Frieden - eine verlorene Kunst?. Stephan Elbern
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Neuere Zeit
Auch die konfessionelle Spaltung des Abendlandes durch die Reformation veränderte – ungeachtet der teils erbitterten Glaubenskriege – diesen Zustand nicht. Man blieb sich weiterhin der grundsätzlichen religiösen Gemeinsamkeit bewusst; dies äußerte sich etwa in der Präambel des Westfälischen Friedens, die Einigung erfolge „zur Ehre Gottes und zum Heil der Christenheit“. Gleichzeitig beflügelte die neue geistige Freiheit des Humanismus auch das juristische Denken; der Niederländer Hugo Grotius (1583 – 1645) begründete die moderne systematische Völkerrechtswissenschaft. Im aufgeklärten „Zeitalter der Vernunft“ (18. Jh.) wurde die Eidesleistung für internationale Verträge unüblich5; der juristische Begriff des „europäischen öffentlichen Rechts“ löste das religiös begründete „Völkerrecht“ ab (auch diese Bezeichnung ist damals entstanden). Zugleich kam es zu einer Humanisierung des Krieges – er wurde „domestiziert“.
Das 19. Jh. weitete die europäische Völkerrechtsordnung auf alle „zivilisierten Nationen“ aus, u. a. die neuen Staaten Lateinamerikas, ferner einige asiatische Länder sowie das schwarzafrikanische Liberia. Durch die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung wurden die Auswirkungen von Kampfhandlungen weiter gemildert; noch konnte niemand ahnen, welch unvorstellbares Leid die folgenden Kriege bringen sollten.
Das 20. Jahrhundert
Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Völkerbund als erste „universale“ Staatengemeinschaft gegründet; an seiner wichtigsten Aufgabe, der Sicherung des Friedens, ist er jedoch gescheitert. Neuartig war immerhin die Ächtung des Krieges durch den Briand-Kellogg-Pakt (1928), ebenso der (damals noch vergebliche) Versuch der Siegermächte, die gegnerischen Politiker und Militärs als „Kriegsverbrecher“ vor ein internationales Tribunal zu zerren.6 Der 2. Weltkrieg brachte eine bislang unvorstellbare Brutalisierung der Kampfhandlungen, die in den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki gipfelte, zudem eine weitgehende Auflösung der völkerrechtlichen Normen auf allen Seiten. Nach diesem Rückfall in – längst vergessen geglaubte – Zeiten eines schrankenlosen Krieges sollte die Gründung der Vereinten Nationen eine neue globale Friedensordnung heraufführen. Aufgrund der jahrzehntelangen Teilung der Welt in zwei ideologische Machtblöcke blieb diese jedoch ein wohlklingendes Versprechen.7 Zwar erlebte das „alte Europa“ seither nur noch wenige, zudem unbedeutende bewaffnete Konflikte; dafür kam es jedoch zu zahllosen Stellvertreterkriegen der Supermächte auf anderen Kontinenten, außerdem zu ungezählten militärischen Auseinandersetzungen zwischen den jungen Staaten in Asien und Afrika. Seit 1945 wird nahezu überall und ununterbrochen gekämpft – fast immer unter Mitwirkung der damaligen Siegermächte, die einst die UN gründeten. Auch die Propagandathese, dass demokratische Staaten keine Kriege führen (außer zur Selbstverteidigung), kann getrost in das Reich der Fabel verwiesen werden.
Da der bewaffnete Konflikt heute offiziell geächtet ist, wird er gern – ganz im Sinne von Orwells „Neusprech“ – begrifflich „geschönt“: Er wurde zum „humanitären Einsatz“, das Kriegsrecht zum „humanitären Völkerrecht“ (auch die bundesrepublikanische Politik vermeidet tunlichst das böse Wort, etwa wenn es um die Kämpfe in Afghanistan geht). Vor allem die Großmächte (aber auch andere Staaten) finden stets einen Vorwand für eine „bewaffnete Intervention“ (natürlich keinen „Krieg“!) – ob Russland im Kaukasus oder die USA im Irak; das Gewaltverbot der UN steht weiterhin nur auf dem geduldigen Papier. Die Wehrlosigkeit der meisten Völker gegenüber der militärischen Überlegenheit v. a. der westlichen Supermacht hat außerdem eine neue Form des Krieges erzwungen – den internationalen „Terrorismus“.
Bei nüchterner Betrachtung stellt man fest, dass der Friedensvertrag zur dauerhaften Beilegung von internationalen Konflikten heute ausgedient hat; die Kunst, die beiderseitigen Interessen durch Verhandlungen auszugleichen und mit dem einstigen militärischen Gegner zu normalen Beziehungen zurückzukehren, ist in unserer Zeit weitestgehend verloren gegangen. Als Fortschritt wird man diese Entwicklung nicht werten müssen – wir sind hinter das völkerrechtliche (und moralische) Niveau des Alten Orients zurückgefallen!
Anmerkungen
In diesem (zwangsläufig) holzschnittartig verkürzten Überblick wird die völkerrechtliche Praxis dominieren, nicht die juristisch-theoretische Sichtweise.
Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Rom und Byzanz lediglich ein Konstrukt der späteren Historiographie.
So schloss der Kalif Muawiya einen dreißigjährigen „Frieden“ mit Byzanz (678).
Unser liebster Bruder
1648 wurde der Friede von Münster und Osnabrück noch feierlich beschworen.
In den Friedensabkommen der frühen Neuzeit waren dagegen Amnestieklauseln für Kriegshandlungen üblich. Übrigens werden – bis heute – stets nur die Besiegten als „Kriegs- verbrecher“ angeklagt, wie noch die Konflikte im zerfallenden Jugoslawien sowie dem Kosovo gezeigt haben.
Allerdings wirkt die UN auch nach dem Ende der Sowjetunion – mit deren obstruktivem Gebrauch des Vetorechts man vielfach die Handlungsunfähigkeit der Organisation entschuldigt hatte – nicht wesentlich effizienter für den Weltfrieden.
Das erste Friedensabkommen der Geschichte: Der Vertrag zwischen Ramses II. und den Hethitern nach der Schlacht bei Kadesch (1284 v. Chr.)1
Erstmals wird ein militärischer Konflikt zwischen rivalisierenden Großmächten auf diplomatischem Wege durch einen internationalen Vertrag beigelegt. Das Abkommen wird zum Vorbild für alle späteren Epochen – bis in unsere Zeit.
Unter Thutmosis III. (1502/1481 – 1448 v. Chr.) hatte Ägypten den Gipfel seiner Geschichte erreicht; durch den Sieg bei Megiddo hatte der kriegerische Herrscher die Macht der Pharaonen bis nach Vorderasien ausgeweitet. Die nachfolgende Schwächeperiode des Nillandes (u. a. wegen der religiösen Neuerungen des „Ketzerkönigs“ Echnaton) nutzten die Hethiter zur Ausdehnung ihres Machtbereichs. Das indogermanische Volk war um 2000 v. Chr. nach Anatolien eingewandert und durch die Unterwerfung des Mitanni – Staates im 14. Jh. zur Großmacht aufgestiegen. Bei seinem Vordringen gegen Syrien stieß es auf die ägyptische Interessensphäre.
Um die verlorenen Gebiete zurück zu gewinnen, eröffnete Ramses II. (1304 – 1238 v.