Geständnis mit Folgen. Ursula Schmid-Spreer

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Geständnis mit Folgen - Ursula Schmid-Spreer

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Ecke warf gespenstische Schatten auf sein Gesicht. Es sah aus, als wenn ihm ein Horn auf der Stirn wachsen würde.

      3

      Aufgeregtes Stimmengewirr drang aus der angelehnten Tür der Klasse 10a. Wortfetzen wie Scheiße, wer macht jetzt … und kein Wunder …, so ein … drangen heraus. Belu klopfte kurz, gefolgt von Klaus trat sie ein. Es wurde schlagartig ruhig. Die Kommissarin stellte sich der Klasse vor. Deutete auf Klaus. »Mein Kollege Hofmockel. Lassen Sie sich nicht stören«, meinte sie ironisch. »Sie waren eben im Gespräch?«

      »Ich sagte gerade, dass es zum Glück Nüsslein war, der den Meier gefunden hat. Stellt euch mal vor, es wäre unser Trutscherle gewesen. Die hätte doch glatt einen Schreianfall bekommen.«

      »Würden Sie sich vorstellen, bitte?« Klaus mischte sich ins Gespräch ein, sah den jungen Mann an.

      »Matze Bohl, Klassensprecher. Und du, Nico, sag nicht Depp zu mir.« Der Angesprochene hatte Matze einen leichten Schlag mit dem Heft auf den Kopf gegeben.

      Die Tür öffnete sich und ein mittelgroßer Mann mit einer modischen Kurzhaarfrisur kam in das Klassenzimmer. Belus erster Gedanke: ein eitler Pfau mit seinem Seidenschal und modernem Outfit.

      »Ich wollte mal nach der Klasse sehen. Es war auf einmal so unnatürlich ruhig. Ich nehme an – Polizei?«

      Belu nickte und murmelte ihrer beider Namen. Ich hänge mir jetzt bald ein Schild um, so oft habe ich mich heute schon vorgestellt, dachte sie.

      »Mein Name ist Johannes Petermann. Geschichte, Geografie.«

      Ist schon komisch, dachte Belu, dass sich Lehrer immer gleich mit ihrem Fachgebiet vorstellen. Sie lächelte den Herrn freundlich an.

      »Sie waren nicht im Lehrerzimmer gewesen?«

      »Ich musste noch eine Klassenarbeit vervielfältigen. Nachdem der Kopierer mal wieder Papierstau meldete, habe ich mich gar nicht lange damit beschäftigt und bin gleich ins Sekretariat. Fräulein Kleinert hat mir die Kopien gemacht.«

      Er fuhr an die Klasse gewandt fort: »Ich glaube, an Unterricht ist jetzt nicht zu denken. Die Schulleitung überlegt noch, ob wir in dieser Woche den normalen Schulalltag überhaupt so fortführen. Auf jeden Fall werden wir Psychologen vom örtlichen Schulamt ordern. Und dann wären da auch noch die Religionslehrer, die euch für Gespräche zur Verfügung stehen. Wenn ihr das wünscht, natürlich nur«, fügte der Lehrer an. »Am besten geht ihr für heute nach Hause.« Er schaute dabei von einem Jugendlichen zum anderen. Einige saßen auf den Bänken, andere hatten sich an die Wand gelehnt, wieder andere hatten an den Fenstersimsen Platz genommen. Ein paar Schüler senkten die Köpfe, andere nickten, die meisten verneinten. Sie wollten noch in der Schule bleiben. Es waren wohl eher Neugierde und die Befürchtung, etwas zu verpassen, die die Schüler in der Schule und im Klassenzimmer verharren ließen, als das Pflichtbewusstsein.

      »Wissen Sie«, Petermann wandte sich den beiden Kommissaren zu, »die Klasse von Studiendirektor Meier ist vor lauter Polizei im Haus beinahe in Vergessenheit geraten. Direktor Dressler hat angeregt, den psychologischen Dienst einzuschalten. Wozu haben wir ihn? Die unteren Klassen wirken leicht verstört. Sie wissen ja, wie das ist. Zu jedem geflüsterten Satz kommt ein noch geheimnisvollerer hinzu. Wie ich eben hörte, munkelt man, dass Meier in einem Blutsee gefunden wurde.« Petermann presste die Lippen aufeinander und nestelte nervös an einem Knopf. Dann öffnete er den Knoten seines Seidenschales und wischte sich damit über die Stirn. Er knüllte ihn zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. Aufgeregtes Gemurmel machte sich breit. Als Matze Bohl zu sprechen begann, wurde es wieder still.

