrassenartigen Windungen des Bergpfades so dicht übereinander lagen, dass man ohne große Mühen die nächsthöhere Schleife erklimmen konnte, ohne dabei den langen Umweg um den Berg herum nehmen zu müssen. Ich rief ihm meine Entdeckung nach, doch er winkte nur beleidigt ab und bezeichnete mich als Drückeberger, der den Herausforderungen des Lebens lieber ausweichen wolle, anstatt sich ihnen zu stellen, um sie in Demut anzunehmen. Obwohl mir seine Worte tief ins Gewissen schnitten und an meiner Mannesehre rüttelten, konnte ich dennoch wenig Sinn darin erkennen und kletterte kurzerhand auf die nächste Ebene, um dort auf ihn zu warten. Als er nach langer Zeit endlich auftauchte, schien er nicht nur deutlich gealtert, müde und erschöpft, sondern obendrein noch verbittert und mit dem Vorwurf behaftet, dass ich ihn auf seinem beschwerlichen Weg verraten und im Stich gelassen hätte. So ging er enttäuscht an mir vorbei, um sich im Kampf gegen sich selbst auch weiterhin einsam an die nächste mühevolle Umrundung des Gletschers zu machen, dessen Gipfel mehr denn je in weite Ferne gerückt war.

      Dieses letzte Traumbild hatte mich unversehens auf die fünfte Stufe geführt und staunend bemerkte ich, dass sich dieser Pfad bereits in den Wolken befand. Ich hielt kurz an und verlagerte den schweren Korb stöhnend auf meinen wundgescheuerten Schultern. Während meiner kaum merklichen Rast beobachtete ich einige der anderen Sünder, deren Reihen sich hier oben schon deutlich gelichtet hatten. In allen Gesichtern hatten die Falten der Mühseligkeit tiefe Spuren hinterlassen, doch unterschieden sich diese deutlich von denen der unteren Stufen, die noch nicht einmal erkannt hatten, dass ihr Leben von unerlösten emotionalen Mustern gesteuert und fremdbestimmt wurde, gegen die sie sich durch harte Arbeit und Weltflucht vergeblich glaubten abgrenzen zu können. Hier oben waren jene Menschen anzutreffen, deren Geist bereits im Begriff war, die Übersicht über ihre Gedanken und Gefühle zu erringen, die im Außen letztlich immer eine Manifestation unserer subjektiven Realität darstellen. Während ich den Schmerz in meinen Oberschenkeln damit etwas zu lindern hoffte, indem ich sie abwechselnd ausschüttelte, bemerkte ich einen alten gebeugten Mann, der sich etwas abseits von mir auf den Boden setzte, um ebenfalls zu rasten. Was mich irritierte, war die Tatsache, dass er offensichtlich nicht wie ich und all die anderen hinauf wollte, sondern, im Gegenteil, von oben zu kommen schien.

      Neugierig ging ich auf ihn zu. Als sich sein Kopf langsam in meine Richtung drehte, erschrak ich bis ins Mark, denn ich schaute in ein Gesicht, das durch die Gezeiten hinweg fast selbst zu Stein geworden war. Ich entdeckte Furchen und Narben, die nur die durchlittenen Qualen unzähliger Existenzen hineingemeißelt haben konnten. Als er die Furcht in meinem Blick gewahrte, verzogen sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln, das mir erschien, als ob eine Maske aus Pappmaché in einer Presse auf eine freundliche Form zurechtgestutzt worden war. Das einzige Erbauliche, das mir in diesem harten Antlitz auffiel, waren die hellen kristallklaren Augen, die mir aus tiefen Höhlen entgegenleuchteten – und mit einem Schlag wusste ich, wer vor mir saß.

      „Du bist Sisyphos, nicht wahr?“ sprach ich ihn direkt an.

      Mein Gegenüber seufzte: „Ja, und ich spüre auch, dass du mich verachtest. Ich sehe, dass du meine Rolle nicht akzeptierst, dass du verstehen möchtest, welche Kraft mich zwingt, mein offensichtlich sinnloses Vorhaben bis in alle Ewigkeiten fortführen zu müssen.“

      Ich bejahte, war aber nicht imstande, meinerseits etwas zu erwidern. Schon längst hatte ich es aufgegeben verstehen zu wollen, welche Erscheinungen mir auf meiner Reise immer wieder begegneten. Ich stand hier auf dem steilen Pfad, irgendwo zwischen Himmel und Hölle, und lauschte den Worten einer Gestalt, die über die Jahrtausende zu einem Archetypus des sinnlos leidenden Menschen geworden war.

      „Nun, voller Mühsal schreite ich meiner immerwährenden Qual hinterher, um erneut den einen Stein zu wälzen, der tief und schwer in der Brust eines jeden Steinbocks sitzt“, fuhr er müde fort, „und zum Los der Sinnlosigkeit kommt auch noch der Umstand hinzu, sich dieser Sinnlosigkeit in jedem Augenblick bewusst sein zu müssen.“ Er machte eine kurze Pause. „Doch es ist nicht alles schlecht. Auch wenn der Abstieg meist in den alten Schmerz zurückführt, so kann er auch in Freude enden.“

      „In Freude enden?“ echote ich höhnisch. „Alles, was ich sehe, ist ein gebrochener alter Mann, der sich sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit am Schicksalsrad abgeschliffen hat. Oder willst du mir weismachen“, wurde meine Stimme schriller, als mir lieb war, „dass all dies Leiden am Ende einen Sinn ergibt?“

      Der Alte ließ sich durch meinen Protest nicht aus der Ruhe bringen: „Hier, unter Saturns schwarzer Sonne, tragen wir die Bürde unserer Fron, bis wir all die aus Schuld entstandene Schlacke alter

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