Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit. Alexander Reeh

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Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit - Alexander Reeh

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tragen auch einen Sack mit 2 kg, aber darin sind wenige, dafür größere und sperrige Kartoffeln, die beim Tragen deutlich drücken. Manch einer hat mit einem kleinen Säckchen Kartoffeln angefangen und trägt inzwischen einen Zentner Kartoffeln mit sich herum. Jeden Tag. Und ein Zentner Kartoffeln ist auf Dauer zu schwer, selbst, wenn es kleine, runde Kartoffeln sind. Die Kartoffel als Sinnbild des Lebens …. Ich gehe nach der Meditation eine halbe Stunde spazieren und die Kartoffeln haben meine Gedanken weiterhin fest im Griff: jede Kartoffel ist unterschiedlich. Selbst gleiche Sorten haben bei gleichem Gewicht unterschiedliche Formen und Maserungen. Weiß ich eigentlich, welche und wie viele Kartoffeln ich so trage, Tag für Tag? Wann habe ich zum letzten Mal das Säckchen abgenommen, jede einzelne Kartoffel heraus genommen und mich gefragt, wie schwer jede einzelne ist, und ob mich diese oder jene Kartoffel besonders drückt? »Im letzten Urlaub« kommt mir spontan in den Sinn. »Da habe ich das Säckchen einfach daheim gelassen«. Kein Wunder, dass die Erholung nicht lange anhält, wenn ich nach dem Urlaub den Sack wieder schultere und weiter mache wie vorher. Erkenntnis des Tages: Urlaub heißt, Säckchen daheim lassen. Auszeit heißt, sich mit den Kartoffeln zu beschäftigen. Kartoffeln aussortieren. Anders weitermachen als vorher. Mit weniger Last oder einer besseren Verteilung.

      Mittags wartet leider schon der gelbe Postbus auf mich und ich nähere mich wieder meinem Alltag. Erkenntnis der kurzen Kloster-Auszeit: Ich brauche einen gewissen Rahmen und Impulse, um meine Gedanken anzustoßen. Zwei Tage sind zu kurz. Auch Reibung schafft Bewegung. Daher: auf ein Wiedersehen, Kloster Rickenbach!

       Daniela Scholl

       In Asien nimmt sich Erik (40) immer wieder Auszeiten vom hektischen Alltag. Auf einer buddhistischen Klosterinsel hat der Psychologe sein persönliches Refugium gefunden, in das er regelmäßig zurückkehrt

      Ausgelöst wurde mein Interesse an Meditationstechniken und Buddhismus durch ein autogenes Training, bei dem ich als Führungskraft in einer Sparkasse mitmachte. Sobald ich meine Augen schloss, spürte ich, dass etwas mit mir passierte. Am Ende lösten die Entspannungsübungen ein Gefühl von innerer Sicherheit und Ruhe aus. Einige Zeit verbrachte ich in einem Schweigekloster im Allgäu und fühlte mich während des stundenlangen Sitzens, als würde ein Vulkan in meinem Inneren ausbrechen. Ich wollte wissen, was für enorme Kräfte da in mir schlummerten und meldete mich zu einem buddhistischen Vipassana-Kurs an. Bei dieser Meditationstechnik wird die Achtsamkeit oder klare Sicht auf die Dinge geschult. Kontinuierliche Selbstbeobachtung beruhigt den Geist.

      Meditation erzeugt ein Gefühl von Freiheit, das wurde mir immer klarer. Im Frühjahr 2005 nahm ich mir dann ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub und brach nach Asien auf. Im Südwesten Sri Lankas entdeckte ich einen völlig abgeschiedenen Ort, an dem ich meine Meditationspraxis vertiefen konnte. Polgasduwa Island ist eine Klosterinsel, auf der nur buddhistische Mönche leben.

      Als Klosterschüler nahm ich am normalen Tagesablauf der Mönche teil. Der Tag beginnt sehr früh, zwischen 5 und 5.30 Uhr stehen alle auf und meditieren. Frühstückszeit ist um 6 Uhr. Bereits um 11.30 Uhr gibt es Mittag, nach 12 Uhr wird nichts mehr gegessen. Da buddhistische Mönche keine materiellen Güter besitzen dürfen, spenden Dorfbewohner die Lebensmittel. Denen bereitet es große Freude, den Mönchen etwas geben zu dürfen. Eine interessante Erfahrung, denn für einen Europäer wäre es ja eher eine Schande, um essen zu betteln. Die meiste Zeit verbringen die Mönche mit Meditation und dem Studium buddhistischer Texte. Abends versammeln sie sich noch zu einer Gruppenmeditation mit Sprechgesängen. Danach geht jeder in sein Kuti, so heißen die Mönchsklausen.

