Schneeflöckchen, Mordsglöckchen. Susanne Rüster
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Читать онлайн книгу Schneeflöckchen, Mordsglöckchen - Susanne Rüster страница 6
Bitte, lass es nicht zu spät sein, fleht Alma innerlich.
Sie hasten weiter zum Teich. Im Halbdunkel, beim Mausoleum, entdecken sie sie endlich.
Sophie zerrt an der Hand des Weihnachtsmannes, offenbar versucht sie sich loszureißen …
»Sophie!« kreischt Alma.
»Lass sofort das Kind los, du Schwein!« Hardenberg prescht nach vorne.
Der Weihnachtsmann taumelt ein paar Meter zurück – und rennt los.
Alma schließt die verwirrte Sophie in die Arme. »Hat er dir was getan?«
Sophie entwindet sich Almas Umklammerung. »Weihnachtsmann!«, ruft sie, »bleib hier, du hast doch noch gar nicht mein Schloss gesehen!«
Aber der Weihnachtsmann hat Reißaus genommen, zurück zum Markt. Womöglich hofft er, im Getümmel untertauchen zu können, Hardenberg und Jens jedoch sind ihm dicht auf den Fersen.
Am Stand mit den gerösteten Maronen lehnt sich der Weihnachtsmann schwer atmend gegen die Holzbalustrade. Da packen ihn Hardenbergs Hände am roten Kapuzenkragen. Der Weihnachtsmann versucht sich zu befreien, zerrt in die eine Richtung, Hardenberg in die andere. Die Kragennaht reißt, und der Weihnachtsmann stürzt vornüber – mit dem Gesicht auf das Blech mit den brutzelnden Maronen. Der Gestank verschmorten Polyesters und verbrannter Haut mischt sich mit vorweihnachtlichen Düften.
Um den Maronenstand hat sich eine Traube von Schaulustigen gebildet.
Kapuste hat bereits die Sanitäter alarmiert.
Die Maronenverkäuferin streichelt dem am Boden hockenden jungen Mann im Weihnachtsmannkostüm mitfühlend die Hand. Er wimmert vor Schmerzen.
Hardenberg ist kreidebleich. Er telefoniert, eingekeilt zwischen zwei Männern vom Wachschutz, mit seinem Rechtsanwalt.
Jens kaut betreten an den Fingernägeln.
»Sophie, bist du ganz sicher, dass der Weihnachtsmann dich nicht irgendwo angefasst hat, wo du es nicht möchtest?«, fragt Alma zum wiederholten Mal.
Sophie stampft mit dem Fuß auf den Boden auf. »Ich wollte dem Weihnachtsmann mein Königinschloss zeigen, aber er hat gesagt, er muss mich zurückbringen. Und jetzt sind seine Augen ganz verbrannt, und er kann mein Schloss gar nicht mehr sehen!«
Alma zerrt Sophie schnell weg vom Maronenstand, hinüber zur Wurstbude, wo Karin mit den anderen Kindern wartet.
»Warum hat Sophies Papa den Weihnachtsmann gehauen?«, fragt Linus vorwurfsvoll.
Alma stöhnt und reibt sich die Schläfen. Sie befürchtet, sie wird heute noch später als sonst nach Hause kommen.
Ein Weihnachtsbaum nach dem anderen erlischt. Fast alle Verkaufsstände und Zelte sind verrammelt, Kapuste hat seinen Krippenfigurenladen bereits vor einer Stunde dichtgemacht.
An den Mülleimern tobt der allabendliche Krieg zwischen Krähen und den Möwen vom nahen Kanal um übrig gebliebene Leckerbissen.
Stechow schließt seine Bude ab. Ein Wachmann patrouilliert vorbei, Stechow nickt ihm freundlich zu.
Die Temperatur ist unter null gesunken, es wird eine eiskalte Nacht werden.
Trotzdem schwitzt Stechow.
Die hübschen schwarzen Löckchen … er kriegt sie gar nicht mehr aus dem Kopf. Je länger er an die Kleine denkt, desto heißer wird ihm.
Luischen Leckermäulchen … wie werden wir es uns schmecken lassen!
Er schlendert zum Auto – gemächlich – aber sein Herz pocht wild vor Aufregung. Morgen ist seine Frau für das Geschäft zuständig. Er wird genügend Zeit haben, den Kinderladen unter die Lupe zu nehmen. Er muss die Umgebung auskundschaften, passende Gelegenheiten eruieren …
Dieses Jahr hat es nicht wieder im Schlossgarten passieren dürfen, das ist Stechow rechtzeitig klar geworden; der Zwischenfall mit dem Weihnachtsmann hat ihn bestärkt, besonders vorsichtig zu sein. Obwohl er sich heute nur schwer hatte zurückhalten können …
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