Dantes Inferno III. Akron Frey

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Dantes Inferno III - Akron Frey

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und richtig hinzusehen.“

      Er sah in die Ferne und ich folgte seinem Blick. „Nun komm, lassen wir das Unumgängliche nicht warten …“

      Akron deutete auf eine helle Gebirgskette, die sich in der Ferne vom Horizont abhob und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihm, während seine Stimme einen fast feierlichen Klang bekam: „Hier, am Wendekreis des Steinbocks, wo die Jahreszeit am dunkelsten ist, wird das Licht der Sonne neu geboren. Es handelt sich um die geistige Fähigkeit, das Spektrum seiner Wahrnehmung so auszuweiten, dass wir nicht nur die äußere Welt, sondern auch das innere Licht der Dinge erfahren. Es ist der letzte große Schritt des Alchemisten, die Verwandlung von Blei zu Gold, die nur von jenen vollzogen werden kann, die allen Hochmut abgelegt und alle Selbstsucht und alles Begehren losgelassen haben. Wenn sie erkennen, dass der einzige Ausweg, um die Angst vor dem Tod zu besiegen, darin besteht, sich in Demut der Bedeutungslosigkeit ihres irdischen Seins und damit ihres Egos zu überantworten.“

      „Der Inhalt deines Credos riecht nach biblischer Strenge und christlichem Mittelalter“, fühlte ich mich ein bisschen unangenehm berührt. Das Ganze schien mir ziemlich deprimiert.

      „Das Siegel des Saturns verkörpert die Botschaft, sich aus der Fülle und dem Überfluss zurückzuziehen und sich den tieferen Dingen des Lebens zuzuwenden.“ Er machte eine Pause, als wollte er mich einladen, ihn nach diesem Siegel zu fragen. Dann sagte er, dass die Saturn-Energie nur ein Teil vom Ganzen sei, die, wenn auch nicht sehr beliebt, trotzdem notwendig wäre, damit die ganze Schöpfung nicht auseinander flöge: „Das Kreuz dieses Symbols steht für die Erbsünde oder die von Menschen verursachte Schuld, und die nach unten weisende Sichel symbolisiert den Weg der Entbehrung und der Läuterung, der am Ende zur inneren Erkenntnis führt.“

      Ich schaute mich um: Ringsum standen zerklüftete Felsen, und wir schritten mitten durch eine verkarstete Flusslandschaft. „Es scheint, dass auch die Vegetation hier unten diesem Beispiel gefolgt ist – sie scheint mir ziemlich verdorrt.“

      „Ach“, sagte Akron, als ob ich wirklich etwas Bedeutendes gesagt hätte, „das war nicht immer so. Am Ursprung der menschlichen Geschichte war hier ein grünes, saftiges Tal, und genau da, wo wir uns bewegen, perlte ein schäumender Fluss. Man nannte diese Gegend den Gottesacker.“

      „Was ist passiert?“ Seine Worte lösten ein tiefes Mitgefühl in mir aus, ohne dass ich wusste, worauf sich dieser plötzliche Stimmungsumbruch beziehen konnte. Die Atmosphäre hatte sich plötzlich verändert. Ich fühlte in meinem Herzen eine erhabene, sehnsüchtige Traurigkeit, vergleichbar mit dem rötlichen Abendlicht, wenn die Sonne im Westen versinkt und, wie dem nächtlichen Wanderer zum Abschied, ihre letzten blutroten Strahlen über die Erde sendet.

      „Was fragst du mich? Du kennst doch die Bibel, wie du mir eben durch die Blume mitgeteilt hast – schließlich bist du Christ“, sagte Akron und schaute in die Ferne. „Dort nennen sie es Paradiesvertreibung.“ Er schaute mich von der Seite her nachsichtig an: „Ist dir überhaupt bewusst, wie du jede nur erdenkliche Gelegenheit benutzt, um ständig in den Strom deines latenten Mitleids zu fallen. Du bist deiner körperlichen Form überdrüssig und tust dir in deinem Menschsein leid. Deine Hölle ist die des sich ständigen Bejammerns.“

      „Es tut mir leid“, wollte ich mich gerade entschuldigen. Er hatte ja Recht: Was für ein ständiger Zwang! Doch er kam mir zuvor. Ich spürte eine Wellenbewegung in der Luft und es schien mir einen Moment, als ob die Vergangenheit durch die Atmosphäre hindurchschimmerte, und plötzlich erinnerte ich mich, dass mich Akron gelehrt hatte, dass wir unsere Dingwelt konstruieren und nicht umgekehrt, und zwar mit Hilfe der Sinne, die uns zur Verfügung stehen, und auf der Grundlage der Prägungen, die wir verinnerlicht haben.