      »Nüsslein wollte ihn noch wiederbeleben, munkelt man – aber bei einem Kopf, der nur noch Brei ist? Jedenfalls wäre unser Hauswart dadurch blutverschmiert gewesen, als man ihn sah.«

      »Und? War er das?«, fragte Hofmockel.

      »Ich habe jedenfalls nichts gesehen«, antwortete Matze. »Wir mussten laut der Order Nüssleins ja dableiben, falls die Bullerei uns befragen wollte. Sein Kittel hatte alle möglichen Flecken. Wie immer halt. Aber Blut habe ich nicht gesehen.«

      Eine Schülerin begann hysterisch zu schluchzen. Sie sah aus, als wenn sie tagelang nicht geschlafen hätte. Käseweiß war sie im Gesicht, ihre Sommersprossen auf der Nase sahen aus wie kleine Dreckspritzer.

      »Reiß dich zusammen, Katharina!«, sagte Ben, ein anderer Junge aus der Klasse. Und grienend setzte er nach: »Jetzt wird es wohl endgültig nichts mehr mit der Mathe-Weltmeisterschaft.« Die betreffende Schülerin Katharina wechselte ihre Gesichtsfarbe von Weiß zu Knallrot.

      »Lass Katharina in Ruhe. Nur weil du Mathe nicht magst und es auch nicht kannst, du Zahlengenie, brauchst du nicht so abfällig zu reden. Immerhin ist ein Mensch gestorben, das ist schlimm genug«, antwortete der Junge, der von Matze Bohl mit Nico angesprochen worden war.

      »Das sagt der Richtige. Du hast das Handtuch geschmissen. Ist die Mathematik wohl doch nicht deine Berufung, he, Streber?« Ben sah sich Beifall heischend um, erntete aber nur Schweigen von seinen Mitschülern.

      »Lasst gut sein, hört auf zu streiten«, mischte sich Petermann ein. »Ich glaube, wir haben im Moment andere Sorgen. Schon vergessen? Zehnte Klasse? Schulaufgaben? Abschlussprüfungen? Jetzt ein Mordfall. Wer soll eure Klasse bis zum Schuljahresende führen? Einige von euch werden nach der Zehnten abgehen, die brauchen ein vernünftiges Zeugnis.« Petermann hatte sich richtig in Rage geredet. Er stützte sich mit beiden Händen an einer Bank ab, sah die Schüler eindringlich an.

      Klassensprecher Matze hüpfte von dem Tisch herunter, auf dem er gesessen hatte. Zu Nico gewandt meinte er: »Du bist noch nicht lange an der Schule und kanntest Meier nicht so gut wie wir. Der konnte ganz schön austeilen. Und wen er auf dem Kieker hatte, Mannomann, der hatte wirklich nichts zu lachen.«

      Ein paar Schüler nickten zustimmend.

      »Wie geht’s nun weiter, Herr Petermann?«, schob Matze nach.

      »Das kann ich euch wirklich noch nicht sagen. Wir werden eine Konferenz einberufen müssen und beratschlagen, was zu tun ist. Vorerst gilt der Vertretungsplan.«

      Kurz schwoll Stimmengewirr an, manche maulten.

      »Mann, das haben wir heuer nicht zum ersten Mal. Meier hat schon letztes Schuljahr längere Zeit gefehlt und war vergangenen Dezember über weg, und da hatten wir auch Vertretungen«, meinte ein Schüler genervt.

      »Wer sind Sie?« Belu sah den schlaksigen Jungen an, der von der letzten Bank vorgerufen hatte.

      »Tobias Herbst. Ich bin auch in der Mathe-AG. Der Meier war schon ein Hund. Erinnert euch nur daran, wie er Matze die Clownsmaske aufgesetzt hat und meinte, dass auch jeder weiß, wo der Spaßvogel sitzt. Und zu Bella hat er gesagt, wenn er sich einen Döner ans Ohr hält, dann hört er wenigstens die Sau grunzen, bei ihr käme nix, und sie hätte keinen blonden Schimmer von Zahlen.«

      »Ha ha«, maulte Matze und setzte sich seine Baseballkappe verkehrt herum auf.

      »Du bist so ein Arsch, Tobias.« Bella nahm einen Gummi, warf ihn dem jungen Mann an den Kopf. Tobias duckte sich geschickt. Nico, der hinter ihm stand, reagierte nicht schnell genug und bekam ihn direkt an die Nase.

      »Aua, Volltreffer! Bella, seit wann bist du ein Wurfgenie?« Nico rieb sich die Nase, machte gute Miene zum bösen Spiel.

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