Familienglück im zweiten Anlauf. Dorothee Döring
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In dieser Phase kann es zu weiteren Abschieden und Verlusten kommen: Meist ist eine Trennung auch mit einem Wohnsitzwechsel verbunden. Dann verliert das Kind wieder ein Stück Vertrautheit: seine Wohnumgebung, die Schule, den Kindergarten und vor allem seine Freunde. Manchmal hat das Kind nun auch mehr Verantwortung z. B. im Haushalt zu übernehmen und ist in manchen Situationen viel mehr auf sich gestellt, weil die Mutter gezwungen ist, für den Familienunterhalt zu sorgen.
In der Nachtrennungsphase erleben Trennungskinder ihre Eltern als Einzelwesen. Das Ende der Elterlichkeit bemerken sie darin, dass Vater und Mutter sie nicht mehr gemeinsam erziehen. Die Übergabe der Kinder an den besuchsberechtigten Elternteil verdeutlicht die unabänderliche Trennung besonders schmerzhaft. Nicht selten haben Kinder dabei das Gefühl, dass sie sich zwischen Fronten bewegen – einschließlich der Risiken, die damit verbunden sind.
Sabrina, 18:
„Nur zu gut kann ich mich erinnern, als mich meine Mama mit Tränen in den Augen ansah und zu mir sagte: „Sabrina, Papa und ich werden uns trennen!“ Ich hatte es irgendwie schon geahnt, dass sich meine Mutter und mein Vater nicht mehr verstehen. Das konnte man auch nur zu gut hören. Immer diese ständigen Streitereien und diese Tränen. Kein Kind will so etwas wahrhaben. Doch irgendwann kommt die Zeit, wo nichts mehr so sein kann wie früher und sich das ganze Leben verändert. Ich war erst 10. Doch schon mit diesem Alter kann sich das ganze Leben verändern, als würde man schon erwachsen sein und ein neues Leben beginnen.
Nichts ist so, wie es früher einmal war. Alles ist anders. Ich bin in ein tiefes, dunkles Loch gefallen, wie viele andere Scheidungskinder auch. Für mich war immer klar, dass ich bei meiner Mama bleiben würde. Ich hatte immer schon den besseren Bezug zu ihr. Diese Zeit war aber trotz allem sehr schlimm für mich, weil ich mit meiner Mutter in einen anderen Ort umzog, meine Freundinnen verlor, mich von meinen zwei Brüdern trennen musste und meinen Vater nur noch selten sah. Zu dieser Zeit war ich froh, dass ich meine Mutter hatte. Wir haben sehr viel zusammen unternommen und wir waren uns sehr nahe.
Meine Eltern wollten mit Geschenken etwas gutmachen. Es ging mir wirklich gut, und bei meiner Mutter fehlte es mir auch an nichts. Alle hatten das Gefühl, dass es mir wieder besser gehen würde und ich alles gut überwunden hätte.
Als ich dann 13 Jahre alt war, kam der nächste tiefe Fall. Meine Eltern fanden beide neue Partner. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie jemand nach einer gescheiterten Ehe schon wieder den Versuch wagt, mit einem anderen eine Beziehung einzugehen. Ich habe meinen Vater und meine Mutter dafür gehasst, wurde hart und schwierig und habe mich isoliert. Ich hatte niemanden mehr, der zu mir stand. Mein Verhältnis zu meinem Papa wurde wirklich schlimm. Wir hatten nur noch Streit. Er war so anders, hatte keine Zeit mehr für mich. Ich war einfach vergessen. Und so vergaß ich auch ihn. Ich hatte keinen Vater mehr. Das Einzige, was mir half, war ein kleines Tagebuch, in dem ich alle meine Gedanken, meine Wut und meine Trauer aufschrieb.“
Gregor, 16:
„Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, egal wie es Eltern machen, in den Augen der Kinder ist es irgendwie immer falsch!“
Das Kinderbuch von Nina Schindler „Wenn meine Eltern sich trennen“3 ist gut geeignet, um sich in die Seele von Kindern (im Grundschulalter) vor, während und nach der Scheidung einzufühlen. Sie reagieren mit Wut, Angst, Depressionen und Schuldgefühlen. Dieses Bilderbuch ist comicartig aufgemacht und beinhaltet Fragebögen für Eltern und Kinder zur Analyse. Rechte und Wünsche der Kinder werden besprochen und es werden „Verträge“, die sie mit ihren Eltern aushandeln können, als Muster vorgegeben. Keinesfalls sollten Kinder dieses Buch alleine lesen. Nur ein gemeinsames Lesen mit einem Elternteil oder mit vertrauten Personen kann den gewünschten Erfolg bringen, dass Scheidungskinder begreifen, was bei der Scheidung ihrer Eltern passiert.