      Ich hatte keine Schwierigkeiten mich an das Leben als Mönch zu gewöhnen, denn ich glaube der Mensch braucht feste Regeln. Auf dem Weg zu größerer innerer Freiheit geben sie nur den äußeren Rahmen vor. Das hat meines Wissens Buddha schon gesagt. Ich habe gesehen, dass die Mönche diese Regeln befolgen und ihren Mitmenschen mit sehr viel Wertschätzung begegnen. Das hat mich von Anfang an beeindruckt und hatte Vorbildcharakter. Natürlich hatte ich abends manchmal Hunger. Aber ich wollte mich ja von Konditionierungen, zu denen auch das Essen gehört, lösen und habe das Magenknurren dann einfach aus meiner meditativen Distanz beobachtet.

      Sechs Wochen verbrachte ich auf der Klosterinsel. Ursprünglich wollte ich länger bleiben, aber ich musste anderen Gästen Platz machen, denn das Kloster will möglichst vielen Menschen den Aufenthalt als Mönch auf Zeit ermöglichen. Daher reiste ich weiter nach Thailand. Dort belegte ich einen Tai Chi-Kurs und befasste mich weiter mit Meditation. Im Laufe der vergangenen Jahre bin ich dann noch ein paar Mal nach Sri Lanka zurückgekehrt, zuletzt im Februar 2011.

      Abgeschiedenheit und Einkehr haben mein Leben nachhaltig verändert. Ich habe gelernt, nicht mehr so schnell Groll gegen Menschen zu hegen, die mich unfreundlich behandeln oder abweisend auf mich wirken. Wer respektvoll zu seinen Mitmenschen ist, bekommt Achtung und Wertschätzung zurück. Durch die regelmäßige Meditation bin ich aber vor allem zu der Erkenntnis gelangt, dass man wahre Befriedigung nicht durch äußere Faktoren wie beispielsweise Geld und materielle Dinge erlangt. Nur das eigene Denken führt zu innerem Frieden. Das stille Klosterleben bildet einen Gegenpol zum geschäftigen Treiben, an das wir im Westen so gewöhnt sind. Man konzentriert sich auf das Sein im Hier und Jetzt.

      Durch die Meditationserfahrungen bin ich ausgeglichener geworden und habe Kraft gewonnen für die täglichen Widrigkeiten. Andererseits habe ich irgendwann erkannt, dass sich meine damalige Arbeit nicht mit meinen veränderten Werten vereinbaren ließ. Daher habe ich gekündigt und Psychologie studiert. Nun arbeite ich als selbstständiger Trainer und Coach für Personalentwicklungsthemen. Ich sehe diesen Wandel sehr positiv, denn die Meditation hat mir Auswege aus Abhängigkeit und Fremdbestimmung gezeigt. Mein Mut und meine innere Stärke sind gewachsen, während meine materiellen Ansprüche geschrumpft sind.

      Natürlich möchte ich irgendwann gern wieder zu den Mönchen. Die Abgeschiedenheit und Stille sind der ideale Ort, sich auf sich selbst zu besinnen. Auf der anderen Seite gibt es auch in Deutschland immer mehr Möglichkeiten sich zurückzuziehen. Deswegen plane ich eigene Retreats, die losgelöst von einer Tradition und Lehrern sind.

      Das auf einer Laguneninsel errichtete Kloster ist hervorragend geeignet, sich als Mönch auf Zeit eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Vor 100 Jahren gründete ein deutscher Mönch auf Polgasduwa die Insel Einsiedelei – wegen der umfangreichen deutsch- und englischsprachigen Bibliothek ist sie der ideale Ort für Westeuropäer, die sich für Buddhismus und Meditation interessieren. Die Aufenthaltsdauer ist auf sechs Wochen begrenzt und nur für Männer möglich. Wer auf Tuchfühlung mit dem Buddhismus gehen will, muss sich schriftlich anmelden, eine Einladung der Klosterleitung abwarten und wird dann mit dem Boot auf die Insel gebracht. Das Kloster erhebt keine Gebühren, Gäste geben eine Spende auf freiwilliger Basis.

       Erik

       Bericht über eine Auszeit im Sinai/Ägypten

       © SKR Reisen, Köln

      Der Flug bringt mich nach Sharm el Sheik an die Südspitze des Sinai. Der Flieger ist voller Familien mit kleinen Kindern. Als ich das Rollfeld betrete, haut es mich fast um. Hier ist die Wüste, und sie ist heiß und unerträglich. Oh je, denke ich, was hast du da bloß gemacht!!

      Im Shuttle zum Flughafengebäude wird mir dann schnell klar: Wir haben Feindesland betreten – eine Mutter gibt den Kindern und dem Ehemann lautstark letzte Anweisungen: »Kein Wasser trinken, kein Obst essen, nichts in den Mund stecken, nicht auf die Toilette setzen, Geld gut verstecken…«

      In der Halle besorge ich mir rasch ein Visum, tausche Euro in ägyptische Pfund und

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