      „Nicht es – du tust dir leid! Aber sieh es doch so: Die erste Wahrheit dieser Hölle bedeutet, dass die Welt niemals das ist, was sie zu sein vorgibt. Sie ist nicht so festgelegt, wie wir uns das einbilden, denn wir gestalten sie aus dem Fonds unserer Vorstellungen so unwillkürlich, wie wir eine Butterstulle essen. Im Grunde ist sie nichts anderes als ein mentales Fundament, das wir uns in der dreidimensionalen Realität erschaffen, um uns eine Grundlage zu schaffen, auf der wir unser Weltbild verankern. Saturn ist der Wegweiser, der uns mittels der Werkzeuge Verengung und Reduzierung auf eben diese Grundlagen zurückführt, und dafür schenkt er uns die Einsicht, die Ursachen hinter den Wirkungen zu erkennen. Und sei es nur“, dabei grinste er mich lammfromm an und gab einem der im Flussbett liegenden Steine einen mächtigen Tritt, „den Heimweg mitten im Schutt zerbrochener Projektionen und Vorstellungen anzutreten.“

      „Klingt nicht gerade erstrebenswert“, versuchte ich ein gequältes Lächeln, „kein Wunder, dass die Sünder sich lieber in den libidinösen Genüssen emotionalerer Höllen verlustieren.“

      Akrons Blick streifte mich mit dem Verständnis eines in die Jahre gekommenen Lehrers, dem die Erinnerung an die eigene Jugend nicht fremd geworden war: „Sieh mal den Stein.“ Dabei deutete er auf einen dunklen Fels, der das steinerne Becken im Hintergrund abschloss, in den das Flussbett mündete und das möglicherweise in uralten Zeiten die Quelle war, aus der das Wasser aus seinen unterirdischen Gewölben schoss. „Warum nennen wir ihn so? Wegen seiner Form oder seiner Farbe? Nein, weil wir aufgrund der abgespeicherten Überlieferungen unserer kollektiven Erfahrungen gezwungen sind, ihn so wahrzunehmen. Wir sind, wie gesagt, ständig eingeladen, in allem, was wir sehen, den Formen nachzuspüren, die wir vor langer Zeit einmal in der kollektiven Chronik der menschlichen Entwicklung abgespeichert haben.“

      „Eine sich ständig wiederholende Erinnerung, die von der kollektiven Prägung dieser Form von menschlicher Wahrnehmung übergestreift worden ist“, wagte ich schüchtern einzuwenden.

      „Richtig, ein versteinertes Wesen, dessen Tränen vor uralter Zeit versickert sind“, sagte er und liebkoste mit seinen Augen den felsigen Grund. „Diese visuelle Struktur ist nichts anderes als ein Gerippe, das Rückgrat der am Ende der Entwicklung in den Raum gesprungenen Form. Im Grunde starren wir in allem, was wir erkennen, immer nur den ersten Impuls der in der entsprechenden Anordnung von Atomen vorhandenen ursprünglichen Schöpfungsidee an.“

      „Sozusagen die erste Absicht des sich erinnernden Sehens …“ erwiderte ich. Plötzlich konnte ich mich wieder erinnern. Akrons Erklärungen füllten alle Gedächtnislücken in mir aus.

      „Genau! Die Lebendigkeit ist schon lange aus dieser Sphäre entwichen.“ Seine Stimme wurde noch eindringlicher: „Es ist der Weg des in Asche gereiften Adepten, der den unerschöpflichen Reichtum der seelischen Einsamkeit erfährt und hierin den ewigen Kontakt zu seinem inneren wie äußeren Universum findet. Als Licht in der ewigen Dunkelheit leuchtet ihm die Fackel seines erkennenden Bewusstseins.“

      Vor der hohen Felswand kamen wir schließlich zum Stehen, deren Ende irgendwo weit oben zwischen den Wolken verschwand. Am Fuß gewahrte ich eine mächtige, aus dem Stein herausgeschlagene Treppe, neben der ein drei Meter hoher Findling stand, der mich irgendwie an einen steinernen Engel erinnerte. Akron machte eine leichte Verbeugung und ich tat es ihm nach.

      „Respekt! Du ahnst den Wächter?“ Akron sah mich fragend an. Er schien überrascht von meinen Gedanken, oder zumindest von dem, was er in meinem Gesicht ablesen konnte.

      „Wächter ...“, echote ich verblüfft, „da existiert ein Wächter?“ Ich war entzückt: „Kann ich ihn sehen?“

      „Du wirst ihn gleich träumen“, sagte Akron ruhig. „Er gewährt dir einen Blick hinter den Spiegel, ins Reich des Unbewussten, wo dir deine Sehnsüchte und Abgründe entgegenblicken.“

      „Wie sieht er aus?“ wollte ich wissen.

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