Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit. Alexander Reeh
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Dazu zählen grundsätzlich die Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen, interessanten Menschen, die San Blas Inseln mit den einzigartigen Kuna-Indianern, die Unterwasserwelt der Los Roques (Venezuela) und der Tuamotos (Franz.Polynesien), die endemische Flora und Fauna der Galapagos Inseln (Equador), unsere Hochzeit barfuß am Strand von Malolo Lailai/Fiji Inseln, die »Land Divers« in Pentecost/Vanuatu, nahezu jungsteinzeitliche Kulturen in den Banks Inseln und später in Papua Neuguinea, das Kulturfestival in Mount Hagen/Highlands von PNG mit 160 verschiedenen Stämmen, die Flussfahrt durch den Regenwald von Borneo (Indonesien) mit freilebenden Orang Utans, Nasenaffen und Gibbons.
Und zu den weniger schönen?
Die Zitterfahrt mit dem nach einer Baumstammkollision leckgeschlagenen Katamaran: 1100 Seemeilen von den Galapagos auf die Marquesas Inseln (nach Fatu Hiva), Evis schwere Verletzung an der rechten Hand durch eine runterfallende Kiste zwei Tagesreisen vor den Komodo Inseln, Wolfgangs fast-über-Bord-Gehen in der Straße von Malakka, den Konvoi durch das Piraten Gebiet im Golf von Aden.
Viele gewohnte Annehmlichkeiten, aber auch die medizinische Versorgung, sind bei so einer Weltreise wohl nicht immer gegeben. Hatten Sie in dieser Hinsicht Probleme?
Wenn man eine Weltumsegelung antritt, verzichtet man bewusst auf die zur Selbstverständlichkeit gewordenen Annehmlichkeiten des Alltags. Gerade darum geht es vielleicht auch, sich zu vergegenwärtigen, in welchem Luxus wir – unter Aufgabe unserer Freiheit – leben.
Unsere medizinische Versorgung war dank der Unterstützung vieler befreundeter Ärzte, die Medikamente für uns sammelten, exzellent. Darüber hinaus hat Evi einen »Medizin an Bord«-Kurs noch in Wien besucht, und wir wurden von Freunden in die verschiedenen Techniken der Wundversorgung eingeführt.
Wir hatten während der Reise immer wieder Verletzungen und Erkrankungen, die wir zum größten Teil selbst behandeln konnten/mussten. Im schwersten Fall eine Handverletzung Evis, deren Auswirkungen leider bis heute sichtbar sind.
Glücklicherweise konnten wir in Papua und Vanuatu in einigen entlegenen Dörfern grundlegende medizinische Versorgung gewährleisten.
Welche Auswirkungen hat Ihr Abenteuer auf Ihre heutige Arbeit, auf Ihr heutiges Leben?
Zunächst sind wir ruhiger und abgeklärter geworden, haben enorm viel Selbstvertrauen in uns und unsere Fähigkeiten bekommen und müssen uns daher weniger selbst beweisen. Der Zeitfaktor wird nicht mehr zum Stressfaktor, wir gehen an die meisten Dinge des Lebens deutlich entspannter heran – dies betrifft natürlich auch unsere eigentliche Arbeit als Lehrer.
Können Sie auch Ihren Schülern davon etwas weitergeben?
Wir konzentrieren uns in unserer Unterrichtsarbeit weitgehend auf unsere jeweiligen Fächer und trennen grundsätzlich Privates von Beruflichem. Mit unseren Schülern sprechen wir daher über unsere außerschulischen Aktivitäten wenig. Dennoch wissen die meisten Schüler über die Reise Bescheid.
Die Rückkehr von einsamen oder dünn besiedelten Inseln, von der Zweisamkeit auf Ihrem Katamaran in eine größere Stadt wie Wien mit all ihren Infrastrukturen – wie war das für Sie? Eine Art »Schock« oder verbunden mit großer Freude und Zufriedenheit?
Dazu ein Zitat aus unserem Buch:
»Waschmaschine, Geschirrspüler, Mikrowellenherd, fließendes (warmes) Wasser oder Toilettenspülung auf Knopfdruck erleben wir angenehm, fast als dekadenten Luxus, aber das Leben auf dem Wasser im Einklang mit der Natur lässt die »Enge« der Stadt deutlicher spüren, und so ist die Wahrnehmung unseres Umfeldes nicht mehr die gleiche.