Wegen der vielen nicht abweisbaren Schäden für Trennungs- und Scheidungskinder fragen sich verantwortungsvolle Eltern, ob sie sich wirklich trennen dürfen. Es ist aber erwiesen, dass es keinen Sinn ergibt, an einer einmal zerrütteten Ehe festzuhalten. Die Atmosphäre eines solchen Zuhauses ist für Kinder Gift.
Wenn sich die Eltern aber zu einer Scheidung durchgerungen haben, dann ist es wichtig, den Kindern in allen Trennungsphasen eine Stütze zu sein. Voraussetzung dafür sind ein faires, verlässliches und ehrliches Umfeld und Verständnis für die Gefühle und Reaktionen der Kinder.
Zur Fairness gehört es, den Kindern ein zumindest neutrales Bild von dem abwesenden Elternteil zu vermitteln. Ein verlässliches und ehrliches Beziehungsnetz kann geschaffen werden, indem Großeltern, Freunde und Verwandte – auch die des Ex-Partners – mit einbezogen werden. Zur Ehrlichkeit gehört, dass die Kinder altersentsprechend über die Trennung der Eltern informiert werden. Man kann Kindern erklären, warum Mama und Papa nicht mehr zusammen leben können und dabei betonen, dass daran auf keinen Fall die Kinder schuld sind.
Harald, 54:
„Nach dem Tod meiner Frau versuchte ich, mich wieder neu zu orientieren und lernte eine geschiedene Frau mit einem 9-jährigen Sohn kennen. Für mich war der Sohn willkommen, ich konnte aber nicht ahnen, dass der noch sehr an seinem geschiedenen Papa hing und sich keinen anderen Mann an der Seite seiner Mutter vorstellen konnte. Ich hatte keine Ahnung, warum der Sohn sich renitent und abwehrend verhielt. Am deutlichsten ist mir seine Ablehnung in der Wohnung seiner Mutter aufgefallen, wo er offenbar das Revier gegen mich, den fremden Eindringling, verteidigte.
Heute weiß ich, dass ein neuer Mann in einer Mutter-Sohn-Beziehung keine Chance hat und auch, dass seine Mutter und ich dieses Kind mit unseren Zukunftsplänen überfordert haben. Wir haben nur an uns gedacht und nicht an die Gefühle dieses Kindes.“
Noch vor kurzem vermutete man zwangsläufig Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Scheidungskindern. Inzwischen gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass weniger die Familienstruktur als vielmehr die Qualität der Beziehungen der Kinder zu ihren nun getrennt lebenden Eltern und deren jeweiligen Herkunftsfamilien ausschlaggebend dafür ist, ob die Kinder die Chance haben, zu stabilen Persönlichkeiten heranzuwachsen.4
Die Qualität der Beziehungen kann eher positiv oder eher negativ sein. Im positiven Fall bleiben nach der Scheidung der Eltern die Beziehungen zwischen den Elternteilen und den Kindern unbelastet und den Kindern bleibt darüber hinaus das Beziehungsnetz aus väterlicher und mütterlicher Familie erhalten. Im negativen Fall führt die Scheidung der Eltern zu einem jahrelangen Krieg nicht nur zwischen den Eltern, sondern auch zwischen den Familien, wodurch die Kinder zwischen die Fronten geraten und auch ihre erweiterte Familie (Opa, Oma, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins) verlieren. Derart belastete Scheidungskinder können unter vielfältigen Symptomen leiden, wie etwa unter psychosomatischen Beschwerden, emotionaler Labilität, Schlafstörungen, Leistungsabfall und Kontaktängsten.
Die Folgen von Scheidung sind für betroffene Kinder verheerend und mindestens so schmerzhaft wie für die Eltern. Ein Großteil der Scheidungskinder ist sogar emotional dermaßen beeinträchtigt, dass sie unter Lern- und Konzentrationsstörungen leiden und oft eine Klasse wiederholen müssen. Insbesondere leiden sie daran, dass ein Elternteil „abwesend“ ist.
4. Wie erleben Kinder
die Abwesenheit eines Elternteils?
Als „abwesender Elternteil“ ist der Elternteil zu verstehen, in dessen Haushalt sich die Kinder zu einem Zeitpunkt