Versicherungen und Banken scheinen verstärkt mit subtiler Indoktrination von Furchtszenarien das Leben vieler Menschen zu steuern und weitgehend auf die Pension ausrichten zu wollen – das Hier und Jetzt gerät allzu leicht in den Hintergrund. Wir hoffen, uns davon möglichst abschirmen zu können und, dass wir mehr Träume haben, als uns die Realität nehmen kann.«
Der Wiedereinstieg ins Berufsleben stellt manche Aussteiger vor eine große Herausforderung, u.a. weil sie das straffe Zeitkorsett eines Arbeitsalltags nicht mehr gewohnt sind. Wie war für Sie der Wiedereinstieg?
Beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt des Schulalltages haben wir die gewohnte Routine vermisst, wir haben umständlich, ineffizient gearbeitet, und die für den Beruf so wichtige Eloquenz und Schlagfertigkeit war ein wenig eingerostet.
Wir waren aber offen gestanden sehr froh, in die Sicherheit unserer alten Berufe zurückkehren zu können. Das treffend formulierte enge Zeitkorsett und der frühmorgendliche Wecker sind für uns eine enorme Umstellung, ebenso wie das Fremd bestimmt sein nach drei Jahren auf See.
Wenn Sie mit Ihrem heutigen Wissen und Ihren Erfahrungen die Zeit nochmals vor Reiseantritt zurückdrehen könnten, was würden Sie heute anders machen – auch in Bezug auf die Reise selbst?
Um eine Weltumsegelung richtig genießen zu können, scheinen uns sechs Jahre notwendig, daher würden wir eine längere Zeitspanne für eine solche Reise einplanen.
Außerdem würden wir versuchen, die Verwaltung unserer Obliegenheiten daheim verstärkt selbst zu organisieren – keinesfalls würden wir sie noch einmal in fremde Hände legen.
Hätten Sie sich nicht kennengelernt, würden Sie auch alleine eine solche Reise über diesen Zeitraum wagen?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, grundsätzlich war das Schiff und die damit verbundene Reise stets ein gemeinsames Projekt. Die positiven und negativen Erlebnisse mit dem Partner zu teilen, war wesentlich – wir würden dies nicht missen wollen.
Haben Sie eine nächste größere Reise geplant?
Ein nächstes großes Segelprojekt steht mit Wolfgangs endgültigem Berufsausstieg in Planung – Evi ist neun Jahre jünger. Nach Kauf eines neuen Katamarans könnten wir uns vorstellen, längere Zeit in der westlichen Karibik zu verbringen.
Wenn sich nun auch unter meinen Lesern jemand dazu entschließt, eine berufliche Auszeit zu nehmen – es muss ja nicht gleich eine Weltumsegelung sein – welche Tipps haben Sie für ihn bzw. für sie?
Ratschläge richten sich weitgehend nach den individuellen Voraussetzungen und Vorstellungen, die ja zum Glück unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher ist es für uns fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, generelle Tipps aufzulisten.
Interview: Burkhard Heidenberger, www.zeitblüten.com
Epilog aus dem Buch »Ruf des Ozeans«:
Wir sind wieder zu Hause in unserer Wohnung im äußersten Westen von Wien und schauen aus den Fenstern auf den nebelverhangenen Wolfersberg. Es nieselt bei 6°C – plus wohlgemerkt -, und die Blätter der Bäume sind längst in die Farben des Herbstes getaucht, sofern sie nicht bereits abgefallen sind. Unsere Gedanken schwenken zurück auf die abgelaufenen drei Jahre, auf die unbeschwerte Fröhlichkeit der Cook-Insulaner auf Aitutaki beispielsweise, mit der einzigartigen türkisgrünen Lagune – aber auch mit dem unbequemen Ankerplatz vor dem Arutunga-Pass.
Die ersten Monate sind vollkommen ausgelastet, unser Leben in Österreich wieder in die Gänge zu bringen. Der Pegelstand der Haushaltskasse ist noch unbefriedigend tief, und wochenlang karren wir Kisten, Taschen und Kartons in die Wohnung, der wir nach den